Wie verlässlich sind Corona-Antigen-Schnelltests?

Ob auf ein Ergebnis beim Corona-Schnelltest Verlass ist, hängt vor allem vom Zeitpunkt ab. Bei beschwerdefreien Infizierten ist der Test ungenauer als bei Menschen mit Symptomen.

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Sind Antigen-Schnelltests genauso verlässlich wie langsamere PCR-Tests? Schließt ein negatives (unauffälliges) Schnelltest-Ergebnis eine Infektion mit dem Coronavirus sicher aus?

Antigen-Schnelltests sind flexibler und schneller als PCR-Tests. Wie verlässlich Antigen-Schnelltests sind, hängt jedoch stark vom Zeitpunkt des Tests ab: Am verlässlichsten sind die Tests dann, wenn die ersten Symptome auftreten. An die Verlässlichkeit der länger dauernden PCR-Tests kommen Antigen-Schnelltests nicht heran.

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© De Visu - shutterstock.com Endlich wieder die Oma besuchen! Kann ein Corona-Schnelltest die nötige Sicherheit geben?
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Dieser Beitrag ist Teil unserer Faktencheck-Serie Mythen und Fakten zum Coronavirus.

Derzeit kommen Antigen-Schnelltests in Österreich wie auch in anderen Ländern gratis im Zuge von Massentests oder in Testzentren zum Einsatz. Auch Apotheken und Hausarztpraxen bieten die Tests an.

Wer Sorge hat, sich mit dem Coronavirus angesteckt zu haben oder einfach auf Nummer sicher gehen will, hat also verschiedene Möglichkeiten, sich rasch testen zu lassen.

Doch ist auf die Schnelltests Verlass? Ist es zum Beispiel mit einem negativen (unauffälligen) Testergebnis möglich, sorglos die Großeltern zu umarmen oder Freunde zu treffen?

Wir haben uns auf die Suche nach Studien gemacht, die konkrete Zahlen liefern.

Ohne Symptome am ungenauesten

Die besten Tests, um eine Infektion mit dem Coronavirus nachzuweisen oder auszuschließen sind die PCR-Tests. Sie geben fast immer die korrekte Auskunft. Antigen-Schnelltests schneiden im Vergleich schlechter ab.

Am wenigsten zuverlässig sind Antigentests, wenn man keine Symptome wie Fieber, Husten oder Schnupfen hat. Im Durchschnitt schlägt der Schnelltest nur bei 58 Prozent der beschwerdefrei Infizierten auch tatsächlich an. Das zeigen die zusammengefassten Ergebnisse bisheriger Studien [1]. Bei 42 Prozent von ihnen übersieht der Test die Infektion also.

Etwas zuverlässiger ist das Ergebnis eines Antigen-Schnelltests, wenn man Corona-typische Symptome hat. Durchschnittlich 78 Prozent der erkrankten Infizierten erkennt der Test, wenn sie sich innerhalb einer Woche nach Krankheitsbeginn testen lassen. Auch hier bleiben jedoch knapp ein Viertel der Infektionen unentdeckt.

Umgekehrt können Antigentests bei Nicht-Infizierten falschen Alarm schlagen. Das kommt bei 1,1 Prozent vor, wenn die Getesteten komplett gesund und eigentlich virenfrei sind. Bei Personen mit Symptomen, die aber nicht durch das Coronavirus verursacht sind, kommt es bei 0,5 Prozent der Tests zu einem falsch-auffälligen Testergebnis [a].

In einem eigenen Beitrag haben wir uns die Zuverlässigkeit von Nasenbohrer-Schnelltests angesehen. Das sind Antigenschnelltests, bei denen das Stäbchen für den Abstrich nur rund zwei Zentimeter in die Nase geschoben wird statt bis ganz nach hinten zum Nasenrachenraum.

Unser Fazit

Haben Personen typische Beschwerden, sind Schnelltests gut geeignet, um rasch entscheiden zu können: Ist es Covid-19 oder nicht?

Anders sieht die Sache bei Personen ohne Symptome aus. Wer ein negatives Ergebnis in den Händen hält, sollte sich nicht in falscher Sicherheit wiegen: Wird ein Schnelltest gemacht, obwohl nichts auf eine Infektion hindeutet – etwa, weil man gefahrlos Verwandte besuchen möchte – ist auf das Ergebnis weniger Verlass.

