Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Knochenkrebs durch Teriparatid? Verdacht bisher unbestätigt

Das Osteoporose-Mittel Teriparatid steht im Verdacht, als Nebenwirkung Knochenkrebs auszulösen. Studien mit Menschen konnten dies bisher nicht bestätigen.

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Erhöht das Osteoporosemittel Teriparatid das Risiko für Knochenkrebs als Nebenwirkung?

Der Verdacht, dass Teriparatid als Nebenwirkung Knochenkrebs verursachen könnte, stützt sich einerseits auf Tierversuche. Andererseits gibt es einzelne Fälle von Knochenkrebs bei mit Teriparatid behandelten Personen – allerdings lässt sich hier ein ursächlicher Zusammenhang nicht eindeutig belegen. Systematische Untersuchungen von Menschen, die mit Teriparatid behandelt wurden, konnten keine klaren Ergebnisse liefern. Da Knochenkrebs eine sehr seltene Erkrankung ist, sind seine Risikofaktoren in Studien nur schwer zu fassen.

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© zimowa - shutterstock.com Teriparatid stärkt die Knochen.
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Wenn im Alter die Knochendichte abnimmt, steigt das Risiko für Knochenbrüche, zum Beispiel an den Wirbeln oder an der Hüfte. Ab einem bestimmten Risiko sprechen Fachleute von Osteoporose, der Volksmund von „Knochenschwund“.

Wenn das Risiko besonders groß ist und andere knochenstärkende Maßnahmen wie regelmäßige Bewegung nicht ausreichend helfen, werden Medikamente verordnet. Dazu gehört auch der Wirkstoff Teriparatid.

Ein riskantes Mittel?

Teriparatid ist allerdings nicht das Mittel der ersten Wahl. Denn andere Osteoporose-Medikamente sind wesentlich besser untersucht [5,6].

Uns erreichte zu diesem Wirkstoff eine Leseranfrage. Darin ging es um das Risiko für Knochenkrebs, das als mögliche Nebenwirkung von Teriparatid diskutiert wird. Wie ist das einzuschätzen?

Ergebnisse von Tierversuchen

Tatsächlich findet sich in speziellen Informationen für Ärztinnen und Ärzte ein Hinweis auf ein eventuelles Knochenkrebs-Risiko (Osteosarkom) durch Teriparatid. Dort wird beschrieben, dass in Versuchen mit Ratten, wie sie routinemäßig bei der Arzneimittelentwicklung durchgeführt werden, Fälle von Knochenkrebs aufgetreten sind.

Allerdings ist ein wichtiger Punkt, dass die Knochenstruktur von Nagetieren jener von Menschen nicht besonders ähnlich ist. Weitere Versuche mit Affen bestätigten den Verdacht nicht [7].

Einschränkungen für Verordnung

Für die Zulassung von Teriparatid wurden Studien geführt. Von den knapp 3000 Teilnehmenden erkrankte niemand an einem Osteosarkom. Doch auf Basis der Zulassungsstudien ist noch keine zuverlässige Entwarnung möglich. Um solche Nebenwirkungen auszuschließen, war die Zahl der Behandelten war zu gering.

Denn das Osteosarkom ist eine sehr seltene Erkrankung unter Erwachsenen. In der Bevölkerung gibt es pro 1 Million Erwachsener etwa 2 bis 3 Neuerkrankungen pro Jahr.

Reaktion auf Unsicherheit

Die Zulassungsbehörden haben aufgrund der Unsicherheit einen entsprechenden Hinweis in die Fachinformationen aufgenommen, die sich speziell an Ärztinnen und Ärzte richten.

Auch dürfen Menschen mit einem erhöhten Risiko für ein Osteosarkom Teriparatid nicht anwenden. Das ist etwa bei bestimmten Knochenerkrankungen, Nierenerkrankungen oder nach einer Strahlentherapie der Fall. Zusätzlich ist die Anwendung von Teriparatid mit maximal 24 Monaten bezogen auf das gesamte Leben, begrenzt [7].

Verpflichtende Sicherheitsstudien

Die Zulassungsbehörden haben den ursprünglichen Hersteller von Teriparatid verpflichtet, weitere Sicherheitsstudien zu möglichen Nebenwirkungen durchzuführen. Diese sind erst zum Teil abgeschlossen.

In diesen Studien [1-4] zeigte sich aber kein eindeutiger Zusammenhang zwischen einer Teriparatid-Behandlung und der Erkrankung an einem Osteosarkom.

