Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Chlorhexidin gegen Karies: Wirkung fraglich

Außer Zahnbürste und Zahncreme gibt es für die Zahnpflege viele weitere Produkte im Angebot, zum Beispiel Mittel mit Chlorhexidin. Schützen diese zusätzlich vor Karies?

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Kann Chlorhexidin in Form von Zahnlack bei Erwachsenen die Bildung von Karies verhindern?

Kann Chlorhexidin in Form von Mundspülungen und Gelen zur Heimanwendung bei Kindern und Erwachsenen sowie als Zahnlack bei Kindern die Bildung von Karies verhindern?

Eine große gut gemachte Studie mit Chlorhexidin-Zahnlack hat keinen Effekt finden können. Die Zusammenfassung von mehreren kleineren Studien mit Chlorhexidin-Lack deutet darauf hin, dass Chlorhexidin-Zahnlacke vielleicht einen statistischen Effekt, aber keine für die Anwenderinnen und Anwender merkliche Anti-Karies-Wirkung haben. Gut gemachte Studien zum Nutzen von Chlorhexidin-Zahngel und Chlorhexidin-Mundspülungen zur Kariesvorbeugung haben wir nicht gefunden. Für Kinder lassen sich keine sicheren Aussagen über den Nutzen von Chlorhexidin-Produkten zur Kariesvorbeugung treffen.

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© MIA Studio - shutterstock.com Mit Chlorhexidin Karies die Zähne zeigen?
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Mindestens zweimal täglich Zähne putzen – so empfehlen es Zahnärztinnen und Zahnärzte. Wer auf eine ordentliche Zahnpflege achtet, senkt sein Kariesrisiko deutlich.

Denn das Zähneputzen entfernt Zahnbeläge, die aus zuckerhaltigen Nahrungsresten entstehen. Im Speichel vorhandene Bakterien zersetzen diesen Zucker. Dabei produzieren sie Säuren, die den Zahnschmelz angreifen. So kommt es zu den gefürchteten Löchern („Karies“) in den Zähnen.

Gegen Bakterien

Neben Zahnbürste und Zahncreme werden noch viele andere Produkte angeboten, die die Zähne kariesfrei halten sollen. Dazu gehören Mundspülungen oder Zahngele mit Chlorhexidin, die man im Drogeriemarkt oder in der Apotheke kaufen kann. Den Wirkstoff gibt es auch als Lack, den Zahnärztinnen und Zahnärzte direkt auf die Zähne auftragen.

Theoretisch wirksam

Chlorhexidin wirkt gegen Entzündungen und hemmt das Wachstum von Bakterien. Es wirkt unter anderem gegen Streptococcus mutans, der als einer der Haupterreger der Karies gilt [5]. Damit erscheint es zumindest theoretisch möglich, dass die zusätzliche Verwendung von Chlorhexidin in verschiedenen Formen – neben dem Zähneputzen – das Kariesrisiko noch weiter senken könnte. Doch hat sich diese Vermutung auch in klinischen Studien erwiesen? Das wollte ein Leser von uns wissen.

Chlorhexidin-Lack schützt wohl nicht

Diese Fragestellung ist tatsächlich in einigen Studien untersucht worden. Allerdings scheint Chlorhexidin bei Erwachsenen entweder gar nicht oder nur in einem sehr geringen Maß vor Karies zu schützen. Darauf deuten zumindest die Zusammenfassung mehrere kleiner Studien und eine größere Studien hin [1,2].

In allen diesen Studien wurde der Nutzen von Chlorhexidin-Lacken, die nur bei Profis in einer ärztlichen Ordination zum Einsatz kommen, untersucht. Zu anderen Produkten für die Heimanwendung wie Chlorhexidin-Mundspülungen und Chlorhexidin-Gele haben wir keine Studien gefunden. Dazu können wir also keine Einschätzung geben.

Nicht genug Daten für Kinder

Für die Anwendung von Chlorhexidin-Produkten bei Kindern ist die Datenlage noch schlechter als bei Erwachsenen. Zwar konnten die Autorinnen und Autoren von zwei Übersichtsarbeiten [3,4] mehrere Studien identifizieren, bei denen Chlorhexidin-Gel und -Lack zur Kariesvermeidung erforscht wurden.

Die Studien sind aber durchweg von schlechter Qualität und haben den Behandlungseffekt auf sehr unterschiedliche Weise gemessen. Teilweise kommen die Studien auch zu widersprüchlichen Ergebnissen. Deshalb können wir zum Nutzen von Chlorhexidin bei Kindern keine sichere Aussage treffen. Hier braucht es eindeutig mehr und bessere Studien.

