Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Pinienrindenextrakt gegen Arthrose?

Pinienrindenextrakt soll die Gelenkbeschwerden bei einer Arthrose lindern. Die bisherigen Studien lassen aber keine verlässlichen Schlussfolgerungen zu.

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Verbessert Rindenextrakt aus der See-Kiefer (auch: „Pinienrindenextrakt“) die Beschwerden bei Arthrose?

Die Frage wurde in drei kleineren Studien untersucht. Wegen schwerer methodischer Mängel und teils widersprüchlicher Ergebnisse lassen sich daraus aber keine sicheren Schlussfolgerungen ziehen.

so arbeiten wir
© tommaso lizzul - Shutterstock.com Ist gegen Arthrose die Seekiefer gewachsen?
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Schmerzen im Knie oder in der Hüfte, typischerweise beim Treppensteigen oder beim Sport: So macht sich bei vielen Betroffenen eine Arthrose erstmals bemerkbar.

Zur Behandlung des „Gelenksverschleiß“ kommen Schmerzmittel zum Einsatz. Auch Bewegung kann helfen. All dies heilt die Krankheit aber nicht.

Viele Betroffene, großer Markt

Der Leidensdruck ist deshalb bei vielen Menschen mit Arthrose ziemlich hoch. Wenig verwunderlich also, dass es jede Menge Nahrungsergänzungspräparate und andere Mittelchen gibt, die angeblich gegen Arthrose helfen.

Dazu gehören auch Produkte mit Pinienrindenextrakt. Sie sind über Internet-Shops und Apotheken erhältlich. Zu einem dieser Mittel mit dem Markennamen „Pycnogenol“ hat uns eine Leseranfrage erreicht.

Pinienrindenextrakt soll helfen

Der Extrakt stammt aus der Rinde der französischen See-Kiefer. Sie wächst in Südwest-Frankreich und gehört zur Gattung „Pinus“.

Aus diesem Nadelbaum wird der so genannte „Pinienrindenextrakt“ gewonnen – auch wenn diese Bezeichnung nicht ganz korrekt ist. Schließlich handelt es sich um eine Kiefer.

In Pinienrindenextrakt enthalten sind die so genannten Procyanidine. Sie wirken antioxidativ. Das heißt, sie können zellschädigende Sauerstoffverbindungen („freie Radikale“) unschädlich machen [1].

Kampf den Radikalen

Genau diese Sauerstoffverbindungen sollen mit einer vorzeitigen Alterung des Gelenkknorpels und dem Gelenkverschleiß zusammenhängen. Die Theorie: Wenn Procyanidine aus der See-Kiefer die freien Radikale abfangen, müsste sich der Gelenkverschleiß bremsen und damit die Arthrose lindern lassen [1].

Neben einer schönen Theorie braucht es aber auch noch gut gemachte Studien mit menschlichen Probandinnen und Probanden. Nur sie können verlässlich Auskunft geben über den Nutzen und möglichen Schaden dieser Extrakte bei einer Arthrose.

3 Studien, 270 Menschen

Zur Behandlung von Arthrose mit Pinienrindenextrakt haben wir tatsächlich drei solcher Studien mit knapp 270 Menschen auswerten können. Hier wurde speziell das Mittel „Pycnogenol“ untersucht. Die Studien sind in einer systematischen Übersichtsarbeit [1] zusammengefasst. (Aussagekräftige Studien zu anderen Produkten mit Pinienrindenextrakt haben wir nicht gefunden.)

Die Teilnehmenden hatten drei Monate lang nach dem Zufallsprinzip entweder ein Scheinmedikament (Placebo) oder Pycnogenol erhalten. Das Studienteam dokumentierte für beide Gruppen die Schmerzen und Einschränkungen bei der Beweglichkeit sowie den Verbrauch an Schmerzmitteln, die als begleitende Behandlung erlaubt waren.

Unklar: Wirkung von Pinienrindenextrakt

Allerdings lassen sich aus den vorhandenen Studien keine sicheren Aussagen ableiten: Denn das Mittel mit Pinienrindenextrakt namens Pycnogenol wurde insgesamt nur mit relativ wenigen Patientinnen und Patienten untersucht. Die Studien kommen teilweise zu widersprüchlichen Ergebnissen und haben erhebliche methodische Mängel.

So fehlen in der Auswertung etwa Daten von einzelnen Teilnehmenden, und die Veröffentlichungen enthalten nicht genug Details zu den Messwerten, etwa zur Streuung. Die Ergebnisse der Studien lassen nicht zusammenfassen. Deshalb können wir den Stellenwert von Pycnogenol im Vergleich zu einem Scheinpräparat bei der Behandlung von Arthrose nicht einschätzen.

