Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Vegetarisches Leben: gesünder ohne Fleisch?

Die Diskussion um fleischlose Ernährung ist ideologisch aufgeladen. Möglicherweise sprechen jedoch auch gesundheitliche Gründe für den Fleischverzicht.

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Ist eine vegetarische Ernährung inklusive Eiern und Milchprodukten gesünder als eine Ernährung, die auch Fleisch beinhaltet?

Menschen, die sich vegetarisch ernähren, scheinen zwar nicht länger zu leben als Leute, die Fleisch essen. Möglicherweise bewirkt die fleischlose Ernährung aber, dass sie seltener Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs entwickeln.

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© famveldman - fotolia.com Obst und Gemüse statt Fleisch: um wieviel gesünder?
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Die vegetarische Ernährungsweise scheint populär wie nie. In einer IFES-Umfrage bezeichneten sich 2013 bereits neun von 100 Österreichern und Österreicherinnen als Vegetarier. Im Jahr 2005 waren es erst drei von 100. Das spüren auch Handel und Gastronomie. Kaum eine Supermarktkette kann sich dem Trend nach vegetarischen Produkten entziehen, und kein trendiges Restaurant hat inzwischen nicht auch eine Auswahl vegetarischer Speisen auf der Karte.

Die Gründe, diesen Ernährungsstil zu wählen, sind vielfältig. Ein großer Teil der Befürworter und Befürworterinnen hat ethische Bedenken gegenüber Massentierhaltung und der Tötung von Tieren im Allgemeinen. Manche argumentieren mit dem Klimawandel. So entweichen signifikante Mengen des klimaschädlichen Treibhausgases Methan aus dem Verdauungstrakt von Rindern, und für den Anbau von Kraftfutter werden immer mehr Wälder und ursprüngliche Landschaften in Ackerland umgewandelt. Andere wieder berufen sich vor allem auf die angeblichen Gesundheitsvorteile der fleischlosen Kost.

Doch ist der Verzicht auf Fleisch wirklich gesünder?

Geringeres Herz- und Krebsrisiko

Studien, die Vegetarier und Nicht-Vegetarier über mehrere Jahre beobachtet haben, zeigen einen klaren Trend: In der Gruppe, die sich fleischlos ernährt, kommt es seltener zu Herzinfarkten und Krebs als bei jenen Personen, die auch Fleisch auf dem Speiseplan stehen haben [1] [2]. Den zusammengefassten Ergebnissen bisheriger Untersuchungen zufolge leben Vegetarier und Vegetarierinnen zwar nicht länger als Fleisch-Fans, dafür aber gesünder.

Nicht völlig gesichert ist allerdings, ob die Ursache dafür tatsächlich die fleischlose Ernährung ist. So sind vegetarisch lebende Menschen häufig schlanker, betreiben mehr Sport und konsumieren weniger Tabak und Alkohol als Nicht-Vegetarier. Kurz gesagt, sie führen insgesamt ein gesünderes Leben [3]. Das könnte ein Grund für die niedrigere Krebs- und Herzinfarktrate sein.

Für den Gesundheitsvorteil der vegetarischen Lebensweise spricht, dass deklarierte Fleischfans ein etwas höheres Krebsrisiko zu haben scheinen als Menschen, die wenig Fleisch konsumieren (siehe dazu auch den Medizin-transparent-Beitrag zu Fleisch). Vor allem verarbeitete Fleischprodukte wie Wurst oder Gepökeltes sind der Gesundheit eher abträglich. In großen Mengen genossen scheinen sie nicht nur die Krebswahrscheinlichkeit etwas zu erhöhen, sondern auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu steigern (siehe Wie ungesund ist rotes Fleisch für das Herz?).

Kein Nachteil durch vegetarische Ernährung

Wer auf Fleisch und Fisch verzichtet, kann dennoch problemlos alle wichtigen Nährstoffe zu sich nehmen. Selbst Eltern, die ihre Kinder vegetarisch ernähren, müssen sich keine Sorgen machen. Eine rein pflanzliche Kost kombiniert mit Eiern und Milchprodukten schadet der körperlichen und geistigen Entwicklung von Kindern nicht [3]. Wichtig ist allerdings, auf eine ausgewogene Ernährung zu achten.

Zu den Nährstoffen, die vegetarisch lebende Menschen oft nur in begrenzter Menge zu sich nehmen, zählt Eisen. Dieses ist in Fleisch zwar reichlich vorhanden, kann aus Milchprodukten und Eiern aber nur in geringen Mengen vom Körper aufgenommen werden. Zudem kann der Körper Eisen aus Fleisch besser verwerten als Eisen aus pflanzlichen Nahrungsmitteln. Vitamin C zum Beispiel aus Zitrusfrüchten kann die Aufnahme von Eisen verbessern. Gute pflanzliche Eisenquellen sind beispielsweise Vollkorn-Getreideprodukte, Hülsenfrüchte, grünes Blattgemüse, getrocknete Früchte, Sojaprodukte, Rohrzuckermelasse oder Weizenkeime [3].

