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Vollmond und Schlaf: Studien widersprechen Mythos

Viele Menschen sind überzeugt, dass der Vollmond den Schlaf stört. Die zusammengefassten Ergebnisse bisheriger Studien finden dafür keinen Hinweis.

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Wirkt sich der Vollmond negativ auf die Schlafdauer aus?

Es finden sich zwar einige Studien, die den Einfluss des Mondes auf den Schlaf untersucht haben. Sie sind jedoch nur wenig aussagekräftig. In Summe deuten sie nicht darauf hin, dass Menschen in den Nächten rund um Vollmond kürzer schlafen als rund um Neumond.

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© ueuaphoto - shutterstock.com Voller Mond, schlechter Schlaf?
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Dass der Mond Ebbe und Flut bewirkt, ist wissenschaftlich eindeutig bewiesen. Viele Menschen glauben jedoch auch an weniger anerkannte Wirkungen des Mondes. So sollen die Mondphasen etwa die Ernte oder das Wachstum der Haare beeinflussen.

Besonders um den Vollmond ranken sich zahlreiche Mythen. Man denke nur an schlafwandelnde und als „mondsüchtig“ bezeichnete Menschen. In einer Umfrage waren mehr als ein Drittel der Befragten von der Auswirkung des Mondes auf den Schlaf überzeugt [8].

Einigen Medienberichten zufolge ist durch Studien belegt, dass der Vollmond den Schlaf stört. Doch stimmt das wirklich? Wir haben nachgeforscht, ob der Vollmond die Schlafdauer zu verkürzen vermag und die Einschlafzeit verlängern kann.

Einfluss unwahrscheinlich

Im Zuge einer aufwändigen Literaturrecherche sind wir auf mehrere Untersuchungen zu dieser Frage gestoßen. In neun davon wurde anhand der Hirnströme [1-5] oder mithilfe von Bewegungssensoren [6,7] gemessen, wie lange die teilnehmenden Kinder und Erwachsenen während verschiedener Mondphasen schliefen.

Die zusammengefassten Ergebnisse dieser Studien deuten darauf hin, dass Menschen in Nächten rund um Vollmond nicht kürzer schlafen als rund um Neumond [1-7]. Zudem schienen die Testpersonen bei Vollmond auch nicht mehr Zeit zum Einschlafen zu benötigen [1-5].

In einigen der Studien wurden die Testpersonen untersucht, während sie daheim schlafen durften. Dennoch scheinen sich die Ergebnisse nicht von Studien zu unterscheiden, die in fensterlosen Schlaflabors durchgeführt wurden.

Die ideale Studie

Vollständig widerlegen können die bisherigen Studien nicht, dass der Vollmond eventuell als „Schlafräuber“ wirkt. Denn sie haben pro Person nur eine oder wenige Nächte erfasst und häufig andere mögliche Ursachen für schlechten Schlaf nicht berücksichtigt. Einen großen Effekt lassen sie jedoch unwahrscheinlich erscheinen.

Mehr Gewissheit könnten Studien liefern, wenn sie viele Personen über eine Dauer von mehreren Monaten (und daher mehreren Mondphasen) beobachten. So ließen sich schlüssige Vergleiche zwischen Vollmond-Nächte und Neumond-Nächten ziehen. Auch schlafstörende Einflüsse wie Alkohol, Stresspegel, psychische Belastungen, Medikamente oder bereits vorhandene Schlafstörungen müssten vor jeder Messnacht erhoben werden, um diese aus dem Ergebnis herauszurechnen und damit ein möglichst wenig verzerrtes Bild zu erhalten.

Berücksichtigt werden sollte auch, ob die Probandinnen und Probanden von der Wirkung des Mondes überzeugt sind. Trifft dies zu, dann fühlen sich diese Testpersonen in Vollmondnächten möglicherweise unruhiger, weil sie damit rechnen, nicht gut schlafen zu können. Diese Erwartungshaltung könnte dazu führen, dass sie später einschlafen und früher als gewöhnlich wieder aufwachen.

Zahlreiche Mythen

Der Glaube an den Einfluss des Mondes ist nicht auf den Schlaf beschränkt. Etliche Menschen sind überzeugt, dass der Mond auch das menschliche Verhalten beeinflussen kann. Für eine solche Wirkung gibt es jedoch keine handfesten Dokumentationen [9].

Dass um den Vollmond herum die Kriminalitätsrate oder die Zahl der Notrufe steigt, ist nicht belegt. Genauso wie die Annahme, dass zu dieser Zeit mehr Kinder geboren werden. Auch psychische oder körperliche Erkrankungen treten nicht mehr oder weniger stark in Abhängigkeit von den Mondphasen auf [9,10].

