Grüner Tee gegen Corona: Belege fehlen

Im Reagenzglas hemmt grüner Tee offenbar das Coronavirus. Doch das tun viele Substanzen, die sich in Folgestudien mit Menschen als wirkungslos herausstellen.

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Kann grüner Tee vor einer Infektion mit dem Coronavirus schützen oder bei der Behandlung von Covid-19 helfen?

Bisher wurde das nicht in Studien mit Menschen überprüft. Eine solche Wirkung ist daher unklar.

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© Serhii Brovko - shutterstock.com Grüner Tee: Fragliche Hoffnung bei der Behandlung von Covid-19
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Dieser Beitrag ist Teil unserer Faktencheck-Serie Mythen und Fakten zum Coronavirus

Die Suche nach einem wirksamen Medikament gegen das Coronavirus hält an. Forscherinnen und Forscher überprüfen seit Beginn der Pandemie zum Beispiel, ob sich bereits bekannte Medikamente oder Wirkstoffe aus der Natur als Anti-Corona-Mittel eignen – darunter etwa grüner Tee.

Tatsächlich deuten Experimente im Labor darauf hin, dass grüner Tee Coronaviren an der Vermehrung hindert – zumindest im Reagenzglas. Verantwortlich dafür scheint unter anderem die im Grüntee enthaltene Substanz EGCG zu sein. Das ist die Abkürzung für Epigallocatechingallat.

Hypothese überprüfen

Das klingt auf den ersten Blick vielversprechend, markiert aber nur den ersten von vielen notwendigen Schritten auf dem Weg zu einem gesicherten Anti-Corona-Wirkstoff. Ob sich Virus und Wirkstoff im menschlichen Körper genauso verhalten wie im Reagenzglas, ist nämlich völlig unklar.

So haben viele andere Substanzen in Laborexperimenten zuerst große Hoffnungen geweckt, sich dann aber in klinischen Studien mit Menschen als unwirksam herausgestellt. Das bekannteste Beispiel dafür ist Hydroxychloroquin.

Wirksamkeitsnachweis fehlt

Wir haben uns auf die Suche nach klinischen Studien gemacht. Leider ohne Erfolg. Bisher sind keine Studien erschienen, die die Wirksamkeit im menschlichen Körper überprüft haben. Somit lässt sich nicht belegen (oder ausschließen), dass grüner Tee vor einer Corona-Infektion schützt oder eine Covid-19-Erkrankung lindern kann.

Möglicherweise gibt es demnächst erste Hinweise. Derzeit läuft zumindest eine klinische Studie [1], welche die vorbeugende Wirkung von EGCG untersucht. Darin werden gesunde Testpersonen nach dem Zufallsprinzip zwei Gruppen zugeteilt. Eine Gruppe nimmt zur Vorbeugung Kapseln mit EGCG ein, die andere bekommt Placebo-Kapseln ohne Wirkstoff. Ob EGCG die Teilnehmenden vor Covid-19 schützen kann, könnte Ende 2021 feststehen, wenn die Studie abgeschlossen ist.

Wissenslücken schließen

Der menschliche Körper ist deutlich komplexer als ein Reagenzglas. Um das Virus in Schach zu halten, müssen die Grüntee-Substanzen erst einmal dorthin gelangen, wo das Virus sitzt. Auf dem Weg dahin gibt es jedoch viele Hindernisse. Denn der Grüntee muss erst durch Magen und Darm wandern, ohne durch die Verdauungssäfte abgebaut und somit unwirksam zu werden. Erst dann könnten die Inhaltsstoffe ins Blut gelangen und beispielsweise Lunge, Rachen und Nase erreichen. Ob sich die Grüntee-Substanzen ausreichend in jenen Körperzellen konzentrieren, die vom Coronavirus infiziert werden, ist ebenfalls unklar. Auch unerwünschte Nebenwirkungen sind nicht ausgeschlossen.

Und wie sieht es mit Grüntee als Anti-Corona-Gurgelmittel aus? Wir sehen hier keine plausible Abwehrwirkung. Denn der Tee erreicht nur die Oberfläche der Schleimhäute im Rachen, während sich die Viren gewöhnlich im Inneren der Schleimhautzellen befinden. Dort sind sie gut geschützt vor Gurgellösungen. Angreifbar wären die Viren nur in einem kurzen Zeitfenster: unmittelbar nachdem sie in den Körper gelangt sind und noch außen an den Schleimhautzellen von Mund und Nase sitzen.

Was wir zur Wirksamkeit von Gurgellösungen gegen SARS-CoV-2 wissen, haben wir in einem eigenen Beitrag beschrieben.

Die Studien im Detail

Wir haben keine Studien gefunden, die die Wirkung von grünem Tee bei Covid-19-Erkrankten untersucht haben.

[1] Koch (2020)
Previfenon® as Chemoprophylaxis of COVID-19 in Health Workers (HERD). ClinicalTrials.gov. Eintrag vom 24. 6. 2020. Abgerufen am 23. 6. 2021 unter www.clinicaltrials.gov

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