Ein negatives Testergebnis ist zudem nur eine Momentaufnahme: Auch wenn der Antigentest unauffällig ist, kann man sich bereits angesteckt haben, und der Test wäre vielleicht am folgenden Tag positiv. Wichtige Maßnahmen, um sich selbst und andere vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu schützen bleiben weiterhin: Mund-Nasen-Schutz tragen und wenn möglich Treffen ins Freie verlegen.

Schnelltests: Rund um Symptombeginn am verlässlichsten

Genau wie bei PCR-Tests werden auch für Schnelltests mit einem Wattestäbchen Abstriche aus dem Nasen- und Rachenraum entnommen. Der Test erkennt bestimmte Coronavirus-Proteine in der Probe. Wird er fündig, zeigt er das mit zwei farbigen Linien am Teststreifen an, wie bei einem Schwangerschaftstest. Sind keine (oder zu wenige) Coronaviren in der Probe, wird nur eine Linie sichtbar. Das Ergebnis ist meist nach etwa 15 Minuten ablesbar [2].

Damit der Streifen sich sichtbar verfärbt, ist eine Mindestmenge an Viren notwendig. Darin unterscheiden sich Schnelltests von den aufwändigeren, dafür aber genaueren PCR-Tests: Letztere können mitunter sogar ein einziges Virus in einer Probe entdecken.

Die Menge der Viren im Nasen-Rachen-Raum nimmt vom Zeitpunkt der Infektion bis zum Auftreten erster Beschwerden zu. Deshalb liefern Schnelltests unterschiedlich verlässliche Ergebnisse, je nachdem wann die Probe entnommen wird.

Die verlässlichsten Ergebnisse erzielen Antigen-Schnelltests bei Personen mit einer hohen Menge an Coronaviren im Nasen-Rachenraum (sog. „Viruslast“). Die Viruslast ist in der Regel kurz vor Auftreten der ersten Beschwerden bis zu 5 Tage danach am höchsten [3].

Im Nasenrachenraum von Personen, die sich erst am Vortag angesteckt haben oder bei denen die Infektion unbemerkt (asymptomatisch) abläuft, finden sich verhältnismäßig wenige Coronaviren. Die Viruslast kann im Zuge der Vermehrung des Virus aber schnell ansteigen und das Ansteckungsrisiko dementsprechend hoch werden [4].

Vorteil Flexibilität

Ein großer Vorteil von Antigen-Schnelltests ist ihre Schnelligkeit und Flexibilität: Sie liefern rasch Ergebnisse und können an vielen Orten eingesetzt werden. Ein Labor ist dazu nicht nötig.

Mit Schnelltests kann das Coronavirus zwar nicht in so geringen Mengen wie mit PCR-Tests nachgewiesen werden. Im frühen Stadium der Infektion, wenn das Virus sich besonders stark vermehrt, können Antigen-Schnelltests aber nützlich sein. Ärztinnen und Ärzte können Antigen-Schnelltests beim ersten Kontakt mit symptomatischen Patientinnen und Patienten einsetzen, um schnell zu einer Diagnose zu gelangen. Bei Personen, die mit Covid-19 im Krankenhaus behandelt wurden, kann ein negatives Antigen-Schnelltest-Ergebnis zu einer sicheren Entlassung beitragen [4].

Schnelltests: Im Testzentrum und in der Apotheke

Antigen-Schnelltests werden in Österreich in Testzentren und Apotheken kostenfrei angeboten. Auch in Hausarztpraxen können sie durchgeführt werden.

Antigentest ist jedoch nicht gleich Antigentest – die Tests verschiedener Hersteller unterscheiden sich mitunter stark in der Zuverlässigkeit. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt, nur jene Antigen-Tests zu verwenden, die zumindest 80 Prozent der Infizierten korrekt erkennen. Falsche Alarme dürfen nur bei höchstens 3 Prozent der Nicht-Infizierten vorkommen [2].

Neu entwickelte Test müssen vom jeweiligen Hersteller auf ihre Verlässlichkeit geprüft werden, nur dann erhalten sie in Österreich das sogenannte CE-Zertifikat für Medizinprodukte. Eine Überprüfung durch unabhängige Stellen ist derzeit nicht erforderlich.

Das Paul-Ehrlich-Institut in Deutschland hat bereits etliche Antigentestsauf ihre Zuverlässigkeit überprüft. Auf seiner Webseite veröffentlicht das Institut eine regelmäßig aktualisierte Liste mit den Tests jener Hersteller, die diese Mindestkriterien erfüllen.