Unsterbliche Mythen

Doch warum halten sich diese Vorstellungen vom „mächtigen Mond“ so hartnäckig? Trotz Mangels an wissenschaftlichen Beweisen? Zusätzlich zu traditionellen Erzählungen und Medienberichten könnte ein Grund in der selektiven Wahrnehmung liegen [11].

Das heißt: Bemerkt man beispielsweise, dass bei Vollmond etwas Außergewöhnliches passiert, erinnert man sich an den auffälligen Himmelskörper – und schon werden die beiden komplett zufällig parallel auftretenden Ereignisse als zusammenhängend interpretiert. Die vielen ereignislosen Vollmondnächte vergisst man jedoch wieder.

Die Studien im Detail

Um die Frage nach dem Einfluss der Mondphasen auf den Schlaf zu beantworten, durchsuchten wir zwei wissenschaftliche Datenbanken nach bisher durchgeführten Untersuchungen. Dabei haben wir uns auf Studien konzentriert, in denen Einschlafzeit und Schlafdauer möglichst objektiv durch Messungen ermittelt wurde – entweder anhand der Hirnströme [1-5] oder mithilfe eines Bewegungssensors [6,7], den die Testpersonen nachts am Körper trugen.

Untersuchungen, bei denen die teilnehmenden Personen lediglich ein Schlaftagebuch geführt haben, erachten wir als zu ungenau für die Ermittlung der Schlafdauer. Daten aus solchen Studien haben wir daher nicht berücksichtigt.

Insgesamt haben wir neun Studien mit objektiven Schlafmessungen gefunden [1-7], wovon drei Studien in einer Publikation zusammengefasst sind [2]. Bei allen Studien handelt es sich um nachträgliche Analysen von Forschungsarbeiten, in denen ursprünglich ein anderes Ergebnis als die Auswirkung der Mondphasen untersucht worden war.

Vollmond-Nächte interpretierten die Studien als alle Nächte vier Tage vor bis vier Tage nach Vollmond. Als Neumond-Nächte definierten die Studien alle Nächte zehn bis 14 Tage vor oder nach Vollmond.

Widerspruch ohne Relevanz

Für die beiden umfangreichsten Studien trugen Kinder im Alter von acht bis elf ein Bewegungsmessgerät am Körper während sie zuhause schliefen. Eine Studie untersuchte rund 14.000 Nächte von etwa 800 Kindern aus Dänemark [6], die andere 33.000 Nächte von beinahe 6.000 Kindern aus 12 verschiedenen Ländern [7].

Beide Studien kommen zu einem ähnlichen Ergebnis. In der dänischen Studie schliefen die Kinder, die rund um Vollmond getestet wurden, um durchschnittlich fünf Minuten länger als Kinder [6], die rund um Neumond getestet wurden. In der multinationalen Studie war es umgekehrt. Die Vollmond-Kinder schliefen um rund vier Minuten kürzer [7].

Auch wenn sich die Ergebnisse widersprechen – mit vier bis fünf Minuten mehr oder weniger ist der Unterschied in beiden Studien sehr klein. Er ist für die Kinder im Alltag nicht merkbar. Für die geringfügig unterschiedlichen Ergebnisse können der Zufall oder nicht erhobene Eigenschaften der Kinder verantwortlich sein. Wir erachten den Unterschied daher nicht als bedeutsam; demnach scheint der Vollmond die Schlafdauer nicht zu verkürzen.

Keine Auswirkung in EEG-Studien

In sieben Studien [1-5] wurden Schlaf- und Wachdaten mithilfe von Hirnstrommessungen (EEG – kurz für Elektroenzephalogramm) ermittelt. Über ein EEG lässt sich sehr genau bestimmen, wann jemand wach ist oder schläft. Diese Messmethode gibt zuverlässiger Aufschluss über den Schlaf als Bewegungssensoren, sie ist aber aufwändiger. In EEG-Studien ist die Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer daher deutlich geringer.

Fünf Studien wurden in einem fensterlosen Schlaflabor durchgeführt, in dem das Licht abends zu einer fixen Zeit aus- und morgens wieder eingeschaltet wurde [1,2a,2b,3,4]. In zwei Studien durften die Testpersonen während der Messungen zuhause schlafen [2c,5].

Wir fassten die Schlafzeiten aller EEG Studien statistisch in einer Meta-Analyse zusammen. Dabei zeigt der Vergleich über alle Studien hinweg keinen Unterschied zwischen Vollmond-Nächten und Neumond-Nächten. Weder schliefen die Testpersonen rund um Vollmond länger oder kürzer. Sie benötigten nicht mehr oder weniger Zeit, um einzuschlafen. Auch zwischen Messungen im Schlaflabor und zuhause zeigte sich kein Unterschied.