Nebenwirkungen nicht gut untersucht

Diese Unsicherheit haben wir auch bei Aussagen zu möglichen unerwünschten Wirkungen: Nur in zwei der drei Studien wurden Nebenwirkungen überhaupt untersucht, und nur in einer finden sich detailliertere Angaben. Daraus lassen sich aber keine Aussagen zu möglichen unerwünschten Wirkungen von des Rindenextrakts ableiten.

Arthrose ist weit verbreitet

Die Arthrose gehört zu den häufigsten Gelenkerkrankungen. Sie ist vor allem eine Erkrankung von älteren Menschen.

Etwa die Hälfte der Frauen über 70 und ein Drittel der Männer in dieser Altersgruppe sind vom „Gelenkverschleiß“ betroffen. Meist entwickelt sich die Arthrose am Hüft- oder Kniegelenk. Sie kann aber auch an Schultern, Fingern und Zehen auftreten.

Keine Heilung, aber Linderung

Bisher steht kein Medikament zur Heilung von Arthrose zur Verfügung. Aber es gibt Maßnahmen zur Linderung: Bewegung, Schmerzmittel und Abnehmen bei Übergewicht.

Bei einer Arthrose in Knie oder Hüfte gibt es Hilfsmittel wie Gehstöcke, um das Gelenk zu entlasten. Wenn der Gelenkverschleiß weit fortgeschritten ist, kann ein künstlicher Gelenkersatz helfen [2,3].

Gute Informationen zum Weiterlesen

Mehr wissenschaftlich gesicherte Information zu den Themen Arthrose, Knie- Arthrose und Hüft-Arthrose finden Sie auf den Seiten von gesundheitsinformation.de.

Die Studien im Detail

Bei unserer Recherche sind wir auf eine methodisch hochwertige systematische Übersichtsarbeit [1] gestoßen. Sie schließt insgesamt drei Studien ein, in denen Arthrose-Patientinnen und -Patienten mit einem Rindenextrakt aus der See-Kiefer, der den Markennamen Pycnogenol trägt, behandelt wurden. Studien zu anderen Extrakten aus der Kiefernrinde (vulgo: „Pinienrindenextrakt“) haben wir nicht gefunden.

Die systematische Übersichtsarbeit [1] hat nur Studien bis 2010 berücksichtigt. Bei einer Recherche nach neueren Untersuchungen wurden wir nicht fündig. Deshalb gehen wir davon aus, dass die systematische Übersichtsarbeit den aktuellen Stand der Wissenschaft zu dieser Frage darstellt.

Knie-Arthrose im Fokus

Die drei Studien umfassten jeweils zwischen 37 und 156 Teilnehmende, insgesamt waren es 293 Patientinnen und Patienten. Sie waren um die 50 Jahre alt, und die Arthrose saß bei ihnen im Knie.

Zu anderen Formen der Arthrose, etwa an der Hüfte oder an der Hand, liegen keine Daten vor. Außerdem waren in allen Studien Menschen ausgeschlossen, die bereits einmal wegen der Arthrose am Knie operiert worden waren bzw. ein neues Gelenk bekommen hatten.

Fehlstellen in den Studien

In allen Studien wurden die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip einer Gruppe zugeteilt: Die eine Hälfte bekam ein Mittel mit Pycnogenol in einer Tagesdosis von 100 bis 150 Milligramm. Nach drei Monaten wurde dann überprüft, wie sich Schmerzen, Beweglichkeit und der Schmerzmittelverbrauch entwickelt hatten.

Problematisch an den Studien ist außer den widersprüchlichen Ergebnissen, dass alle schwerwiegende Mängel aufwiesen: So fehlten Daten von Teilnehmenden in der Auswertung oder es wurden nicht alle Ergebnisse vollständig berichtet.

[1] Schoonees u.a. 2012

Studientyp: systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 3 Studien mit insgesamt 293 Arthrose-Patientinnen und Patienten
Fragestellung: Welchen Nutzen hat Pycnogenol bei chronischen Erkrankungen?
Interessenskonflikte: keine nach Angaben des Autorenteans

Schoonees A u.a. Pycnogenol® (extract of French maritime pine bark) for the treatment of chronic disorders. Cochrane Database Syst Rev. 2012;:CD008294
Zusammenfassung

Information zu den wissenschaftlichen Studien

[2] IQWiG (2018)
Arthrose, abgerufen am 17.10.2019

[3] UpToDate (2019)
Management of knee osteoarthritis, abgerufen am 16.10.2019 (kostenpflichtig)

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