Die Studien im Detail

Bei unserer Recherche interessierten wir uns für Studien, die Proben sowohl mittels Antigen-Schnelltests als auch mittels PCR-Test auswerteten und anschließend untersuchten, ob die Ergebnisse übereinstimmen. Wir fanden eine systematische Übersichtsarbeit, die Daten zur Verlässlichkeit von Antigen-Schnelltests zusammenfasst [1]. Für diese Arbeit hat ein internationales Forschungsteam zwischen Ende September und Mitte November 2020 versucht, alle bisher veröffentlichten Studien zu finden.

Große Unterschiede

Gefunden hat das Forschungsteam 48 Studien zu 16 verschiedenen Antigentests. Dies deckt nur einen kleinen Teil der verfügbaren Antigentests ab. Mit Stand Jänner 2021 waren dem Forschungsteam Antigen-Schnelltests von 118 verschiedenen Herstellern bekannt.

Die Analyse der 16 untersuchten Antigentests zeigt große Unterschiede in der Zuverlässigkeit. Nur ein Test (SD Biosensor STANDARD Q) erfüllte die Mindest-Gütekriterien der Weltgesundheitsorganisation WHO in mehreren Studien: Er erkannte mehr als 80 Prozent der infizierten Personen mit Symptomen und löste bei weniger als 3 Prozent der Nicht-Infizierten einen falschen Alarm aus. Bei zwei weiteren Tests (BIONOTE NowCheck, Abbott Panbio) war das in zumindest einer Studie der Fall.

Die Spannweite der Zuverlässigkeit unter den untersuchten Tests war groß: Der schlechteste Test erkannte nur 34 Prozent der infizierten Personen.

Studienqualität teils mangelhaft

In den analysierten Studien wurden Personen wurden sowohl mittels Antigen-Schnelltest als auch mittels PCR-Test auf SARS-CoV-2 getestet. Viele der Getesteten hatte Beschwerden, die auf eine Infektion mit dem Coronavirus hindeuteten. In manchen Studien wurden jedoch auch Personen ohne Symptome getestet.

Anschließend wurde ausgewertet, wie gut die Ergebnisse der beiden Testmethoden übereinstimmten. PCR-Tests sind zwar ebenfalls nicht unfehlbar, sie gelten derzeit aber als die verlässlichste Methode, eine Infektion mit SARS-CoV-2 nachzuweisen.

Die Aussagekraft der Studien ist jedoch teilweise eingeschränkt. Wie groß die Verlässlichkeit der untersuchten Antigentests im Einzelnen ist, können sie daher nur ungefähr beantworten.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Manche Studien hielten sich bei der Testdurchführung nicht genau an die Anweisungen der Testhersteller. In einigen Studien wurde die Probe erst mit einiger Verzögerung auf den Schnellteststreifen aufgetragen. In manchen Studien fehlen Informationen dazu, ob und wie lange die Getesteten schon Symptome schon hatten, oder ob sie symptomlos waren.

[1] Dinnes u.a. (2021)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Analysierte Studien: 48 Testgüte-Studien zu 16 Antigen-Tests
Teilnehmende Personen: 15.530 Personen mit Symptomen (davon 4410 Infizierte), 1581 Personen ohne Symptome (davon 295 Infizierte)
Fragestellung: Wie verlässlich erkennen Antigentests im Vergleich zu PCR-Tests eine Infektion mit SARS-CoV-2?
Interessenskonflikte: Zwei Autorinnen sind bei der Non-Profit-Organisation FIND angestellt, einem Collaborating Centre der WHO.

Dinnes J, Deeks JJ, Berhane S, et al.; Cochrane COVID-19 Diagnostic Test Accuracy Group. Rapid, point-of-care antigen and molecular-based tests for diagnosis of SARS-CoV-2 infection. Cochrane Database Syst Rev. 2021 Mar 24;3:CD013705. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[2] WHO (2020)
World Health Organization. (2020). Antigen-detection in the diagnosis of SARS-CoV-2 infection using rapid immunoassays: interim guidance, 11 September 2020 (No. WHO/2019-nCoV/Antigen_Detection/2020.1). Abgerufen am 14.4.2021 unter www.who.int

[3] Österreichisches Sozialministerium (2020)
Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Antigen-Tests im Rahmen der Österreichischen Teststrategie SARS-CoV-2. Dezember 2020. Abgerufen am 23. 12. 2020 unter www.sozialministerium.at

[4] Corman u.a. (2020)
Corman et al (2020). Comparison of seven commercial SARS-CoV-2 rapid Point-of-Care Antigen tests. medRxiv. (pre-print, Studie in voller Länge)

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