In Summe wurden für diese Studien Daten in rund 1400 Vollmond-Nächten und 1700 Neumond-Nächten erhoben. Der Datensatz ist also deutlich kleiner – und damit anfälliger für Zufallsschwankungen – als in den beiden Kinderstudien mit Bewegungssensoren. Das erklärt womöglich auch, warum die Schlafdauer laut zwei der Studien [1,4] zu Vollmond kürzer zu sein scheint. Die restlichen Studien fanden jedoch keinen solchen Unterschied.

Niedrige Aussagekraft

Viele Studien [1-4] haben nur wenige Einflussfaktoren berücksichtigt (z. B. Stress, Medikamente), die das Ergebnis verzerren können – unter anderem auch jene beiden Untersuchungen, in denen die Schlafdauer rechnerisch in Vollmondnächten kürzer war [1,4].

Acht der neun gefundenen Studien haben zudem nur 1 bis 7 Nächte pro Testperson analysiert. Auch in der neunten Untersuchung [2b] waren es mit durchschnittlich 26 Nächten pro Testperson weniger als ein Monat.

Das kann dazu geführt haben, dass in Vollmondnächten zufällig mehr unruhig schlafende Personen getestet wurden als in Neumondnächten. Aussagekräftiger wäre gewesen, die Schlafzeiten jeder teilnehmenden Person über mehrere wiederkehrende Mondphasen hinweg zu messen.

Schwer zu beweisen

Dass der Mond keine Ursache für schlechten Schlaf ist, ist zwar plausibel. Doch letztlich es lässt sich nur schwer in Studien beweisen. Der Hauptgrund: Forscherinnen und Forscher können für ihre Experimente den Mond nicht einfach nach Belieben ein- oder ausschalten.

[1] Cajochen u.a. (2013)
Studientyp: Querschnittstudie im Schlaflabor (EEG-Messung)
Teilnehmende Personen: 33 gesunde Erwachsene
Gemessene Nächte: 2 pro teilnehmender Person. Insgesamt 66 Nächte, davon 21 bei Vollmond und 15 bei Neumond.
Fragestellung: Hat die Mondphase Einfluss auf den Schlaf?
Interessenkonflikte: mitfinanziert von Velux.

Cajochen C, Altanay-Ekici S, Münch M, Frey S, Knoblauch V, Wirz-Justice A. Evidence that the Lunar Cycle Influences Human Sleep. Curr Biol. 2013 Jul 23. (Studie in voller Länge)

[2] Cordi ua. (2014)
Fragestellung: Hat die Mondphase Einfluss auf den Schlaf?
Interessenkonflikte: Keine angegeben.

Studie A
Studientyp: Querschnittstudie im Schlaflabor (EEG-Messung)
Teilnehmende Personen: 366 gesunde Erwachsene
Gemessene Nächte: 1-4 Nächte pro Person. Insgesamt 414 Nächte, davon 131 bei Vollmond und 149 bei Neumond.

Studie B
Studientyp: Querschnittstudie im Schlaflabor (EEG-Messung)
Teilnehmende Personen: 29 gesunde Erwachsene
Gemessene Nächte: durchschnittlich 26 Nächte pro Person, davon zumindest 13 aufeinanderfolgende. Insgesamt 757 Nächte, davon 230 bei Vollmond und 247 bei Neumond.

Studie C
Studientyp: Querschnittstudie zuhause (EEG-Messung)
Teilnehmende Personen: 870 gesunde Erwachsene
Gemessene Nächte: 1 Nacht pro Person. Insgesamt 845 Nächte, davon 253 bei Vollmond und 308 bei Neumond.

Cordi M, Ackermann S, Bes FW, Hartmann F, Konrad BN, Genzel L, Pawlowski M,Steiger A, Schulz H, Rasch B, Dresler M. Lunar cycle effects on sleep and thefile drawer problem. Curr Biol. 2014 Jun 16;24(12):R549-50. (Studie in voller Länge)

[3] Della Monica u.a. (2015)
Studientyp: Querschnittstudie im Schlaflabor (EEG-Messung)
Teilnehmende Personen: 205 gesunde Erwachsene
Gemessene Nächte: 1 pro teilnehmender Person. Insgesamt 205 Nächte, davon 52 bei Vollmond und 82 bei Neumond.
Fragestellung: Hat die Mondphase Einfluss auf den Schlaf?
Interessenkonflikte: Angaben fehlen

Della Monica C, Atzori G, Dijk DJ. Effects of lunar phase on sleep in men and women in Surrey. J Sleep Res. 2015 Dec;24(6):687-94. (Studie in voller Länge)

