Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Botox gegen Blasenschwäche

Zur Behandlung von Blasenschwäche sollen Injektionen mit dem Nervengift Botulinumtoxin A (Botox) helfen. Diese können die Häufigkeit für unfreiwilligen Harnverlust zwar senken, verhindern diesen aber nicht vollständig und haben auch unerwünschte Nebenwirkungen.

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Review:  Claudia Christof 

Helfen Injektionen mit Botulinum Toxin A (Botox) bei Harninkontinenz?

Mehrere kleine randomisiert-kontrollierte Studien zeigen, dass Injektionen von Botulinum Toxin A in den Detrusor-Muskel, welcher die Harnblase umgibt, die Häufigkeit von unfreiwilligem Harnverlust senken, aber nicht vollständig verhindern können.

so arbeiten wir
© Brian A Jackson - shutterstock.com Botulinum Toxin A zur Injektion
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Personen mit Blasenschwäche und unfreiwilligem Harnverlust (Harninkontinenz) leiden durch die besonders in Gesellschaft unangenehmen Symptome unter einer starken Einschränkung ihrer Lebensqualität. In Österreich sind einer Umfrage der Statistik Austria zufolge rund 11 von 100 Personen betroffen, wobei Dreiviertel davon älter als 60 Jahre sind.

Ein Grund für unfreiwilligen Harnverlust kann in der Überaktivität des sogenannten Detrusormuskels liegen, der die Harnblase umgibt und normalerweise durch die Ausübung von Druck für deren Entleerung sorgt. Ist der Druck des Detrusormuskels zu groß, spüren Betroffene großen Drang und haben mitunter Probleme, den Harn vollständig zurückzuhalten. Fachleute bezeichnen diese Form der Inkontinenz daher als Dranginkontinenz. Mit rund 6 von 100 Betroffenen über 40 Jahren ist sie einer europaweiten Befragung [5] relativ verbreitet.

Eine weitere Form der Inkontinenz ist die sogenannte Belastungsinkontinenz, bei der es während körperlich anstrengender Tätigkeit sowie Lachen oder Niesen zu unfreiwilligem Harnverlust kommt. Hier ist meist nicht eine Überaktivität des Detrusormuskels der Grund, sondern ein zu schwacher Ringmuskel (Sphinktermuskel) am Blasenausgang, so dass der Harn nicht mehr zurückgehalten werden kann. Nicht selten kommen auch beide Formen der Inkontinenz in Kombination vor.

Behandlung

Die Dranginkontinenz-Therapiemethoden mit den geringsten Nebenwirkungen stellen neben Blasentrainings (etwa mittels Biofeedback) verschiedene Übungsprogramme zur Stärkung der Beckenbodenmuskulatur dar, um die Fähigkeit zur Rückhaltung des Harns zu verbessern.

Die gängigste medikamentöse Behandlung ist die Gabe sogenannter Anticholinergika. Dabei handelt es sich um Medikamente, die den Botenstoff Azetylcholin hemmen, welcher für die Übertragung des Bewegungssignals von den Nerven an den Muskel zuständig ist. Allerdings haben diese Medikamente oft unangenehme Nebenwirkungen, da sie nicht nur an der Blasenmuskulatur wirken. So können sie Mundtrockenheit oder Verstopfung verursachen und die Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigen. Des Weiteren existieren verschiedene operative Methoden zur Behandlung von Inkontinenz.

Artikeln in „Presse“ und „Standard“ zufolge wurde Botulinum Toxin A (bekannt unter dem Handelsnamen Botox) in Irland und eventuell bald anderen europäischen Ländern zur Behandlung von Inkontinenz, die durch Multiple Sklerose oder Rückenmarksverletzungen verursacht ist, zugelassen.

