Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Hagebuttenpulver bei Gelenksbeschwerden?

Gelenkserkrankungen wie Arthrose und rheumatoide Arthritis sind schmerzhaft und beeinträchtigen den Alltag der Betroffenen. Kann Hagebuttenpulver Abhilfe schaffen?

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Verbessert die Einnahme von Hagebuttenpulver bei rheumatoider Arthritis die Symptome?

Lindert die Einnahme von Hagebuttenpulver bei Arthrose die Beschwerden?

Die Frage ist nur in einer kleinen Studie mit methodischen Mängeln untersucht worden. Darin fand sich zwar ein rechnerischer Vorteil für jene Personen, die mit Hagebuttenpulver behandelt wurden. Im Vergleich zu Placebo war der Vorteil aber so klein, dass er im Alltag wahrscheinlich keine merkliche Verbesserung bringt.
Insgesamt drei kleinere Studien mit methodischen Mängeln haben die Frage untersucht, sind aber zu widersprüchlichen Ergebnissen gekommen.

so arbeiten wir
© romantitov - shutterstock.com Hagebutte in Pulverform wird als Hilfe gegen Gelenksbeschwerden vermarktet.
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Morgens sind die Fingergelenke geschwollen, beim Treppensteigen schmerzt das Knie, und das Aufstehen aus dem Sessel ist auch nicht mehr so einfach: Gelenksbeschwerden betreffen viele Menschen, besonders im fortgeschrittenen Alter.

Typisch für Gelenksbeschwerden: Die Beweglichkeit der Gelenke nimmt ab, Schmerzen kommen hinzu. Hinter den Beschwerden kann eine ganze Reihe von Krankheiten stecken, zum Beispiel Arthrose oder rheumatoide Arthritis.

Sowohl bei der Arthrose als auch bei der rheumatoiden Arthritis sind Entzündungen nichts Ungewöhnliches. Betroffene bekommen dann in der Regel Schmerzmittel, bei rheumatoider Arthritis außerdem Medikamente, die die Entzündung in den Gelenken aufhalten sollen [4,5].

Hagebuttenpulver als Alternative?

Allerdings haben solche Arzneimittel auch Nebenwirkungen und helfen oft nicht nachhaltig. Wer unter Gelenkserkrankungen leidet, macht sich deshalb vielleicht auf die Suche nach hoffentlich wirksamen und vermeintlich „sanfteren“ Alternativen. Im Internet stößt man dann schnell auf Hagebuttenpulver. Das Pulver wird in Online-Shops beispielsweise in Form von Kapseln zum Schlucken angeboten.

In der Werbung für diese Produkte zeigt sich ein bekanntes Muster: Die Anbieter möchten mit Hagebuttenpulver-Laborversuchen überzeugen. Demnach sollen bestimmte Inhaltsstoffe aus der Hagebutte anti-entzündliche Eigenschaften haben. Da bei Gelenkserkrankungen häufig Entzündungsprozesse eine Rolle spielen, hört sich ein positiver Effekt des Hagebuttenpulvers zumindest theoretisch plausibel an.

Aber hat sich ein Nutzen in Studien an Menschen schon nachweisen lassen? Mit dieser Frage haben wir uns auf die Suche nach Untersuchungen zu Hagebuttenpulver-Einnahme bei Gelenkerkrankungen gemacht und tatsächlich einige wenige Studien zu Arthrose und rheumatoider Arthritis gefunden und ausgewertet [1,2,3].

Zahlreiche Mängel in Studien

Schon vorab: Richtig überzeugen konnte uns die Studienlage nicht. So waren die Studien ganz oder zumindest teilweise durch die Hersteller der Hagebuttenmittel finanziert.

Auch hatten die Studien in der Regel mehrere methodische Schwächen, sodass die Ergebnisse wenig verlässlich sind. Sie umfassten nur relativ wenige Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Verglichen wurde der Nutzen von Hagebuttenpulver jeweils mit einem Scheinmedikament (Placebo). Sinnvoll wäre aber auch ein Vergleich mit häufig eingesetzten Schmerzmitteln wie Ibuprofen oder Diclofenac gewesen, um das Potenzial von Hagebuttenpulver besser beurteilen zu können.