[4] Smith u.a. (2014)
Studientyp: Querschnittstudie im Schlaflabor (EEG-Messung)
Teilnehmende Personen: 47 gesunde Erwachsene
Gemessene Nächte: 6 pro teilnehmender Person. Insgesamt 282 Nächte, davon 66 bei Vollmond und 126 bei Neumond.
Fragestellung: Hat die Mondphase Einfluss auf den Schlaf?
Interessenkonflikte: Angaben fehlen

Smith M, Croy I, Persson Waye K. Human sleep and cortical reactivity areinfluenced by lunar phase. Curr Biol. 2014 Jun 16;24(12):R551-2. (Studie in voller Länge)

[5] Haba-Rubio u.a. (2015)
Studientyp: Querschnittstudie zuhause (EEG-Messung)
Teilnehmende Personen: 2125 gesunde Erwachsene
Gemessene Nächte: 1 pro teilnehmender Person. Insgesamt 2125 Nächte, davon 641 bei Vollmond und 729 bei Neumond.
Fragestellung: Hat die Mondphase Einfluss auf den Schlaf?
Interessenkonflikte: Angaben fehlen

Haba-Rubio J, Marques-Vidal P, Tobback N, Andries D, Preisig M, Kuehner C, Vollenweider P, Waeber G, Luca G, Tafti M, Heinzer R. Bad sleep? Don’t blame the moon! A population-based study. Sleep Med. 2015 Nov;16(11):1321-1326. (Zusammenfassung der Studie)

[6] Sjödin u.a. (2015)
Studientyp: Querschnittstudie zuhause (Messung mit Bewegungssensor)
Teilnehmende Personen: 795 gesunde Kinder (8 bis 11 Jahre)
Gemessene Nächte: ein bis dreimal 7 bis 8 Nächte pro teilnehmender Person. Insgesamt 13.762 Nächte.
Fragestellung: Hat die Mondphase Einfluss auf den Schlaf?
Interessenkonflikte: keine laut Autorinnen und Autoren

Sjödin A, Hjorth MF, Damsgaard CT, Ritz C, Astrup A, Michaelsen KF. Physical activity, sleep duration and metabolic health in children fluctuate with the lunar cycle: science behind the myth. Clin Obes. 2015 Apr;5(2):60-6. (Studie in voller Länge)

[7] Chaput u.a. (2016)
Studientyp: Querschnittstudie zuhause (Messung mit Bewegungssensor)
Teilnehmende Personen: 5812 Kinder zwischen 9 und 11 Jahren aus 12 Ländern (Australien, Brasilien, Kanada, China, Kolumbien, Finland, Indien, Kenya, Portugal, Südafrika, Großbritannien, USA
Gemessene Nächte: mindestens 7 Nächte pro teilnehmender Person. Insgesamt 33.710 Nächte.
Fragestellung: Hat die Mondphase Einfluss auf den Schlaf?
Interessenkonflikte: keine laut Autorinnen und Autoren

Chaput JP, Weippert M, LeBlanc AG, Hjorth MF, Michaelsen KF, Katzmarzyk PT, Tremblay MS, Barreira TV, Broyles ST, Fogelholm M, Hu G, Kuriyan R, Kurpad A,Lambert EV, Maher C, Maia J, Matsudo V, Olds T, Onywera V, Sarmiento OL, Standage M, Tudor-Locke C, Zhao P, Sjödin AM. Are Children Like Werewolves? Full Moon and Its Association with Sleep and Activity Behaviors in an International Sample of Children. Front Pediatr. 2016 Mar 24;4:24. (Studie in voller Länge)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[8] IfD Allensbach (2005)
Institut für Demoskopie Allensbach. Allenbacher Berichte 2005 Nr 13. Zugriff am 6. 11. 2018 unter https://www.ifd-allensbach.de/uploads/tx_reportsndocs/prd_0513.pdf

[9] Foster & Roennebert (2008)
Foster RG, Roenneberg T. Human responses to the geophysical daily, annual and lunar cycles. Curr Biol. 2008 Sep 9;18(17):R784-R794. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[10] Bunevicius u.a. (2017)
Bunevicius A, Gendvilaite A, Deltuva VP, Tamasauskas A. The association between lunar phase and intracranial aneurysm rupture: Myth or reality? Own data and systematic review. BMC Neurol. 2017 May 19;17(1):99. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[11] Kelly u.a. (1997)
Kelly, I. W., Rotton, J., & Culver, R. (1996). The moon was full and nothing happened: A review of studies on the moon and human behavior and human belief. The outer edge. Amherst, NY: CSICOP. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

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