Das starke Nervengift Botulinum Toxin A ist in der Lage, Muskelfasern – durch Blockade des Botenstoffes Azetylcholin – komplett zu lähmen. Diese Wirkung macht man sich unter anderem – allerdings in niedriger Dosierung – in der kosmetischen Medizin zunutze. Durch eine vorübergehende Lähmung von Muskelfasern etwa im Gesicht können so z.B. durch Stirnrunzeln begünstige Falten etwas geglättet werden.

Wie wirksam aber ist Botulinum Toxin A zur Behandlung von Blasenschwäche und Inkontinenz?

Wirksamkeit von Botulinum Toxin A

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse von 19 randomisiert-kontrollierten Studien mit jeweils relativ kleiner Teilnehmerzahl zeigt eine gute Wirksamkeit [1]. Demnach kann eine einmalige Injektionsserie mit Botulinum Toxin A in den Detrusormuskel der Blase die Häufigkeit des Harnverlusts bei Patienten mit Inkontinenz deutlich senken.

Die meisten der Studien untersuchten Patienten mit Inkontinenz durch Detrusor-Überaktivität, die durch eine Nervenschädigung (wie etwa Rückenmarksschädigungen oder Multiple Sklerose) verursacht wurde. In einigen Studien waren aber auch Patienten mit überaktiver Blase ohne Nervenschädigung unter den Teilnehmern. Alle Studien zeigten, dass Botulinum-Toxin-Injektionen die Symptome mehr besserten als Placebo-Injektionen.

Vier bis sechs Wochen nach der Injektionstherapie hatte sich im Durchschnitt die Anzahl der täglichen Fälle von unabsichtlichem Harnverlust um etwa sechs Vorfälle pro Tag verringert. Selbst nach zwölf Wochen waren es noch drei tägliche Vorfälle weniger als in der Vergleichsgruppe mit Scheinbehandlung.

Geringere Dosen schienen ebenfalls gute Behandlungsergebnisse zu versprechen, bei weniger Nebenwirkungen. Möglicherweise ist der Effekt bei höheren Dosen länger anhaltend – dies müssen weitere Studien aber noch bestätigen.

Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen waren Harnwegsentzündungen, die in einer der Studien bei etwa vier von zehn Patienten auftraten. Weiters war in vielen Studien bei etlichen Patienten nach der Injektionsserie Blut im Harn sichtbar.
Durch die Botulinum Toxin-bedingte Lähmung des Detrusormuskels hatten mehrere Patienten Probleme, ihre Blase vollständig zu leeren. In einer Studie betraf das beinahe die Hälfte der Teilnehmer, sie konnten eine Blasenentleerung daher nur mittels selbst eingeführtem Katheter erreichen. Alles in allem sind die Nebenwirkungen noch zu wenig untersucht, um die Langzeitauswirkungen abschätzen zu können.

[1] Duthie u.a. (2011)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Eingeschlossene Studien: 19 randomisiert kontrollierte Studien
Teilnehmer: 611 (zwischen 14 und 77 pro Studie)
Dauer: zwischen 6 Wochen und 24 Monaten
Vergleich: Botulinum Toxin A Injektionen in den Detrusor-Muskel der Harnblase gegen Placebo oder andere Behandlungen bei überaktivem Blasensyndrom

Duthie JB, Vincent M, Herbison GP, Wilson DI, Wilson D. Botulinum toxin injections for adults with overactive bladder syndrome. Cochrane Database of Systematic Reviews 2011, Issue 12. Art. No.: CD005493. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[5] Milsom I, Abrams P, et al. (2001) How widespread are the symptoms of an overactive bladder and how are they managed? A population-based prevalence study. BJU Int. 2001 Jun;87(9):760-6. Erratum in: BJU Int 2001 Nov;88(7):807. (Zusammenfassung der Studie)

  • 21. 5. 2014: Eine Suche nach neuen Studien brachte keine Änderungen unserer Einschätzung. Nebenwirkungen ergänzt.
  • 24. 8. 2011: erste Version

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