Verfärbungen und Geschmacksstörungen

Das gilt auch im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen: So werden unerwünschte Wirkungen in den von uns durchgearbeiteten Studien nur selten thematisiert. Bekannt sind einige vorübergehende Nebenwirkungen, etwa eine Verfärbung der Zähne und der Zunge, Geschmacksstörungen sowie Abschuppen und Entzündungen der Mundschleimhaut. Diese traten in den Studien, die sich mit Nebenwirkungen beschäftigten, jedoch nicht auf Auch gab es keinen Fall der seltenen, aber möglicherweise gefährlichen allergischen Reaktionen auf Chlorhexidin [3].

Karies – ein Allerweltsproblem

Karies ist ein Gesundheitsproblem, das viele Kinder und Erwachsene betrifft. So sollen in Österreich praktisch jeder Erwachsene und jedes dritte Kind unter Karies leiden [6]. Allerdings haben sich in den letzten Jahren positive Trends zu einer besseren Zahnpflege und weniger Karies gezeigt [7].

Außer Chlorhexidin gibt es noch weitere Substanzen, die als Wirkstoffe in Zahncreme, Gelen, Mundspülungen und anderen Produkten gegen Karies enthalten sind. Während der Anti-Karies-Nutzen von Fluorid ziemlich gut belegt ist, sind für Xylit und Hydroxylapatit noch viele Fragen offen. Zu diesen Wirkstoffen haben wir bereits berichtet, siehe:

Die Studien im Detail

Die Studien, die wir bei unserer Literaturrecherche gefunden haben, beschäftigten sich mit dem Nutzen von Chlorhexidin entweder bei Erwachsenen oder bei Kindern.

Für den Nutzen bei Erwachsenen sind wir auf eine systematische Übersichtsarbeit mit sechs Studien und insgesamt rund 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern [1] und eine neuere Studie [2] mit knapp 1000 Patientinnen und Patienten gestoßen. Sie wurden bei allen diesen Studien nach dem Zufallsprinzip („Randomisierung“) auf verschiedene Gruppen aufgeteilt. Nur in einigen Studien wussten weder Studienteilnehmerinnen und -Teilnehmer noch die untersuchenden Ärztinnen und Ärzte über die Gruppenaufteilung Bescheid; das heißt, die Studien waren nicht immer verblindet.

Die Probandinnen und Probanden aus der „Kontrollgruppe“ bekamen entweder einen Fluorid-Lack, einen Lack ohne Wirkstoff oder gar keine Behandlung. In der „echten“ Behandlungsgruppe trugen die Zahnärztinnen und Zahnärzte einen Chlorhexidin-Lack auf.

Allerdings gab es deutliche Unterschiede bei den eingesetzten Konzentrationen der Chlorhexidin-Lacke – die lagen zwischen 1 und 40 %. Auch wurden die Lacke unterschiedlich häufig aufgetragen. In einigen Studien erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein- bis zweimal pro Woche den Lack. In anderen Studien war dies nach der ersten Auftragung erst wieder nach drei oder sechs Monaten der Fall.

In der Zusammenfassung mehrerer Studien [1] werteten die Forscherinnen und Forscher nur die Auswirkungen auf Wurzelkaries aus: Sie zeigte keinen oder nur einen sehr kleinen schützenden Effekt von Chlorhexidin. Die Einzelstudie [2] betrachtete alle Arten von Karies und schloss auf gar keinen Anti-Karies-Nutzen. Da alle gefundenen Studien zumindest von mittlerer Qualität sind, schätzen wir die Ergebnisse als doch relativ vertrauenswürdig ein.

Bei Kindern und Jugendlichen ist die Datenlage noch etwas komplexer. Zum Nutzen von Chlorhexidin bei diesen Altersgruppen haben wir zwei systematische Übersichtsarbeiten finden können, die sich in ihrer Fragestellung geringfügig unterscheiden.

Eine Übersichtsarbeit [4] beschäftigte sich nur mit der Vermeidung von Milchzahnkaries und fasste sieben Studien mit rund 2700 Kindern zusammen. Die zweite Übersichtsarbeit [3] konzentrierte sich auf Kinder und Jugendliche und bezog dabei sowohl Milchzähne als auch die bleibenden Zähne ein. Eingeschlossen wurden acht Studien mit rund 2800 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Da einige der Studien in beiden Übersichtsarbeiten vorkommen, beruhen die Ergebnisse insgesamt auf zehn verschiedenen Studien mit insgesamt rund 4500 Teilnehmern.