Heißt das also, dass Teriparatid die Wahrscheinlichkeit für Knochenkrebs sicher nicht erhöht? So einfach ist es leider nicht. Denn die Studien könnten ein verstärktes Osteosarkom-Risiko nur dann entdecken, wenn es um mindestens das Vierfache erhöht wäre.

Verdachtsberichte

Sowohl in den USA als auch in Europa gibt es einige Meldungen an die Zulassungsbehörden. Demnach wurde bei einigen Menschen nach der Anwendung von Teriparatid ein Osteosarkom entdeckt.

Eine solche Meldung bedeutet aber nicht automatisch, dass auch tatsächlich ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Es handelt sich vorerst um einen Verdacht. Und daraus lassen sich keine sicheren Schlussfolgerungen ziehen.

Viele Fragen offen

Deshalb lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht eindeutig abschätzen, ob Teriparatid tatsächlich das Risiko für ein Osteosarkom erhöht und wie groß dieser Effekt eventuell ist. Es ist auch nicht klar, ob die noch ausstehenden Ergebnisse einer Sicherheitsstudie [4] tatsächlich eindeutige Aussagen erlauben werden.

Seit 2003

Teriparatid ist in der EU seit 2003 zur Vermeidung von Knochenbrüchen bei Osteoporose zugelassen. Inzwischen sind mehrere Arzneimittel mit dem Wirkstoff verfügbar.

Bekommen dürfen das Mittel Frauen nach den Wechseljahren, Männer mit einem besonders hohen Risiko für Knochenbrüche sowie Menschen, die durch eine langfristige Behandlung mit Cortison-ähnlichen Medikamenten eine Osteoporose entwickelt haben.

Menschlichem Hormon nachempfunden

Teriparatid ist ein Eiweißstoff und muss gespritzt werden. Der Wirkstoff ist dem menschlichen Parathormon sehr ähnlich. Dieses spielt eine wichtige Rolle im Knochenstoffwechsel: Es erhöht die Menge an Kalzium im Blut, einem Hauptbestandteil des Knochengewebe. Außerdem stimuliert das Parathormon Knochenzellen, die neues Knochengewebe bilden.

In bisherigen Studien konnte nur gezeigt werden, dass Teriparatid bei Frauen nach den Wechseljahren Brüche der Wirbelkörper verhindern kann. Für Knochenbrüche an der Hüfte ist das nicht belegt [7]. Der Nutzen für Männer und für Personen mit einer medikamentös bedingten Osteoporose ist nicht gut belegt.

Die Studien im Detail

Wir konnten insgesamt vier Publikationen identifizieren, die den Zusammenhang zwischen Teriparatid und der Entwicklung eines Osteosarkoms untersucht haben. Die Studien wurden in den USA und in verschiedenen europäischen Ländern durchgeführt.

Zwei Studien haben rückblickend untersucht, ob Menschen mit einer Osteosarkom-Diagnose in der Vergangenheit mit Teriparatid behandelt worden waren [1,3]. Zwei weitere Studien begleiteten Menschen, die mit Teriparatid behandelt wurden und beobachteten über einen längeren Zeitraum, ob sie an einem Osteosarkom erkrankten [2,4].

Drei Studien waren von der Zulassungsbehörde angeforderte Sicherheitsstudien [1,3,4]. Sie sind entsprechend vom Hersteller des erstzugelassenen Teriparatid-Präparats finanziert. Eine Studie geht auf die Initiative des Autorenteams zurück [2].

Der Blick zurück

Die „Osteosarcoma Surveillance Study“ in den USA umfasst Menschen, bei denen ab 2003 ein Osteosarkom diagnostiziert wurde. Die Menschen wurden dabei über 15 Krebsregister in den USA identifiziert, die aber nur 60 Prozent aller Osteosarkom-Fälle umfassen. Die Studie lief bis Dezember 2017. Veröffentlicht sind bisher nur die Auswertungen bis September 2011 [1].

In diesem Zeitraum wurden rund 1500 Menschen mit einem Osteosarkom identifiziert. Das Forschungsteam konnte nur rund ein Drittel der Osteosarkom-Betroffenen bzw. ihnen nahestehende Personen befragen. Unter ihnen gab es niemanden, der Teriparatid erhalten hatte.

Eine komplette Entwarnung kann dieses Studienergebnis nicht liefern: Denn die Studie hätte nur eine sehr starke (mindestens fünffache) Risikosteigerung erkennen können. Für kleinere Effekte hatte sie zu wenige Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Zahlen aus Europa

Eine Untersuchung in mehreren skandinavischen Ländern war genauso angelegt. Publiziert sind die Auswertungen für den Zeitraum 2004 bis 2013, also über zehn Jahre [3].