Keine Belege für Wirksamkeit

Nicht nur die Methoden sind enttäuschend. Auch die Ergebnisse der Studien ernüchtern:

  • Bei Arthrose kommen die Studien zu widersprüchlichen Aussagen, sodass wir keine klare Schlussfolgerung ziehen können.
  • Bei rheumatoider Arthritis findet die einzige verfügbare Studie zwar einen rechnerischen Vorteil für Hagebuttenpulver. Dieser Effekt ist aber so klein, dass die Patientinnen und Patienten wahrscheinlich nichts davon spüren.

Gute Verträglichkeit fraglich

Nebenwirkungen wurden zwar in allen Studien erfasst. Es zeigte sich kein deutlicher Unterschied zwischen Hagebuttenpulver und dem Scheinmedikament – das könnte ein Hinweis darauf sein, dass das Pulver sicher ist. Allerdings fehlt oft die Angabe, wie Nebenwirkungen genau erfasst und eingeordnet wurden.

Ob Hagebuttenpulver tatsächlich gut verträglich ist, lässt sich auch wegen der geringen Zahl an Teilnehmerinnen und Teilnehmern und aufgrund der relativ kurzen Studiendauer ohnehin nicht sicher sagen.

Häufige Alterserscheinung

Die häufigste Gelenkserkrankung ist die Arthrose; oft sind Knie- oder Hüftgelenke betroffen. Der für die Erkrankung typische Verschleiß der Gelenksknorpel ist in der Regel eine Alterserscheinung oder er wird durch starke Belastung hervorgerufen, etwa bei körperlich anstrengenden Berufen. Bei Menschen über 70 Jahren sind etwa die Hälfte der Frauen und etwa ein Drittel der Männer von Arthrose betroffen [4].

Eine rheumatoide Arthritis ist deutlich seltener: Sie kommt nur bei etwa jedem hundertsten Erwachsenen vor und gehört zu den Autoimmunkrankheiten. Dabei richtet sich das Immunsystem gegen körpereigene Strukturen, im Fall der rheumatoiden Arthritis gegen Bestandteile der Gelenke [5].

Die Studien im Detail

Hagebuttenpulver bei Arthrose

Eine systematische Übersichtsarbeit [1] zur Anwendung bei Arthrose-Patientinnen und Patienten hat drei Studien identifizieren können: Sie untersuchten, welche Auswirkungen die Einnahme von Hagebuttenpulver auf die Beschwerden hat. Die insgesamt rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren meist um die 65 Jahre alt. Sie wurden nach dem Zufallsprinzip auf eine von zwei Gruppen aufgeteilt.

In zwei Studien erhielt eine Gruppe zuerst über drei Monate Hagebuttenpulver, danach für drei weitere Monate ein Scheinmedikament. Bei der zweiten Gruppe war die Reihenfolge umgekehrt („Cross-over“). In der dritten Studie erhielten die beiden Gruppen parallel entweder Hagebuttenpulver oder Placebo über einen Zeitraum von 20 Wochen.

Die Dosierung des Hagebuttenpulvers lag in allen drei Studien bei fünf Gramm pro Tag. Die Studien kamen allerdings zu widersprüchlichen Ergebnissen: In einigen fand sich ein Vorteil von Hagebuttenpulver, in anderen nicht. Die Beschwerden wurden mit sehr unterschiedlichen Instrumenten gemessen, die nicht alle zuverlässig waren.

Hinzu kommen weitere methodische Schwierigkeiten: So hielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Studien mit Cross-over-Design keine Pause zwischen den beiden Phasen (Hagenbuttenpulver-Einnahme, Placebo-Einnahme) ein. Damit können sich Effekte von einer Phase in die andere Phase verschleppt haben. Diese Studien lassen also keine eindeutige Interpretation der Ergebnisse zu.

Hagebuttenpulver bei rheumatoider Arthritis

Für die Anwendung bei rheumatoider Arthritis konnten wir nur eine einzige Studie [2] mit einer zufälligen Zuteilung (Randomisierung) der Teilnehmerinnen und Teilnehmer finden. Mit nur knapp 90 Personen war diese Studie sehr klein.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten entweder täglich fünf Gramm Hagebuttenpulver oder ein Scheinmedikament. Nach sechs Monaten wurde gemessen, wie sich die Beschwerden verändert hatten. Das verwendete Messinstrument erfasste unter anderem die Schmerzen und die Einschränkungen durch die Gelenkserkrankung im Alltag.

