Mundspülung gegen Corona: Wirkung ungewiss

Ob Mundspülungen gegen Corona helfen, wird zurzeit erforscht. Ergebnisse gibt es noch nicht. Theoretisch spricht jedoch so manches dagegen.

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Review:  Julia Harlfinger 

Schützt regelmäßiges Gurgeln mit antimikrobiellen Mundspülungen davor, sich mit dem Coronavirus anzustecken? Hilft es bei einer Covid-19-Erkrankung, schneller gesund zu werden?

Antimikrobielle Mundspülungen können zwar die Menge an Corona-Viren in Mund und Rachen verringern. Dass dadurch die Beschwerden bei einer Covid-19-Erkrankung schneller abklingen, ist jedoch nicht gesagt. Studien dazu gibt es noch keine. Das gilt auch für die vorbeugende Wirkung von regelmäßigem Gurgeln mit Mundspülungen. Theoretisch spricht jedoch so manches gegen eine Wirksamkeit.

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© Orawan Pattarawimonchai - Shutterstock.com Lässt sich Corona weggurgeln? Das ist eher unwahrscheinlich.
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Dieser Beitrag ist Teil unserer Faktencheck-Serie Mythen und Fakten zum Coronavirus

Vor einigen Monaten erwähnte der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn eine mögliche Maßnahme gegen Corona-Infektionen: das regelmäßige Gurgeln mit Mundspülungen. Er berief sich dabei auf eine Empfehlung der deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, betonte aber, dass das wissenschaftlich nicht belegt sei [Correctiv].

Spahns Aussage hat einen wahren Kern: Mundspülungen mit Alkohol, ätherischen Ölen, Iod oder Chlorhexidin können möglicherweise die Anzahl von Viren und Bakterien in Mund und Rachen kurzzeitig verringern [3]. Das Risiko, andere anzustecken kann so vorübergehend sinken. Das trägt dann zum Beispiel zum Schutz der Zahnärztin oder des Zahnarztes während einer Behandlung bei.

Immer wieder jedoch behaupten Medien und Produkthersteller, dass Gurgeln mit speziellen Mundspülungen nicht nur die Infektion von anderen verhindert. Angeblich können Personen, die regelmäßig gurgeln, auch sich selbst vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus schützen. Und im Fall einer Covid-19-Erkrankung soll das Gurgeln helfen, schneller gesund zu werden.

Doch ist das wissenschaftlich belegt? Ist es theoretisch möglich, Viren einfach wegzugurgeln?

Gurgeln: Wirkung (noch) ungewiss

Wir haben uns auf die Suche nach Studien zur Wirksamkeit von antimikrobiellen Mundspülung gemacht: Stecken sich Menschen, die regelmäßig mit einer antimikrobiellen Mundspülung gurgeln, seltener mit dem Corona-Virus an? Außerdem wollten wir wissen, ob Personen mit Covid-19 weniger Beschwerden und leichtere Verläufe haben, wenn sie regelmäßig gurgeln.

Wir konnten keine abgeschlossenen Studien dazu finden. Die Forschung daran scheint allerdings auf Hochtouren zu laufen: Mindestens ein Dutzend Studien sind gerade in Arbeit.

Neue Erkenntnisse zum antimikrobiellen Gurgeln gegen Corona sind also in naher Zukunft zu erwarten. Wenn es so weit ist, werden wir unsere Einschätzung auf den neuesten Stand bringen. Doch ist eine Wirksamkeit theoretisch eigentlich plausibel?

Weniger Viren = weniger krank?

Das Gurgeln mit antimikrobiellen Mundspülungen kann möglicherweise die Anzahl der Viren in Mund- und Rachen verringern [3]. Ist das Gurgeln also ein Ansteckungsschutz? Bewirkt die Virenreduktion in Mund und Rachen weniger Symptome und schnellere Genesung? Eher nicht. Das ist aus mehreren Gründen wenig plausibel – wie auch unsere Kolleginnen und Kollegen der Rechercheplattform correctiv.org berichteten.

In den Zellen sind Viren vor der Mundspülung sicher

Zum einen befinden sich Coronaviren im Mund- und Rachen-Raum normalerweise nicht außen auf der Schleimhaut, sondern gut geschützt im Inneren der Schleimhautzellen. Sie sind also unerreichbar für eine Mundspülung und können deshalb nicht einfach weggegurgelt werden.

Denkbar ist ein Weggurgeln der Viren nur in einem sehr kleinen Zeitfenster – also exakt dann, wenn die Viren über Mund und Nase in den Körper gelangen und sich außen an der Schleimhaut anheften. Bevor sie innerhalb von Minuten ins Innere der Zellen wandern, könnte eine antimikrobielle Mundspülung sie theoretisch unschädlich machen [3,4].

Um einer Ansteckung, deren Zeitpunkt im Alltag zumeist nicht absehbar ist, vorzubeugen, wäre also ununterbrochenes Gurgeln notwendig. Was weder praktikabel noch ratsam ist, da antimikrobielle Substanzen nicht nur Viren, sondern auch die Schleimhaut schädigen.

