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Teufelskralle bei Arthrose: Ausweg aus dem Schmerz?

Abgenützte Gelenke sind im Alter die häufigste Ursache für Schmerzen. Können die Wurzeln der Teufelskralle bei dieser Erkrankung helfen?

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Lindern Extrakte der afrikanischen Teufelskralle (Harpagophytum procumbens) Schmerzen bei Patienten mit Arthrose?

Derzeit gibt es keine gut durchgeführten Studien, um die Wirksamkeit von Extrakten der Teufelskralle bei abgenützten Gelenken beurteilen zu können.

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© ThamKC - fotolia.com Schmerzhafte Knie-Arthrose
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Einst waren die Wüsten und Steppen Südafrikas voll damit, die auffallend roten Blüten der krautig wachsenden Teufelskralle waren weitverbreitet. Einheimische verwenden die Pflanze, die ihren Namen der Form ihrer Frucht verdankt, schon lange traditionell für verschiedenste Wehwehchen [3] [7]. Im letzten Jahrhundert wurde auch die westliche Welt auf den überlieferten medizinischen Nutzen der Pflanze aufmerksam, und es entwickelte sich ein regelrechter Ernteboom für dieses Kraut. Heute gilt die Kriechpflanze mit den großen Blüten als gefährdet [15].

Begehrt für kommerzielle und teils fragwürdige medizinische Zwecke sind die unterirdischen Speicherwurzeln der Pflanze. Diese ergeben getrocknet und zerkleinert einen bitter schmeckenden Tee. In Form von Tabletten, Kapseln oder Salben werden sie auch von diversen Herstellern angeboten. Die Extrakte der Teufelskralle sollen nicht nur Entzündungen lindern sondern auch bei Verdauungsproblemen und Appetitlosigkeit hilfreich sein. Besonders geeignet sei die Pflanze zur Behandlung von Schmerzen bei abgenutzten Gelenken (Arthrose) [3] [7].

Hoffnung auf weniger NebenwirkungenDas klingt für so manch leidgeplagten Arthrose-Patienten verlockend. Gerade die Schmerzen und die damit verbundene eingeschränkte Beweglichkeit der Gelenke zermürben so manchen Betroffenen. Hinzu kommt das Wissen, dass Arthrose lebenslanger Begleiter bleiben wird [3] [10] [13]. Denn eine Heilung für die Erkrankung gibt es bisher nicht.

Um den Alltag trotz der starken Schmerzen meistern zu können, nehmen viele Patienten Schmerzmittel – meist sogenannte nicht-steroidale Antirheumatika. Diese können aber bei einer länger dauernden Einnahme ernste Nebenwirkungen haben [3] [8] [9]. Gerade bei älteren Patienten verursachen sie relativ häufig Magengeschwüre, die in weiterer Folge zu Magenblutungen führen können [3] [9].Durch ihre angeblich schmerzstillende und entzündungshemmende Wirkung könnten Teufelskrallen-Präparate für diese Patienten eine Möglichkeit darstellen, solche Nebenwirkungen zu verringern [3]. Kann die afrikanische Pflanze die Lebensqualität von Betroffenen tatsächlich verbessern?

Fehlende wissenschaftliche Beweise

Ob Betroffene durch Präparate aus Teufelskralle tatsächlich ihre Schmerzen in den Griff bekommen und dadurch weniger Schmerzmittel schlucken müssen, bleibt fraglich. Wissenschaftliche Beweise dafür gibt es nicht. Zwar beschreiben Autoren mancher Studien eine solche Wirkung, die Qualität der Untersuchungen entspricht aber nicht wissenschaftlichen Standards. Es ist derzeit nicht möglich, eine klare Aussage für oder gegen eine Wirksamkeit zu treffen [1] [2] [4] [7].

