Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Aronia gegen Blasenentzündung: Keine Beeren aufbinden lassen

Aroniabeeren schmecken zwar nach Medizin – herb und säuerlich. Aroniasaft soll gegen Blasenentzündungen wirken. Doch für diese Wirkung fehlen Belege.

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Hilft der Saft der Aroniabeere gegen Blasenentzündungen?

Der Aroniabeere werden diverse positive Effekte nachgesagt. Ihr Saft soll beispielsweise vorbeugend gegen Blasenentzündungen wirken. Wir konnten aber keine aussagekräftigen Studien zu diesem Thema finden.

so arbeiten wir
© absolutimages - fotolia.com Was tun, wenn die Blasenentzündung immer wieder kommt?
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Viele Menschen machen zumindest ein Mal in ihrem Leben eine Blasenentzündung durch: Dann brennt und schmerzt es beim Wasserlassen. Der Urin kann blutig sein, und der Harndrang ist groß. Frauen sind wesentlich häufiger betroffen als Männer.

Vorbeugen gegen Blasenentzündung

Gerade Menschen, die häufig Blasenentzündungen haben, möchten gerne vorbeugen. Bei der Suche nach geeigneten Mitteln stoßen sie mitunter auf die Aroniabeere.

Wir haben aufgrund einer Leseranfrage überprüft, ob es wirksam ist, Saft aus diesen Beeren zu trinken. Hilft Aroniasaft, um das Risiko für Blasenentzündungen zu senken?

Was kann Aroniasaft?

Unser Fazit nach der Literaturrecherche:

  • Wir konnten nur eine Studie [1] zum Thema finden, deren Ergebnisse allerdings nicht aussagekräftig sind. Die Studie wurden mit Bewohnerinnen und Bewohnern von Pflegeheimen durchgeführt.
  • Wir können daher nicht einschätzen, ob Aroniabeeren-Saft vorbeugend wirkt.
  • Auch zu Aronia als Therapie bei einer Blasenentzündung konnten wir keine Studien finden und daher auch keine Einschätzung zur Wirksamkeit treffen.

Aus Amerika nach Europa

Aronia-Sträucher stammen ursprünglich aus Nordamerika. Es gibt, je nach wissenschaftlicher Betrachtungsweise, zwei oder drei Arten.

Wegen ihrer dunkelroten bis schwarz glänzenden Beeren, auch Apfelbeeren genannt, kamen die Sträucher im 20. Jahrhundert nach Osteuropa und in die Sowjetunion. Sie wurden im großen Stil kultiviert oder als Zierpflanze eingesetzt.

Heute ist Aronia eine Zutat von Säften, alkoholischen Getränken, Smoothies, Marmeladen und Teemischungen. Pur ist der Beerensaft nicht sonderlich wohlschmeckend, weil er herb und säuerlich schmeckt[2,4,5].

In Zukunft: Fruchtbare Analysen?

Nicht nur kulinarisch, sondern auch in der medizinischen Forschung wird Aronia immer mehr entdeckt. Neben Harnwegsinfekten, so die Hoffnung mancher Fachleuchte, könnten Aroniabeeren auch bei anderen Erkrankungen hilfreich sein.

So wird darüber spekuliert, ob Aronia gut ist für das Herz-Kreislaufsystem oder bei Diabetes. Bisher gibt es einige mehr oder weniger vielversprechende Studien mit Zellen und Ratten, aber nur wenige Untersuchungen mit Menschen.

Sollte Aronia jemals zur Vorbeugung oder Behandlung eingesetzt werden, müssen davor noch sehr viele Fragen geklärt werden, zum Beispiel zu den Wirkmechanismen. Wichtig ist auch die Erforschung von idealer Anwendungsdauer, möglichen Risiken und sinnvoller Dosierung [2,4,5].

Harnwegsinfekte: häufig unkompliziert

Meistens sind Bakterien die Auslöser von Harnwegsinfekten, zum Beispiel allgegenwärtige Bakterien aus dem Darm namens Escherichia coli. Normalerweise werden sie rasch ausgeschieden.

Doch manchmal können sich die Erreger in der Harnröhre und in der Blase festsetzen und dort eine Entzündung auslösen. Dann prägt sich der Harnwegsinfekt „nur“ als Blasenentzündung (Zystitis) aus.

Komplizierter und weniger harmlos, aber zum Glück deutlich seltener sind Infektionen, die sich über die Harnleiter in Richtung Nieren ausbreiten. Dies kann mit Fieber, Übelkeit und Schmerzen in der Nierengegend einhergehen [3,6].

Mehr zur Behandlung von einer Blasenentzündung finden Sie auf den Seiten von www.gesundheitsinformation.de

Hausmittel gegen Harnwegsinfekte schlecht erforscht

Zur Vorbeugung und Behandlung von Blasenentzündungen kursieren diverse Tipps zu Hausmitteln oder bestimmten Verhaltensweisen.

Dazu zählen Wärme (heißes Bad, Wärmeflasche), reichlich Teetrinken oder Wasserlassen nach dem Sex, damit sich Bakterien nicht in den Harnwegen festsetzen können.

Gute Studien gibt es zu Hausmitteln und Methoden meistens nicht. Daher kann man nicht sagen, ob diese Hausmittel wirklich wirksam sind oder wie gut sie helfen – auch wenn manche Betroffene darauf schwören [3,6].

