Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Waveex: dubioser Aufkleber gegen Handystrahlung

Tief sitzt die Angst vor Unsichtbarem. Das gilt auch für Handystrahlung. Entsprechend floriert das Geschäft mit angeblich „schützenden“ Aufklebern.

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Senken Waveex und ähnliche Produkte die Belastung durch elektromagnetische Felder, zum Beispiel beim Telefonieren mit Handy oder Smartphone?

Das angebliche Wirkprinzip von Waveex und anderen vergleichbaren Produkten ist wissenschaftlich nicht plausibel. Wir fanden auch keine aussagekräftige Studie, die Aufschluss über eine mögliche Wirkung der Handyaufkleber geben könnte.

so arbeiten wir
© pathdoc - Fotolia.com Waveex & Co ohne plausible Wirkung (Bild: pathdoc - Fotolia.com)
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Der Siegeszug von Handys und Smartphones hat neben sehr viel Begeisterung auch einige Sorgen ausgelöst. Immerhin strahlen die Dinger elektromagnetisch, und das auch noch direkt neben dem Kopf. Manche Menschen sind überzeugt, das würde ihr Wohlbefinden beeinträchtigen.

Aus der Angst vor „Elektrosmog“ hat sich ein gewinnträchtiger Geschäftszweig entwickelt. Mehrere Firmen bieten Produkte an, die die Strahlen angeblich umleiten, ableiten oder neutralisieren können sollen. Ein Beispiel sind die Aufkleber der Firma Waveex, zu denen wir eine Anfrage bekommen haben. Sie werden auf Handys und Smartphones, manchmal auch auf anderen elektronischen Geräten wie Tablets oder WLAN-Router angebracht und sollen laut Eigendefinition „Mobilfunkstrahlung für unseren Körper verträglich“ machen.

Doch gibt es tatsächlich Nachweise für positive Gesundheitseffekte solcher Aufkleber und Chips? Wir haben uns die Studienlage angesehen.

Waveex: Die Nachweise fehlen

Bei einer umfangreichen Recherche in zwei großen Datenbanken für medizinische Publikationen fanden wir keine einzige Studie zu Aufklebern wie Waveex oder anderen, gleichartigen Produkten.

Auf den Webseiten des Herstellers von Waveex selbst sind wir auf drei Arbeiten [1,8,10] gestoßen, welche die angeblich positive Wirkung des Aufklebers untersucht haben. Keine davon wurde jedoch in einer anerkannten wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht. Das bedeutet, dass ein Gegencheck der Arbeiten durch andere Wissenschaftler und Expertinnen fehlt, wie er in der Wissenschaft zur Qualitätssicherung Standard ist. Alle drei Untersuchungen entstanden im Auftrag des Herstellers von Waveex.

Reduziert Waveex Strahlen-Stress?

Eine der Studien untersuchte zehn gesunde Personen, die abwechselnd je 15 Minuten telefonierten: einmal mit, einmal ohne Wavex-Aufkleber [1]. Der Sticker wurde dabei so abgedeckt, dass die Testpersonen nicht wussten, wann sie das Waveex-„geschützte“ Smartphone benutzten, wann das Placebo-Smartphone. Damit sollte verhindert werden, dass eine bestimmte Erwartungshaltung die Wirkung beeinflusst.

Während des Versuchs wurde gemessen, wie stark sich der Pulsschlag bei den Telefonierenden veränderte. Die Art, wie die Daten ausgewertet wurden, kann allerdings nicht beantworten, ob der Aufkleber die behauptete Wirkung hat: Ob sich die Pulsfrequenz zwischen Telefonat mit und ohne Waveex-Aufkleber unterscheiden, hat das Forschungsteam nämlich gar nicht untersucht. Die Studie weist noch mehrere weitere Mängel auf. So ist nicht nachvollziehbar, ob die Versuchspersonen bei einem der beiden Telefone tatsächlich weniger Stress empfanden als beim anderen.

Bluttropfen-Leserei und Wachtelei-Analyse

Eine zweite Untersuchung, die biologische Veränderungen durch die elektromagnetische Handystrahlung und die Schutzfunktion von Waveex belegen soll, will die Belastung anhand eines Bluttropfens nachweisen, der per Dunkelfeld-Mikroskop analysiert wird [8]. Diese Arbeit genügt allerdings nicht einmal den rudimentärsten Ansprüchen an wissenschaftlich korrektes Arbeiten. Als Wirksamkeitsnachweis kann sie deshalb nicht herangezogen werden.

