Ivermectin gegen Corona: Studien zufolge wohl wirkungslos

Das Anti-Parasitenmittel Ivermectin galt anfangs als Kandidat für ein Medikament gegen Corona. Bisherigen Studien zufolge ist das jedoch unwahrscheinlich.

AutorIn:
Review:  Jana Meixner 

Hilft Ivermectin, mit Covid-19 schneller wieder gesund zu werden?

Bisherige Studien sprechen dagegen, dass Erkrankte mit Covid-19 durch Ivermectin schneller gesund werden als ohne. Die Studienergebnisse legen auch nahe, dass Ivermectin keine Todesfälle verhindern kann.

so arbeiten wir
Ivermectin-Tabletten Ivermectin: Wirksam gegen Würmer und Corona?
© rafapress – Shutterstock.com

Dieser Beitrag ist Teil unserer Faktencheck-Serie Mythen und Fakten zum Coronavirus

Zu Beginn der Pandemie suchten Forschende intensiv nach Medikamenten gegen das Coronavirus. Dabei setzten sie ihre Hoffnung auch auf Mittel, die bereits zur Behandlung anderer Gesundheitsprobleme verwendet wurden.

Eines dieser Mittel war Ivermectin. Als Medikament zum Schlucken oder als Salbe auf der Haut wirkt es gegen Würmer, Krätzmilben und Kopfläuse [4]. Nicht nur Forschende setzten Hoffnung in Ivermectin. Viele – darunter auch populistische Politiker – priesen Ivermectin als vermeintliches Wundermittel gegen Corona.

Laut bisherigen Studien wohl wirkungslos

Mittlerweile gibt es mehrere Studien [1-3], die die Wirkung von Ivermectin gegen Corona erforscht haben. Ihnen zufolge ist es unwahrscheinlich, dass das Medikament bei Covid-19 hilft. Mit Ivermectin brauchten Erkrankte offenbar ähnlich lang wie mit einem Scheinmedikament, um wieder gesund zu werden.

Auch dürfte das Wurmmittel weder vor einem Krankenhausaufenthalt bewahren noch das Sterbe-Risiko verringern.

Nebenwirkungen sind in den Studien zumindest nicht aufgefallen. Bei korrekter Dosierung scheint das Medikament also sicher zu sein. Allerdings sind Fälle bekannt, in denen sich Menschen durch eine zu hohe Dosierung vergiftet haben [9].

Aber eine Webseite behauptet das Gegenteil…

Immer wieder tauchen im Internet anderslautende Behauptungen auf, häufig unter Berufung auf die Webseite c19ivm.org (vormals ivmmeta.com) [7]. Diese Seite ist professionell aufgemacht und vermittelt den Eindruck, die zusammengefassten Ergebnisse bisheriger Studien würden die Wirksamkeit von Ivermectin eindeutig belegen. Dieser Widerspruch zur Einschätzung offizieller Gesundheitsbehörden verwirrt viele: sowohl Menschen in Gesundheitsberufen wie auch die Bevölkerung.

Bei genauerer Betrachtung wird jedoch klar: Die Analyse auf dieser Seite sind weder nachvollziehbar, noch ergeben sie Sinn [8]. Im Abschnitt „Die Studien im Detail“ erklären wir, warum.

Nicht nur den Ergebnissen fehlt die Nachvollziehbarkeit. Auch welche Personen oder Institutionen hinter der Analyse stehen, lässt sich nicht herausfinden. Auf ihrer FAQ-Seite gibt die Redaktion hinter der Webseite an, anonym bleiben zu wollen [7]. Das ist für uns aus Gründen der Transparenz unverständlich und auch in der Wissenschaft nicht üblich.

Ausgerechnet ein Mittel gegen Parasiten?

Wie kam es eigentlich dazu, dass das Anti-Parasitenmittel Ivermectin zum heißen Kandidaten für ein neues Corona-Medikament avancierte?

In Laborstudien konnte Ivermectin im Reagenzglas nicht nur Parasiten, sondern auch Bakterien und Viren abtöten. Darunter auch das Coronavirus SARS-CoV-2 [5,6].