Das Forschungsteam hat in Registern knapp 130 Menschen mit einem Osteosarkom identifiziert. Für rund 110 von ihnen waren die Behandlungsunterlagen auswertbar. Dabei konnten die Forschenden unter den Osteosarkom-Betroffenen niemanden finden, der zuvor Teriparatid erhalten hätte.

Eingeschränkt wird die Aussagekraft dieser Untersuchung dadurch, dass wegen verzögerter Datenweitergabe vermutlich nur die Daten bis 2011 vollständig sind und wegen der geringen Fallzahlen nur Auffälligkeiten gefunden werden könnten, die einer Verzwölffachung des Risikos für ein Osteosarkom entsprechen.

Kleine dänische Studie

Ebenfalls aus Europa stammt eine Registerauswertung von dänischen Forschenden [2]. Allerdings war die Beobachtungsrichtung hier anders herum: Das Forschungsteam hat für den Zeitraum 1995 bis 2010 in einem Behandlungsregister Menschen identifiziert, die mit Teriparatid oder verwandten Wirkstoffen behandelt wurden. Dann wurden deren Daten mit einem Krebsregister abgeglichen.

Dabei fanden sie rund 3500 Menschen, die Teriparatid erhalten hatten. Aber niemand davon war an einem Osteosarkom erkrankt.

Da die Anzahl der Ausgewerteten ziemlich niedrig und die Zeitdauer der Beobachtung relativ kurz waren, lassen sich daraus aber keine weitreichenden Schlussfolgerungen ziehen.

US-amerikanisches Register

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch eine US-amerikanische Registerstudie. Seit 2009 enthält die Verpackung des erstzugelassenen Teriparatid-Präparats auf der Verpackung einen Hinweis, dass Patientinnen und Patienten auf freiwilliger Basis an dieser Studie teilnehmen können. Auch die verordnenden Ärztinnen und Ärzte sind informiert. Die Studie läuft noch bis 2024, publiziert sind bisher die Daten bis September 2017 [4].

Bis zu diesem Zeitpunkt waren Daten von rund 65.000 Patientinnen und Patienten enthalten. Jedes Jahr erfolgt ein Abgleich mit umfassenden US-amerikanischen Krebsregistern. Allerdings sind die Daten vermutlich nur bis inklusive 2015 vollständig, da zwischen Diagnosestellung und Eintrag ins Krebsregister erfahrungsgemäß einige Zeit vergeht.

Bisher wurde kein Zusammenhang zwischen der Behandlung mit Teriparatid und der Entwicklung eines Osteosarkoms beobachtet. Die Studie könnte voraussichtlich – falls vorhanden – nur eine vierfache Erhöhung des Osteosarkom-Risikos durch Teriparatid entdecken.

[1] Andrews u.a. (2012)
Andrews EB u.a. The US postmarketing surveillance study of adult osteosarcoma and teriparatide: study design and findings from the first 7 years. J Bone Miner Res. 2012, 27:2429-37 (Studie in voller Länge)

[2] Bang u.a. (2014)
Bang U u.a. The impact of recombinant parathyroid hormone on malignancies and mortality: 7 years of experience based on nationwide Danish registers. Osteoporos Int. 2014; 25:639-44 (Zusammenfassung der Studie)

[3] Midkiff u.a. (2020)
Midkiff K. Forteo/Forsteo Post-Approval Osteosarcoma Surveillance Study [Study B3D-MC-GHBX], Juni 2014. Abgerufen am 25. 2. 2020 unter encepp.eu

[4] Gilsenan u.a. (2018)
Gilsenan A u.a. The Forteo Patient Registry linkage to multiple state cancer registries: study design and results from the first 8 years. Osteoporos Int. 2018; 29:2335-2343 (Studie in voller Länge)

[5] IQWiG (2018)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Osteoporose. Abgerufen am 25. 2. 2020 unter gesundheitsinformation.de

[6] UpToDate (2020)
Rosen HN, Drezner MK. Overview of the management of osteoporosis in postmenopausal women. In Mulder JE (ed.). UpToDate. Abgerufen am 19. 2. 2020 unter www.uptodate.com (Zugriff kostenpflichtig)

[7] Fachinformation Forsteo®, Stand November 2017

[8] Deutsche Krebsgesellschaft
Knochenkrebs. Abgerufen am 2. 3. 2020 unter krebsgesellschaft.de

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