Die dritte Hersteller-finanzierte Studie hat untersucht, wie ein Smartphone mit oder ohne Waveex-Chip auf befruchtete Wachteleier wirkt [10]. Es fehlen allerdings zahlreiche Angaben, um die Vertrauenswürdigkeit der Arbeit beurteilen zu können. Abgesehen davon lässt sich von der Entwicklung ungeschlüpfter Vogelküken nicht auf die Wirkung beim Menschen schließen.

Waveex-Gesundheitsbehauptungen nicht untersucht

Der Waveex-Aufkleber will dem Hersteller zufolge die Handy-Strahlung nicht abschirmen, sondern soll angebliche „Magnetfeldspitzen“, die durch das Telefonieren per Handy entstünden, „glätten“. Neben der Senkung des Stresslevels behauptet die Firma Waveex folgende Wirkungen im Gehirn: „Die Hormon- und Proteinproduktion normalisiert sich, der Schutz der DNA baut sich wieder auf, die Proteine beginnen die beschädigte DNA zu reparieren.“

Für keine dieser Behauptungen finden sich freilich Belege oder Studien, die das untersucht hätten.

Auch Gabriel-Chip und andere ähnliche Produkte ohne Beleg

Waveex ist nur eines von vielen Produkten, die mit ähnlichen Behauptungen werben. Für keines davon existieren wissenschaftlich haltbaren Belege für eine Wirkung auf die Gesundheit.

Die Hersteller-Firma eines ähnlichen Aufklebers namens Gabriel-Chip hat eigenen Angaben zufolge eine Studie durchgeführt [9]. Die Ergebnisse scheinen zu zeigen, dass der Gabriel-Chip die Hirnströme (EEG-Wellen) beeinflussen können. Dass dadurch die Gesundheit der Versuchspersonen beeinträchtigt wird, kann die Studie jedoch nicht zeigen. In einem Konzentrationstest schnitten die Probandinnen und Probanden mit Gabriel-Chip nicht besser ab als ohne.

In der Publikation fehlen jedoch wichtige Daten und Details zur Durchführung der Studie. Die Aussagekraft dieser Ergebnisse ist somit sehr gering.

Elektrosensibilität: ein lukrativer Markt

Die Aufkleber oder Chips richten sich vor allem an so genannte elektrosensible Menschen. Diese fühlen sich von „Elektrosmog“ belastet und sehen die elektromagnetische Strahlung von elektronischen Geräten, Handymasten oder Funkstationen als Auslöser unterschiedlicher Symptome wie Kopfschmerzen, Schlaf- oder Konzentrationsstörungen, Depressionen oder Libidoverlust [3].

In bisher durchgeführten Studien zu Elektrosensibilität finden sich keine Hinweise darauf, dass elektromagnetische Strahlung an diesen Symptomen Schuld ist.

Ohne Zweifel können elektromagnetische Felder biologisch messbare Effekte haben. Zum Beispiel in Form von Mikrowellen: hier werden elektromagnetische Strahlen gezielt zum Erwärmen von Speisen genutzt. Auch bei längerem Telefonieren kann sich das Gewebe in unmittelbarer Nähe des Smartphones oder Handys erwärmen. Die bloße Tatsache, dass es dabei zu einer Erwärmung kommt, bedeutet allerdings nicht zwingend, dass diese Erwärmung auch der Gesundheit schadet [3, 4]. Schließlich haben etwa Infrarotstrahlen aus einer Wärmelampe denselben Effekt. Inwieweit Handystrahlen hier problematisch sind, ist noch offen.

Handyforschung: viele tausend Studien

Ob elektromagnetische Felder mit der Zeit zu gesundheitlichen Schäden führen können, beschäftigt Forscherinnen und Forscher weltweit seit vielen Jahren. Unter anderem hat die Weltgesundheitsorganisation WHO dafür im Jahr 1996 das Internationale EMF-Projekt gestartet (EMF steht für „elektromagnetisches Feld“) [3]. Laut WHO sind zu diesen nichtionisierenden Strahlen in den letzten Jahrzehnten rund 25.000 Artikel erschienen. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu elektromagnetischen Feldern seien damit umfangreicher als etwa zu den meisten Chemikalien [3].