Mundspülung kommt nicht überall hin

Ein zusätzliches Manko bei der Theorie vom Weggurgeln: Dabei alle Viren zu erwischen, ist höchst unwahrscheinlich. Denn die meisten Coronaviren befinden sich im Nasenrachen-Raum, also an der Hinterwand der Nase. Dieser Bereich wird beim Gurgeln normalerweise nicht erreicht. Es müsste dann schon eine gründliche Spülung sein – und zwar nicht nur des Rachens, sondern auch der Nase. Eine Prozedur, die vermutlich niemand mehrmals pro Stunde durchführen möchte, und auch nicht sollte. Denn die empfindliche Mund- und Nasenschleimhaut würde dabei auf Dauer Schaden nehmen.

Gurgeln kann auch schaden

Regelmäßig und langfristig angewendet kann das übermäßige Gurgeln und Spülen mit antimikrobiellen Lösungen unerwünschte Nebenwirkungen haben. Je nach verwendeter Substanz kommt es mitunter zu unterschiedlich starken Irritationen der Schleimhaut. Außerdem dürften Mundspülungen auf Alkoholbasis – wenn langfristig angewendet – das Risiko für Krebs im Mundraum leicht erhöhen [4].

Achtung vor Gurgeln vor Tests!

Weil die Anzahl der Viren dadurch kurzfristig sinken kann, sollte vor einem Coronatest keinesfalls gegurgelt werden. Das kann zu falsch-negativen Ergebnissen führen, das heißt, der Test kann eine Infektion mit dem Coronavirus übersehen. Deswegen gilt: etwa zwei Stunden vor einem Corona-Test weder essen, trinken oder Zähne putzen [5].

Die Studien im Detail

Bei unserer Suche fanden wir zwei Übersichtsarbeiten, die der Frage nachgingen, ob verschiedenste antimikrobielle Mundspülungen zum Schutz vor Coronaviren oder zur Behandlung von Covid-19 taugen. Die Forschungsteams interessierten sich nur für Studien, die das Erkrankungsrisiko oder die Schwere von Symptomen untersuchten. Studien, die sich ausschließlich mit der Menge an Viren im Nasen-Rachen-Raum beschäftigten, wurden dabei nicht berücksichtigt.

In der ersten Arbeit [1] suchte das Forschungsteam nach Studien mit Gesundheitspersonal, das an Covid-19 Erkrankte versorgte. Das Team wollte wissen, ob Pflegepersonen und Ärztinnen oder Ärzte sich durch antimikrobielle Mundspülungen vor einer Ansteckung schützen können.

Die zweite Arbeit [2] wollte die Frage beantworten, ob Covid-19-Patientinnen und -Patienten durch Mundspülungen schneller gesund werden oder mildere Symptome haben.

In beiden Übersichtarbeiten blieb die Suche nach veröffentlichten Studien ergebnislos. Die Forschungsteams berichteten allerdings von 16 derzeit laufenden Studien, deren Ergebnisse erwartet werden. Bei unserer eigenen Suche konnten wir auch keine neuen Studien finden.

Studien zu Mundspülungen auf Basis von Wasserstoffperoxid gegen das Coronavirus haben wir in diesem Beitrag nicht berücksichtigt. Dazu haben wir bereits einen eigenen Beitrag veröffentlicht.

[1] Burton u.a. (2020a)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 0
Fragestellung: Schützen antimikrobielle Mund- und Nasenspülungen Gesundheitspersonal, das Covid-29-Patientinnen und –Patienten versorgt, vor einer Ansteckung mit SARS-CoV-2?
Interessenkonflikte: einer der Autoren berät Herstellerfirmen antimikrobieller Mund- und Nasenspülungen und ist für diese Firmen als Forscher tätig; die übrigen Autorinnen und Autoren berichten keine Interessenskonflikte.

Burton, M. J., Clarkson, J. E., Goulao, B., Glenny, A. M., McBain, A. J., Schilder, A. G., … & Worthington, H. V. (2020). Use of antimicrobial mouthwashes (gargling) and nasal sprays by healthcare workers to protect them when treating patients with suspected or confirmed COVID‐19 infection. Cochrane Database of Systematic Reviews, (9).
(Studie in voller Länge)

[2] Burton u.a. (2020b)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 0
Fragestellung: Können antimikrobielle Mund- und Nasenspülungen die Krankheitsdauer bei einer Covid-19-Erkrankung verringern oder Symptome lindern?
Interessenkonflikte: einer der Autoren berät Herstellerfirmen antimikrobieller Mund- und Nasenspülungen und ist für diese Firmen als Forscher tätig; die übrigen Autorinnen und Autoren berichten keine Interessenskonflikte

Burton, M. J., Clarkson, J. E., Goulao, B., Glenny, A. M., McBain, A. J., Schilder, A. G., … & Worthington, H. V. (2020). Antimicrobial mouthwashes (gargling) and nasal sprays administered to patients with suspected or confirmed COVID‐19 infection to improve patient outcomes and to protect healthcare workers treating them. Cochrane Database of Systematic Reviews, (9).
(Studie in voller Länge)

[3] Carrouel, F., et al. (2021). Antiviral Activity of Reagents in Mouth Rinses against SARS-CoV-2. Journal of Dental Research, 100(2), 124–132.
(Übersichtsarbeit in voller Länge)

[4] UpToDate (2021)
Stenson KM. Epidemiology and risk factors for head and neck cancer. In: UpToDate, Brockstein BE (Ed), UpToDate, Waltham, MA.
Abgerufen am 20.4.2021 unter https://www.uptodate.com/

[5] F&A zum Coronatest, Stadt Wien
Abgerufen am 20.4.2021 unter https://coronavirus.wien.gv.at/haeufigste-fragen-zu-den-teststrassen/#toggle-id-25

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