Methodisch weist diese Studie einige Probleme auf: So ist etwa unklar, ob die Zuteilung auf die Gruppen tatsächlich zufällig war. Außerdem stiegen relativ viele Patientinnen und Patienten vorzeitig aus der Studie aus, was die Ergebnisse zusätzlich verzerrt haben kann.

Das Forschungsteam ermittelte zwar einen rechnerischen Nutzen von Hagebuttenpulver gegenüber dem Scheinmedikament. Allerdings war der Unterschied so klein, dass er für die Betroffenen vermutlich nicht spürbar war und daher wohl nicht relevant für den Alltag ist.

Kompliziert, aber wertlos

Ratlos lässt uns eine Studie [3] zurück, an der 100 Personen teilgenommen haben, die über Knieschmerzen klagten. Menschen mit definierten Gelenkserkrankungen, die eine ärztliche Behandlung benötigten, etwa mit einer rheumatoiden Arthritis, waren explizit ausgeschlossen.

Allerdings finden sich in der Publikation keine Angaben, unter welcher Erkrankung die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nun also litten. Ob die Ergebnisse der Studie auf die spezielle Situation unserer Leserinnen und Leser übertragbar sind, lässt sich deshalb nicht sagen.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen im Rahmen der Studie, aufgeteilt nach dem Zufallsprinzip, zwölf Wochen lang entweder täglich 2,25 Gramm Hagebuttenpulver oder ein Scheinmedikament ein.

Ob bzw. was das allerdings gebracht hat, lässt sich nicht eindeutig sagen: Das Forschungsteam hatte für die Auswertung die Patientinnen und Patienten mit Sensoren ausgestattet, um Bewegungen der Gelenke und Muskeln beim Gehen aufzuzeichnen. Die Signale der Sensoren wurden dann in einem komplizierten mathematischen Verfahren zu einem Modell zusammengefasst.

Die Autorinnen und Autoren geben selbst zu, dass sich daraus keine eindeutigen Schlussfolgerungen über die Beschwerden der Teilnehmenden ziehen lassen. Gleiches gilt auch für die Ergebnisse eines Fragebogens, den die Patientinnen und Patienten zusätzlich ausfüllen mussten.

Für uns ist das ein klarer Fall von unnützer Wissenschaft, die Ressourcen aller Art verschwendet, aber nichts zum medizinischen Erkenntnisgewinn beiträgt und auch deshalb ethisch fragwürdig ist.

[1] Cameron 2014
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit von randomisierten kontrollierten Studien
Eingeschlossene Studien: Für Hagebuttenpulver drei Studien mit insgesamt 306 Teilnehmerinnen und Teilnehmern
Fragestellung: Verringert Hagebuttenpulver die Symptome bei Arthrose stärker als Placebo?
Interessenskonflikte: Studien sind teilweise vom Hersteller des Hagebuttenpulvers gesponsert.

Cameron M u.a. Oral herbal therapies for treating osteoarthritis. Cochrane Database Syst Rev. 2014: CD002947
Zusammenfassung

[2] Willich 2010
Studientyp: Randomisierte kontrollierte Studie
Teilnehmerinnen und Teilnehmer: 89 Patientinnen und Patienten mit rheumatoider Arthritis
Fragestellung: Verringert Hagebuttenpulver die Beschwerden bei rheumatoider Arthritis stärker als Placebo?
Interessenskonflikte: Der Hersteller des Hagebuttenpulvers hat die Studie finanziell unterstützt.

Willich SN u.a. Rose hip herbal remedy in patients with rheumatoid arthritis – a randomised controlled trial. Phytomedicine. 2010;17:87-93. doi: 10.1016/j.phymed.2009.09.003.
Zusammenfassung

[3] Ginnerup 2015
Studientyp: Randomisierte kontrollierte Studie 100 Patientinnen und Patienten mit selbstberichteten Knieschmerzen
Fragestellung: Verbessert die Einnahme von Hagebuttenpulver im Vergleich zu Placebo die Beweglichkeit des Knies und Schmerzen?
Interessenskonflikte: Der Hersteller des Präparats hat die Studie finanziert.

Ginnerup-Nielsen E u.a. Improved gait in persons with knee related mobility limitations by a rosehip food supplement: A randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Gait Posture. 2015 Sep;42(3):340-7
Zusammenfassung

Weitere Quellen

[4] IQWIG (2014)
Arthrose (Zugriff 01.06.2018)

[5] IQWIG (2016)
Rheumatoide Arthritis (Zugriff 01.06.2018)

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