In letzter Zeit steht vor allem die Frage im Mittelpunkt, ob das viele Handyfonieren zur Entstehung von Krebs im Kopfbereich beiträgt; dies ist bisher nicht restlos geklärt. Wir haben zu der Frage einen eigenen Beitrag verfasst.

Strahlung reduzieren ohne Aufkleber

Es gibt einige Maßnahmen, die einfach und wissenschaftlich nachweisbar die Strahlenbelastung beim Telefonieren reduzieren – ganz ohne Gabriel-Chip und Waveex-Aufkleber [2] [6]. Dazu gehören zum Beispiel folgende:

  • Wenn möglich das Festnetz verwenden statt Smartphone oder Handy
  • Telefonate mit dem Handy möglichst kurz halten
  • Freisprecheinrichtung oder Headset benutzen
  • Wenn möglich nur bei guter Verbindung und möglichst wenig im Auto telefonieren: Je schlechter der Empfang ist, umso stärker muss die Leistung – und damit auch das elektromagnetische Feld – sein, mit dem das Handy sendet.
  • Geräte mit möglichst niedrigem SAR-Wert wählen. SAR steht für „Spezifische Absorptionsraten“; je niedriger der Wert, umso besser [5]. In einer Datenbank des Bundesamts für Strahlenschutz können die SAR-Werte der marktüblichen Geräte abgerufen werden [7].

Die Studien im Detail

Es gibt nur eine einzige Arbeit – genau genommen ein Gutachten im Auftrag des Herstellers –, die den Waveex-Aufkleber an Menschen untersucht hat [1]. Zur letzten Aktualierung dieses Artikels war die Studie jedoch nur noch über Umwege aufrufbar.

In der Untersuchung telefonierten zehn Personen zuerst 15 Minuten mit, dann 15 Minuten ohne Waveex, und an einem anderen Tag in umgekehrter Reihenfolge zuerst ohne, dann mit Waveex. Der Aufkleber wurde so abgedeckt, dass Telefonierende und Versuchsleiter nicht wussten, wann mit und wann ohne Aufkleber telefoniert wurde. Ebenfalls unbekannt war, an welchem Tag welche Reihenfolge (mit/ohne oder ohne/mit Waveex) dran war.

Während des „Telefonats“ – angerufen wurde ein Tonbanddienst – ermittelte die Studienleitung die sogenannte Herzfrequenzvariabilität der Telefonierenden. Diese gibt an, wie stark sich der Pulsschlag innerhalb einer bestimmten Zeitspanne ändert, also beispielsweise von niedrig auf hoch und dann wieder auf niedrig wechselt. Fachleute interpretieren eine hohe Herzfrequenzvariabilität als Fähigkeit des Herzens, sich an unterschiedliche Situationen wie Belastung und Ruhe anzupassen.

Zu kleine Versuchsgruppen ohne Aussage

Das Hauptproblem an der Studie war jedoch, dass das Versuchsteam gar nicht direkt verglichen hat, ob die Herzfrequenzvariabilität mit Waveex sich von jener ohne Waveex unterscheidet. Eine sinnvolle Aussage ist so nicht möglich.

Darüber hinaus wurden nur zehn Menschen untersucht; bei einer so geringen Teilnehmerzahl kann jedes Ergebnis auch auf Zufall beruhen. Zudem wurde die Arbeit nicht in einer wissenschaftlich anerkannten Zeitschrift veröffentlicht, es fehlt also der in der Wissenschaft übliche und wichtige fachliche Gegencheck („Peer Review“).

Wachteleier-Analyse

Eine ukrainische Forschungsgruppe untersuchte die Auswirkung eines Smartphones mit und ohne Waveex-Chip auf ungeschlüpfte Wachtelküken [10]. Den auf der Hersteller-Seite veröffentlichten Ergebnissen zufolge soll Waveex die Entwicklung der Vogelembryos beinflussen. Hingegen deuten die Daten nicht darauf hin, dass die Erbsubstanz ohne Handy-Chip stärker geschädigt wird als mit Chip. Um die Glaubwürdigkeit der Studie beurteilen zu können, fehlen jedoch wichtige Informationen. So ist beispielsweise unklar, wieviele Eier untersucht wurden und wie lange und häufig die Eier der Mobilfunkstrahlung ausgesetzt waren.