So untersuchten bisher veröffentlichte Studien beispielsweise zu wenige Personen, um aussagekräftige Ergebnisse zu liefern. Die Studiendauer war mit einigen Wochen bis Monaten zu kurz, um die Wirksamkeit bei einer chronischen Erkrankung wie Arthrose beurteilen zu können [1] [7].

Angeblich soll der Inhaltsstoff Harpagosid für die entzündungshemmende Wirkung der Wüstenpflanze verantwortlich sein. Hinweise darauf liefern bis dato aber nur vereinzelte Labor- und Tierstudien [3] [7]. Rückschlüsse auf eine eventuelle Wirkung am Menschen lassen sich daraus nicht ziehen.

Hintergrund: Arthrose

Die Gelenks-Verschleiß-Erkrankung Arthrose ist nach derzeitigem Wissensstand nicht heilbar. Erste Warnsymptome für ein angeschlagenes Gelenk können Steifigkeit, knacksende Gelenksgeräusche sowie eine zunehmend eingeschränkte Beweglichkeit sein. Schmerzen treten anfangs nur bei Bewegungen unmittelbar nach Ruhephasen auf. Dieser sogenannte Anlaufschmerz verschwindet einige Zeit nach der Bewegung wieder. Im weiteren Krankheitsverlauf kommt es zu immer stärkeren Schmerzen, die schließlich dauerhaft werden können [10] [11] [12] [13] [14].

Vielfach verfallen die Betroffenen in einen regelrechten Teufelskreis: um dem Gelenksschmerz zu entgehen, halten sie das betroffene Gelenk möglichst ruhig und belasten es mitunter falsch. Unter dieser Schonhaltung und der mangelnden Bewegung leidet das Gelenk aber zusätzlich, was die Schmerzen verstärkt. Wichtig sind daher regelmäßige, richtige Bewegung und gut wirksame, möglichst schonende Schmerzmittel. Diese verringern den Schmerz und die Entzündung und ermöglichen so eine möglichst normale Belastung des Gelenks [10] [14]. Dabei empfehlen Experten Schmerzmittel nur so lange wie nötig einzunehmen [3] [9] [10]. Um den gefürchteten Magennebenwirkungen zu entgehen raten diese insbesondere Patienten mit einem erhöhten Risiko für Magengeschwüre, zusätzlich Magenschutzmittel – sogenannte Protonenpumpenhemmer – zu schlucken [8] [9] [10].

Um den Beschwerden bei Arthrose Herr zu werden und wieder mehr Lebensqualität zu erzielen, sind viele Arthrosepatienten auf der Suche nach alternativen Heilmethoden. Einige davon hat Medizin Transparent schon in früheren Artikeln unter die Lupe genommen, darunter TENS-Strombehandlung, Kernspin-Resonanz oder eine angebliche Wundersalbe. Doch ähnlich wie für die Teufelskralle ist auch bei diesen die Wirksamkeit nicht bewiesen. Im Gegenteil, manche Behandlungen scheinen sogar nutzlos zu sein, so etwa die Einnahme der Nahrungsergänzungsmittel Kollagen, Glucosamin oder Chondroitin oder Orthokin-Injektionen. Einzig für Weihrauch gibt es vorsichtige Hinweise auf eine mögliche Wirksamkeit.

Die Studien im Detail

Beim Durchsuchen der wissenschaftlichen Literatur finden sich viele Studien zur möglichen Wirksamkeit der Teufelskralle bei Arthrose. In den meisten Arbeiten wurde die Wirksamkeit von Teufelskralle-Produkten mit gängigen Schmerzmitteln oder Scheinmedikamenten (Placebos) verglichen. Die vorliegenden Untersuchungen liefern jedoch keine Beweise für eine tatsächliche Wirksamkeit bei Arthrose [1] [4]. Grund ist die schlechte methodische Qualität. Diese Einschätzung teilt auch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA in einem Bericht aus dem Jahr 2009 [7].