Bei den Laborversuchen waren die Coronaviren allerdings großen Mengen von Ivermectin ausgesetzt – nämlich etwa 5 Mikrogramm. Diese Dosis wäre für den menschlichen Körper gesundheitsschädlich. Höchstens 0,08 Mikrogramm pro Milliliter Blut gelten als sicher für den Menschen [6]. Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, warum sich Ergebnisse aus dem Labor nicht ohne Weiteres auf den menschlichen Körper übertragen lassen.

Medikamente, die bei Corona (nicht) helfen

Welche Medikamente bei einer Covid-19-Erkrankung helfen, nicht helfen oder schlicht nicht erforscht sind, haben wir auf unserer Übersichtsseite zum Thema Corona zusammengefasst.

Folgende Behandlungen haben sich in Studien als wirksam herausgestellt:

  • Paxlovid kann zu Beginn der Erkrankung einem schweren Verlauf vorbeugen.
  • Cortison kann bei einer schweren Erkrankung vor dem Tod bewahren

Nicht wirksam sind:

Die Studien im Detail

Welche Studien haben wir berücksichtigt?

Eine randomisierte kontrollierte Studie ist die aussagekräftigste Studienart, um die Wirksamkeit von Ivermectin bei Covid-19 zu untersuchen. Dabei werden die Teilnehmenden per Zufall (randomisiert) einer von zwei Gruppen zugeteilt. Die Behandlungsgruppe bekommt Ivermectin. Die andere Hälfte (Kontrollgruppe) bekommt idealerweise ein Scheinmedikament (Placebo). Alle Personen erhalten unabhängig von ihrer Gruppe natürlich die bei Covid-19 übliche Versorgung.

Wir haben mehrere Forschungsdatenbanken nach aktuellen systematischen Übersichtsarbeiten durchsucht, in denen alle bis mindestens April 2022 veröffentlichten, randomisierten kontrollierten Studien zusammenfassend analysiert werden.

Die zwei aktuellsten Übersichtsarbeiten [1,2] haben Studien bis März 2023 analysiert. Darin nahmen an Covid-19 Erkrankte teil, die zuhause behandelt wurden und zumindest anfangs nicht schwer krank waren.

Eine Übersichtsarbeit [3] des internationalen Cochrane-Netzwerks hat auch Studien mit Spitalspatientinnen und Patienten berücksichtigt, die bis April 2022 veröffentlicht worden waren. Die Teilnehmenden waren schwer an Covid-19 erkrankt.
Die Behandlung mit Ivermectin dauerte 1 bis 8 Tage lang, und die Teilnehmenden erhielten verschiedene Dosierungen.

Wie aussagekräftig sind die Studien?

Am aussagekräftigsten sind jene Forschungsarbeiten, die eine Behandlung mit Ivermectin zuhause untersucht haben. Ihre Aussagekraft ist dennoch ein wenig eingeschränkt. Denn einzelne Studien haben nicht alle Ergebnisse vollständig berichtet. Wir halten es daher für wahrscheinlich, dass Ivermectin wirkungslos ist.

Nur sehr wenige Teilnehmende wurden so schwer krank, dass sie ins Krankenhaus mussten oder gar starben. Ivermectin scheint auch das eher nicht verhindern zu können, aber das ist schlecht abgesichert. Für aussagekräftigere Ergebnisse wäre eine größere Anzahl derart schwerer Erkrankungsfälle nötig gewesen.

Auch die Studien an Spitalspatientinnen und -patienten können die Wirkungslosigkeit von Ivermectin nicht gut belegen. Einerseits waren die Studien mangelhaft, und zudem nahmen deutlich zu wenige Personen daran teil, um aussagekräftige Ergebnisse zu ermöglichen.