Cranberry gegen Blasenentzündung?

Besonders häufig werden Cranberrys in Form von Saft und Tabletten eingenommen. Wir haben darüber bereits ausführlich berichtet: „Cranberrys – Schutz vor Blasenentzündung?“

Die Studien im Detail

Wir haben zum Thema nur eine Studie [1] gefunden. Bei dieser 2014 veröffentlichten Pilotstudie aus Norwegen fragten sich Forscherinnen und Forscher: Reduziert das regelmäßige Trinken von Saft aus Aroniabeeren das Risiko für einen Harnwegsinfekt? Untersucht haben sie dies mit 236 Personen (160 Frauen, 76 Männer), die in 6 Pflegeheimen lebten und durchschnittlich 85 Jahre alt waren.

Hat die Natur eine Lösung parat?

Prinzipiell ist diese Fragestellung interessant. Denn Pflegebedürftige haben ein erhöhtes Risiko für Harnwegsinfekte bzw. Blasenentzündungen. Es wäre also durchaus praktisch, wenn man durch das gezielte Trinken von Aronia-Saft den Infektionen vorbeugen könnte. Fraglich ist hier natürlich, inwiefern die Ergebnisse auf die Allgemeinbevölkerung (oder einzelne Gruppen daraus) übertragbar ist.

Gewagte Interpretation

Bei der norwegischen Studie konnten die Testpersonen drei Monate lang freiwillig bei Saft aus Aroniabeeren zugreifen; dieser wurde neben anderen Getränken vom Pflegepersonal offeriert. Davor oder danach stand ihnen für drei Monate Placebosaft zur Verfügung, der zwecks Verblindung möglichst so schmecken und aussehen sollte wie Aroniasaft. In welcher Reihenfolge Saft und Placebo in den jeweiligen Heimen im Angebot waren, sollte der Zufall bestimmen.

Während der „echten“ Aronia-Phase gab es laut Forschungsteam keine bedeutsame Reduktion von Harnwegsinfektionen zu verzeichnen. Allerdings, so berichten sie, seien die Infektionen in der darauffolgenden Zeit etwas zurückgegangen. Sie interpretieren dies als einen Hinweis darauf, dass Aronia vielleicht einen schützenden Langzeiteffekt entfalten könnte.

Wichtige Fragen, keine Antworten

Wir schenken den Studienergebnissen und den abgeleiteten Aussagen kein Vertrauen; denn wir haben mehrere beachtliche Mängel geortet. Hier einige Beispiele:

  • Den Testpersonen wurde drei Monate lang täglich Aroniasaft angeboten. Wir erfahren aus der Studie nicht, wie (verlässlich) die tatsächlich getrunkene Saftmenge erfasst wurde.
  • Wir wissen nicht, ob die Gruppen aus den verschiedenen Heimen zu Studienbeginn prinzipiell miteinander vergleichbar waren. Auch wie die zufällige Zuteilung (zuerst Aroniasaft oder Placebo-Saft) erfolgt ist, lässt sich durch die Studie nicht nachvollziehen.
  • Ein Lebensmittelhersteller war Saftlieferant und hat die Studien mitfinanziert. Dies kann Verzerrungseffekte auslösen und zum Beispiel zu einem allzu großen Wohlwollen gegenüber dem Produkt führen.
  • Wir erfahren aus der Studie nicht, nach welchen Kriterien Harnwegsinfekte bzw. Blasenentzündungen bei den Testpersonen festgestellt wurden. Gab es hier ein standardisiertes Vorgehen? In der Auswertung wurden auch nicht die Diagnosen selbst berücksichtigt, sondern ersatzweise die Tage, an denen Antibiotika gegen Harnwegsinfekte eingenommen wurden bzw. Tage mit verschiedene Mittel zur Vorbeugung.

[1] Handeland u.a. (2014)
Handeland M, Grude N, Torp T, Slimestad R. Black chokeberry juice (Aronia melanocarpa) reduces incidences of urinary tract infection among nursing home residents in the long term–a pilot study. Nutr Res. 2014 Jun;34(6):518-25.
(Zusammenfassung der Studie)

Weitere Quellen

[2] Chrubasik u.a. (2010)
Chrubasik C, Li G, Chrubasik S. The clinical effectiveness of chokeberry: a systematic review. Phytother Res. 2010 Aug;24(8):1107-14.
(Zusammenfassung)

[3] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, IQWIG (2016)
Gesundheitsinformation.de: Blasenentzündung
Abgerufen am 4.3.2019

[4] Kokotkiewicz u.a. (2010)
Kokotkiewicz A, Jaremicz Z, Luczkiewicz M. Aronia plants: a review of traditional use, biological activities, and perspectives for modern medicine.J Med Food. 2010 Apr;13(2):255-69.
(Zusammenfassung)

[5] Kulling & Rawel (2008)
Kulling SE, Rawel HM. Chokeberry (Aronia melanocarpa) – A review on the characteristic components and potential health effects. Planta Med. 2008 Oct;74(13):1625-34.
(Zusammenfassung)

[6] UpToDate (2019)
Recurrent urinary tract infections in women.
Abgerufen am 4.3.2019

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