Bei den vorliegenden Studien mangelt es meist an mehreren Stellen. So ist beispielsweise die Dauer der Untersuchung mit wenigen Wochen bis Monaten zu kurz, um eine Aussage zu einer chronisch verlaufenden Erkrankung wie Arthrose treffen zu können. Außerdem wurde die Stärke des Schmerzes in den einzelnen Studien mit unterschiedlichen Methoden ermittelt. Oft ist nicht klar, auf welche Weise Schmerzmittel mit Teufelskrallen-Präparaten verglichen wurden. Des Weiteren fehlten zum Teil Daten zu Patienten oder auch zur Zusammensetzung und Dosierung der Teufelskrallen-Präparate. Generell sind die einzelnen Studien zu unterschiedlich, um statistische Auswertungen und damit eine seriöse Beurteilung durchführen zu können [1] [2] [5].

In einer im Jahr 2014 [1] veröffentlichten systematischen Übersichtsarbeit der Cochrane Collaboration wurde die Wirkung von 33 medizinischen Kräutern bei Patienten mit abgenutzten Hüft-oder Kniegelenken untersucht. Auch die Teufelskralle war einer der Kandidaten, die die Verfasser unter die Lupe genommen haben. Das Ergebnis: Die Autoren können Teufelskralle sowie die meisten anderen pflanzlichen Mittel bei Arthrose weder empfehlen noch können sie davon abraten.

Nebenwirkungen wenig erforscht

Auch mögliche negative Auswirkungen einer Einnahme von Teufelskralle müssen noch besser untersucht werden. Einige Studien weisen auf mögliche leichte Nebenwirkungen wie Übelkeit, Blähungen oder Durchfall hin [1] [6] [7].Generell fehlen aber solide Studien zur Frage der unerwünschten Folgen – dies vor allem bei einer länger dauernden Anwendung. Notwendig wären auch Untersuchungen zu den möglichen Auswirkungen einer Einnahme von Teufelskralle bei schwangeren Frauen [1] [6] [7].

[1] Cameron u.a. (2014)
Studienart: Systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 49 randomisiert-kontrollierte Studien, davon 4 zu afrikanischer Teufelskralle
Teilnehmer insgesamt: 5980 Patienten mit Hüft- oder Knie-Arthrose
Fragestellung: Nutzen und Schaden der Gabe von medizinischen Kräutern bei Arthrose.
Mögliche Interessenskonflikte: keine laut Autoren

Cameron M, Chrubasik S., Oral herbal therapies for treating osteoarthritis.Cochrane Database Syst Rev. 2014 May 22;5:CD002947. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[2] Gagnier u.a. (2004)
Studienart: Systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 12 randomisiert-kontrollierte Studien
Teilnehmer insgesamt: 1105 Patienten mit Arthrose oder Kreuzschmerzen
Fragestellung: Wirksamkeit von Teufelskralle bei Arthrose oder Kreuzschmerzen
Mögliche Interessenskonflikte: Ein Autor war Verfasser mehrerer eingeschlossener Studien

Gagnier JJ, Chrubasik S, Manheimer E. Harpgophytum procumbens for osteoarthritis and low back pain: a systematic review. BMC Complement Altern Med. 2004 Sep 15;4:13.
(Übersichtsarbeit in voller Länge, Kritische Zusammenfassung der Übersichtsarbeit )

[3] Sanders u.a. (2011)
Studienart: Nicht-systematische Übersichtsarbeit

Sanders M, Grundmann O. The use of glucosamine, devil’s claw (Harpagophytum procumbens), and acupuncture as complementary and alternative treatments for osteoarthritis. Altern Med Rev. 2011 Sep;16(3):228-38. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[4] Brien u.a.(2006)
Studienart: Systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 6 randomisiert-kontrollierte Studien (RCTs), 8 Beobachtungsstudien
Teilnehmer insgesamt: RCTs: 357, Beobachtungsstudien: 3381
Fragestellung: Wirksamkeit von Teufelskralle bei Arthrose
Mögliche Interessenskonflikte: nicht bekannt