Auf den Mix kommt es an

Omega-3-Fettsäuren finden sich vor allem in fettreichen Fischarten. Auch Leinsamenöl enthält große Mengen dieser Fettsäuren. In geringeren Mengen ist es auch in Rapsöl, Walnüssen und Soja zu finden [3].

Andere wichtige Nährstoffe wie Vitamin B12, essentielle Aminosäuren als Bestandteil der Proteine, Kalzium und Zink kann der Körper in ausreichender Menge aus Milchprodukten und Eiern aufnehmen [3]. Lediglich Vitamin D ist hauptsächlich in Lebertran und anderen fettreichen Fischen enthalten [3]. Den Großteil des benötigten Vitamins D stellt der Körper ohnehin in der Haut selbst her. Alles, was er dazu braucht, ist Sonnenlicht.

Zu den Besonderheiten einer ausschließlich pflanzlichen, veganen Ernährung hat Medizin-Transparent.at einen eigenen Beitrag verfasst.

Die Studien im Detail

Viele Ernährungsstudien haben ein großes Problem: Sie können nur schwer zwischen den gesundheitlichen Auswirkungen einer bestimmten Ernährungsweise und den Auswirkungen des sonstigen Lebensstils unterscheiden. So verhält es sich auch mit Studien zur vegetarischen Ernährung.

Eine Zusammenfassung aller bis 2014 veröffentlichten Studien zeigt, dass Vegetarier und Vegetarierinnen seltener Herzinfarkte und andere Herzerkrankungen erleiden [1]. In Untersuchungen an Mitgliedern der religiösen Gruppe der Sieben-Tags-Adventisten scheint die Auswirkung der vegetarischen Ernährung deutlich stärker zu sein als bei Studien an der Allgemeinbevölkerung. Die Lehre der Adventisten empfiehlt neben einer fleischlosen Ernährung auch den Verzicht auf Tabak, Drogen, Alkohol und Koffein und heißt regelmäßigen Sport gut – alles Faktoren, die die Gesundheit positiv beeinflussen. Doch auch die zusammengefassten Ergebnisse der Studien an nicht-religiösen Personen deuten in Richtung Gesundheitsvorteil für das Herz.

Eine etwas ältere Studienzusammenfassung aus dem Jahr 2011 kommt zu ähnlichen Ergebnissen: Die Rate an Herztoten ist bei vegetarisch lebenden Menschen deutlich niedriger als bei jenen, die auch Fleisch essen. Auch Krebs scheint bei den Fleischverweigerern seltener aufzutreten [2].

Eines haben beide Analysen jedoch gemeinsam: Die untersuchten Vegetarier und Vegetarierinnen lebten insgesamt nicht länger als Leute, die Fleisch essen [1] [2]. Möglicherweise führten sie aber ein gesünderes Leben.

[1] Kwok u.a. (2014)
Studienart: Systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Analysierte Studien: 7 Kohortenstudien
Teilnehmende insgesamt: 183.321
Fragestellung: Erleiden Vegetarier und Vegetarierinnen seltener Herz-Kreislauf-Erkrankungen bzw. sterben sie seltener daran als Nicht-Vegetarier?
Mögliche Interessenkonflikte: keine laut Autoren

Vegetarian diet, Seventh Day Adventists and risk of cardiovascular mortality: a systematic review and meta-analysis. Int J Cardiol. 2014 Oct 20;176(3):680-6 (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[2] Huang u.a. (2011)
Studienart: Systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Analysierte Studien: 7 Kohortenstudien
Teilnehmende insgesamt: 124.706
Fragestellung: Sterben Vegetarier und Vegetarierinnen seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen bzw. erkranken sie seltener an Kerbs als Nicht-Vegetarier?
Mögliche Interessenkonflikte: keine laut Autoren

Cardiovascular disease mortality and cancer incidence in vegetarians: a meta-analysis and systematic review. Ann Nutr Metab. 2012;60(4):233-40 (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[3] UpToDate (2015)
Demory-Luce D, Motil KJ. Vegetarian diets for children. Hopin AG (ed.). UpToDate. Abgerufen am 13.12.2016 unter www.uptodate.com/contents/vegetarian-diets-for-children

Die ursprüngliche Fassung dieses Artikels erschien am 1. Februar 2016. Eine neuerliche Literatursuche brachte keine Änderung der Einschätzung.

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