Studie zu Gabriel-Chip

Bei unserer Suche sind wir auch auf eine Studie zum Gabriel-Chip gestoßen [9]. Darin wurden 30 Versuchspersonen untersucht, während ihnen ein Mobiltelefon mit oder ohne Gabriel-Chip an den Kopf gehalten wurde. Die Ergebnisse scheinen zu zeigen, dass der Aufkleber die Hirnströme (EEG-Wellen) beeinflusst. Wie die Messungen genau abgelaufen sind, und wie die statistische Auswertung erfolgt ist, lässt sich anhand der veröffentlichten Studie jedoch nicht vollständig nachvollziehen. Zudem ist unklar, wie eine Beeinflussung der Hirnströme mit der Gesundheit zusammenhängt.

Die Studienautorin und ihr Team legten den Versuchspersonen auch einen Konzentrationstest vor. Die statistische Auswertung zeigt jedoch keinen Unterschied zwischen der Versuchsbedingung mit Gabriel-Chip und der mit Placebo-Chip.

Da viele Angaben zu den untersuchten Personen fehlen und die Anzahl der Probandinnen und Probanden mit 30 sehr klein ist, ist die Studie nicht aussagekräftig.

[Aktualisiert am 10.7.2019, ursprünglich veröffentlicht am 27.4.2017. Bearbeitet wurde der Abschnitt zum Gabriel-Chip sowie zur Studie an Wachteleiern]

[1] Plank u.a. (2012)
GUTACHTEN: Randomisierte, doppelblinde Anwendungsuntersuchung des „Waveex“-Aufklebers für Mobiltelefone. Abgerufen am 10.7.2019 über www.archive.org

[2] Bundesministerium für Gesundheit (2014)
Gesichtspunkte zur aktuellen gesundheitlichen Bewertung des Mobilfunks. Empfehlung des Obersten Sanitätsrates, Ausgabe 05/14. Abgerufen am 10.7.2019 unter https://www.bmgf.gv.at/cms/home/attachments/1/9/2/CH1238/CMS1202111739767/mobilfunk_osr_empfehlungen.pdf

[3] WHO (2014)
Was sind elektromagnetische Felder? Abgerufen am 10.7.2019 unter http://www.who.int/peh-emf/about/en/whatareemfgerman.pdf
Homepage des WHO-Programms „Elektromagnetische Felder“: http://www.who.int/peh-emf/en/

[4] Bundesamt für Strahlenschutz BfS (2016)
Biologische Wirkungen hochfrequenter Felder durch Energieabsorption und Erwärmung. Abgerufen am 10.7.2019 http://www.bfs.de/DE/themen/emf/hff/wirkung/hff-nachgewiesen/hff-nachgewiesen_node.html

[5] Bundesamt für Strahlenschutz BfS (2016)
Spezifische Absorptionsraten (SAR) von Handys. Abgerufen am 10.7.2019 unter
http://www.bfs.de/DE/themen/emf/mobilfunk/schutz/vorsorge/sar-handy.html

[6] Bundesamt für Strahlenschutz BfS (2016)
Empfehlungen des BfS zum Telefonieren mit dem Handy. Abgerufen am 10.7.2019 unter http://www.bfs.de/DE/themen/emf/mobilfunk/schutz/vorsorge/empfehlungen-handy.html

[7] Bundesamt für Strahlenschutz BfS (2016)
SAR-Suche. Abgerufen am 10.7.2019 unter http://www.bfs.de/SiteGlobals/Forms/Suche/BfS/DE/SARsuche_Formular.html

Weitere Quelle

[8] Bruns (2011)
Das Feststellen der Auswirkungen beim Mobil-Telefonieren unter Verwendung des Wave Ex Mobilfunk-Chips im menschlichen Blut. (Dunkelfeldbetrachtung). Abgerufen am 10.7.2019 unter https://www.vital-energy.eu/wp-content/uploads/2019/07/Gutachten_Dunkelfeld.pdf

[9] Henz u.a. (2018)
Henz, D., Schöllhorn, W. I., & Poeggeler, B. (2018). Mobile phone chips reduce increases in EEG brain activity induced by mobile phone-emitted electromagnetic fields. Frontiers in neuroscience, 12, 190. (Studie in voller Länge)

[10] Yakymenko u.a. (2017)
Yakymenko I, Tsybulin O, Burlaka A. (2017)Protective effects of Waveex chip against mobile phone radiation on the model of developing quail embryo. Abgerufen am 10.7.2019 unter http://en.waveex.com/uploads/page_20170625FinalreportYakymenko2017.pdf

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