Brien S, Lewith G T, McGregor G. Devil’s Claw (Harpagophytum procumbens) as a treatment for osteoarthritis: a review of efficacy and safety. Journal of Alternative and Complementary Medicine. 2006;12(10):981-993 (Kritische Zusammenfassung der systematischen Übersichtsarbeit)

[5] Ernst & Chrubasik (2000)
Ernst E, Chrubasik S. Phyto-anti-inflammatories: a systematic review of randomized, placebo-controlled, double-blind trials. Rheumatic Disease Clinics of North America. 2000;26(1):13-27 (Zusammenfassung der systematischen Übersichtsarbeit)

[6] Vlachojannis u.a.(2008)
Studienart: Systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 20 randomisiert-kontrollierte oder Beobachtungs-Studien
Teilnehmer insgesamt: 6892 (davon 615 in randomisiert-kontrollierten Studien)
Fragestellung: Sicherheit von Teufelskralle-Präparaten bei Arthrose oder Kreuzschmerzen
Mögliche Interessenskonflikte: unbekannt

Vlachojannis J, Roufogalis BD, Chrubasik S. Systematic review on the safety of Harpagophytum preparations for osteoarthritic and low back pain. Phytother Res. 2008 Feb;22(2):149-52. (Zusammenfassung der systematischen Übersichtsarbeit)

Weitere Quellen

[7] EMA (2009)
Europäische Arzneimittel Agentur [EMA]. Assessment report on Harpagophytum procumbens dc.and/or harpagophytum zeyheri decne,radix. Abgerufen am 18.07.2015 unter http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_HMPC_assessment_report/2010/01/WC500059019.pdf

[8] IQWIG (2016)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG). Schmerzmittel: Wie häufig sind schwere Nebenwirkungen bei NSAR? Abgerufen am 20.11.2017 unter https://www.gesundheitsinformation.de/schmerzmittel-wie-haeufig-sind-schwere.2321.de.html?part=meddrei-ld-jict-siv5

[9] UpToDate (2017)
NSAIDs (including aspirin): Pathogenesis of gastroduodenal toxicity. Abgerufen am 16.11.2017 unter http://www.uptodate.com/contents/nsaids-including-aspirin-pathogenesis-of-gastroduodenal-toxicity

[10] Robert Koch Institut (2013)
Robert Koch Institut ,Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Heft 54: Arthrose, Autorin: Martina Rabenberg, Herausgeber: Robert Koch-Institut, Berlin 2013 abgerufen am 20.11.2017 unter http://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsT/arthrose.pdf?__blob=publicationFile

[11] Pschyrembel Premium Online (2015)
Pschyrembel Sozialmedizin, Arthrose, Abgerufen am 20.11.2017 unter www.degruyter.com

[12] Ammon & Hunnius (2014)
Ammon, H. P. T., & Hunnius, C. (2014). Hunnius Pharmazeutisches Wörterbuch (11., aktualisierte Aufl. ed.). Berlin: Gruyter.

[13] Pschyrembel & Arnold (2014)
Pschyrembel, W., & Arnold, U. (2014). Pschyrembel Klinisches Wörterbuch (266., aktualisierte Aufl. ed.). Berlin [u.a.]: De Gruyter.

[14] Deutsche Arthrose Stiftung
Deutsche Arthrose Stiftung, Arthrose. Abgerufen am 20.11.2017 unter www.deutsche-arthrose-stiftung.de

[15] WWF Deutschland (2001)
World Wide Fund for Nature (WWF) Deutschland, Afrikanische Teufelskralle, abgerufen am 20.11.2017 unter http://wwf.at/files/downloads/teufelskralle_afrikanisch.pdf

Aktualisiert am 20. 11. 2017, ursprünglich veröffentlicht am 28. 7. 2015. Eine Suche nach neuen Studien bringt keine Änderung.

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