Irreführende Analysen

Die Seite c19ivm.org (vormals ivmmeta.com) [7] fasst unzählige Studien zu Ivermectin zusammen. Die Ergebnisse sind professionell im Stil einer wissenschaftlichen Publikation aufgemacht. Sie vermitteln dadurch den Eindruck, die Wirksamkeit von Ivermectin sei zweifelsfrei belegt. Bei genauerer Betrachtung wird klar: Die Analyse hat keinerlei Aussagekraft [8]. Die Gründe dafür:

  • Es ist nicht nachvollziehbar, nach welchen Kriterien Studien in die Analyse eingegangen sind. Ebenso unklar ist, nach welchen Kriterien manche Studien nicht mit einbezogen wurden.
  • Es wird nicht berücksichtigt, wie gut gemacht und aussagekräftig die analysierten Studien sind.
  • Die Ergebnisse randomisierter kontrollierter Studien sind mit den Ergebnissen von Beobachtungsstudien vermischt. Durch die Vermischung der Studientypen gibt es ein sehr hohes Verzerrungspotenzial.
  • Es werden verschiedene Ergebnisse „in einen Topf geworfen“, die gar nicht zusammengehören: zum Beispiel werden Todesfälle mit Krankenhausaufnahmen oder Virenkonzentrationen vermischt. Das ergibt keine sinnvollen Ergebnisse.
  • Ein weiteres Problem: In der Analyse sind die Ergebnisse von Studien zusammengerechnet, die völlig unterschiedliche Fragestellungen untersucht haben. So verglichen manche Studien die Wirkung von Ivermectin mit Placebo, andere mit Hydroxychloroquin oder anderen Medikamenten. In manchen Studien erhielten die Teilnehmenden nur Ivermectin, in anderen zusätzlich zu Ivermectin noch weitere Medikamente. Es ist mittlerweile relativ gut belegt, dass Hydroxychloroquin gegen Corona wirkungslos ist.

[1] Sommer et al. (2023a) Outpatient treatment of confirmed COVID-19: a living, rapid review for the American College of Physicians. Annals of Internal Medicine, 176(1), 92-104. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[2] Sommer et al. (2023b) Outpatient Treatment of Confirmed COVID-19: A Living, Rapid Evidence Review for the American College of Physicians (Version 2). Annals of Internal Medicine, 176(10), 1377-1385. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[3] Popp et al (2022) Ivermectin for preventing and treating COVID-19. The Cochrane Database of Systematic Reviews, 6, CD015017. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[4] UpToDate (2023) Anthelminthic therapies. Abgerufen am 4.12.2023 unter uptodate.com (kostenpflichtig)

[5] UpToDate (2023) COVID-19: Management in hospitalized adults. Abgerufen am 4.12.2023 unter uptodate.com (kostenpflichtig)

[6] Heidary et al. (2020) Ivermectin: a systematic review from antiviral effects to COVID-19 complementary regimen. The Journal of antibiotics, 73(9), 593-602. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[7] c19ivm.org (2023) Anonym. Ivermectin for COVID-19. Abgerufen am 4. 12. 2023 unter https://c19ivm.org/ (vormals erreichbar unter https://ivmmeta.com)

FAQ zu c19ivm.org abgerufen unter https://c19ivm.org/faq.html

[8] Garegnani et al. (2021) Misleading clinical evidence and systematic reviews on ivermectin for COVID-19. BMJ Evid Based Med. 2021 Apr 22:bmjebm-2021-111678. (Kommentar in voller Länge)

[9] Centers for Disease Control and Prevention (2021) Rapid Increase in Ivermectin Prescriptions and Reports of Severe Illness Associated with Use of Products Containing Ivermectin to Prevent or Treat COVID-19. Abgerufen am 5.12.2023 unter cdc.gov

  • 5.12.2023: Drei aktuellere Übersichtsarbeiten [1-3] kommen zu einer klareren Einschätzung der Studienlage. Wir haben unsere Wirksamkeitseinschätzung daher von „möglicherweise unwirksam“ auf „wahrscheinlich unwirksam“ geändert und ältere Quellen entfernt.
  • 29.7.2021: Ergänzung der Quelle Popp (2021), Änderung der Wirksamkeitseinschätzung von „wahrscheinlich“ auf „möglicherweise“ nicht wirksam
  • 13.7.2021: Ergänzung der Übersichtsarbeiten von Hariyanto (2021) und Bryant (2021) und Erläuterungen dazu im Abschnitt „Die Studien im Detail“
  • 5.7.2021: Ergänzung der Quelle IVMmeta.com und Erläuterungen dazu
  • 3.5.2021: Erste Version

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