Die Untersuchungen testeten den Effekt von Chlorhexidin-Lack in verschiedenen Konzentrationen oder Chlorhexidin-Gel. Dabei wurden die Patientinnen und Patienten nach dem Zufallsprinzip auf die Behandlungs- oder Kontrollgruppen verteilt. Die Kontrollgruppen erhielten je nach Studie entweder ein Scheinmedikament oder gar keine Therapie. In einigen Studien wussten Probandinnen und Probanden sowie das Forschungsteam, wer zur Behandlungs- bzw. Kontrollgruppe gehörte. Die Behandlungen dauerten in den einzelnen Studien zwischen sechs Monaten und drei Jahren.

Die Autorenteams beider Übersichtsarbeiten zum Chlorhexidin-Nutzen bei Kindern und Jugendlichen waren sich einig: Sie stuften die eingeschlossenen Studien wegen methodischer Mängel als wenig vertrauenswürdig ein – bessere gibt es aber offensichtlich nicht. Deshalb lässt sich der Effekt von Chlorhexidin-Präparaten bei Kindern aus unserer Sicht auch nicht einordnen; wir haben schlicht zu wenig fundiertes Wissen.

[1] Slot u.a. (2011)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 6 randomisierte kontrollierte Studien
Teilnehmende insgesamt: 546 Frauen und Männer
Fragestellung: Senkt Chlorhexidin-Lack bei erwachsenen PatientInnen mit Zahnfleischschwund das Risiko für Wurzelkaries?
Interessenskonflikte: keine nach Angaben des AutorInnenteams

Slot DE et al. The effect of chlorhexidine varnish on root caries: a systematic review. Caries Res. 2011;45(2):162-73. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[2] Symington u.a. (2014) / Papas u.a. (2012)
Anmerkung: Beide Publikationen berichten über die gleiche Studie, werten aber die Daten jeweils unterschiedlich aus.

Studientyp: randomisierte kontrollierte Studie
Teilnehmende insgesamt: 983 Erwachsene
Fragestellung: Beugt eine Behandlung mit 10%-Chlorhexidin-Lack der Entstehung von Karies vor?
Interessenskonflikte: Die Studie wurde vom Hersteller des Chlorhexidin-Lacks teilweise finanziert (Symington 2014 und Papas 2012); zwei Autoren haben nicht näher ausgeführte finanzielle Verbindungen mit dem Hersteller (nur Symington 2014)

Symington JM et al. Efficacy of a 10% chlorhexidine coating to prevent caries in at-risk community-dwelling adults. Acta Odontol Scand. 2014 Oct;72(7):497-501. (Zusammenfassung der Studie)

Papas AS et al.Efficacy of chlorhexidine varnish for the prevention of adult caries: a randomized trial. J Dent Res. 2012 Feb;91(2):150-5. (Studie in voller Länge)

[3] Walsh 2015
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit von randomisierten kontrollierten Studien
Eingeschlossene Studien: 8 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 2876 TeilnehmerInnen
Fragestellung: Verringern Produkte mit Chlorhexidin das Risiko für Karies bei Kindern und Jugendlichen?
Interessenkonflikte: Keine nach Angaben des AutorInnenteams

Walsh T, Oliveira-Neto JM, Moore D. Chlorhexidine treatment for the prevention of dental caries in children and adolescents. Cochrane Database Syst Rev. 2015 Apr 13;(4):CD008457. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[4] Wang 2017
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit von randomisierten kontrollierten Studien
Eingeschlossene Studien: 14 Studien insgesamt, darunter 7 Studien mit insgesamt rund 2700 Teilnehmern zu Chlorhexidin
Fragestellung: Welche kariesreduzierende Wirkung haben verschiedene nicht-fluoridhaltige Behandlungsmethoden bei Milchzähnen?
Interessenkonflikte: keine nach Angaben des AutorInnenteams

Wang Y, Li J, Sun W, Li H, Cannon RD, Mei L. Effect of non-fluoride agents on the prevention of dental caries in primary dentition: A systematic review. PLoS One. 2017 Aug 7;12(8):e0182221. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[5] IQWiG (2017)
Karies. https://www.gesundheitsinformation.de/karies.2588.de.html (Zugriff am 19.02.2018)

[6] Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs (2017)
Karies: Was ist das? https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/zaehne/zahnkrankheiten/karies-was-ist-das (Zugriff am 19.02.2018)

[7] Institut der deutschen Zahnärzte (2016)
Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) – Kurzfassung. http://www.kzbv.de/dms-v.8.de.html (Zugriff am 19.02.2018)

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