Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Schnuller ablecken: Schutz vor Allergien?

Stärkt es die Immunabwehr des Babys, wenn Eltern einen zu Boden gefallenen Schnuller ablecken, bevor sie ihn dem Kind wieder in den Mund stecken?

Schützt das Ablecken des Schnullers durch die Eltern die Kinder vor allergischen Erkrankungen?

Zu dieser Fragestellung gibt es nur eine Studie. Deren Ergebnisse sind allerdings nicht aussagekräftig.

so arbeiten wir
© ulza - fotolia.com Schnuller-Ablecken gut fürs Kind?
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Es gibt die Theorie, dass Kinder seltener an Allergien erkranken, wenn ihre Eltern einen dreckigen Schnuller ablecken, bevor sie ihn dem Baby wieder in den Mund stecken. Angeblich wird der Effekt durch die Bakterien aus dem Speichel der Eltern erzeugt, die so in den Mund der Kleinkinder gelangen. Ist da was dran?

Schnuller ablecken: gesund durch Bakterien?

Lecken Eltern den Schnuller ihres Kindes ab, verändern die Bakterien aus dem elterlichen Speichel die Mundflora des Kleinkinds. Die einzige Studie, die sich mit dem Thema befasst hat, stammt aus Schweden. Die Forscherinnen und Forscher zeigen darin, dass im Mund dieser Kinder andere Bakterien leben als im Mund von Kindern, deren Eltern den Schnuller nicht in den Mund nehmen [1].

Die Forschungsgruppe fand außerdem ein geringeres Risiko für Asthma und Ekzeme bei diesen Kindern – zwei Erkrankungen, die in vielen Fällen mit Allergien in Zusammenhang stehen.

An der Studie hatten allerdings nur sehr wenige Eltern mit ihren Kindern teilgenommen. Damit hat die Arbeit nur geringe Aussagekraft.

Ein weiteres großes Problem ist, dass die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen andere Einflussfaktoren für Allergien wie Rauchen oder Stillen nicht ausreichend beachtet haben. Anhand dieser Studie kann die Frage deshalb nicht beantwortet werden.

Gilt für Schnuller die Hygienehypothese?

Bakterien und andere Kleinstlebewesen sind nicht nur Auslöser von Krankheiten, sondern spielen auch beim Aufbau und der Reaktion des Immunsystems eine große Rolle. In den letzten Jahrzehnten haben Allergien stark zugenommen, wofür verschiedene Erklärungen diskutiert werden. Eine davon ist die „Hygienehypothese“: Demnach wachsen Kinder, die später eine Allergie entwickeln, zu sauber auf, kommen zu wenig mit Kleinstlebewesen in Kontakt und können daher ihr Immunsystem nicht ausreichend ausbilden [1].

Im Sinne dieser Hypothese hätten die Mikroben aus dem Speichel der Eltern bei den Kindern ein Art „abhärtenden“ und damit schützenden Effekt. Allerdings ist das Zusammenwirken der Kleinstlebewesen mit unserem Körper noch lange nicht ausreichend erforscht, um beantworten zu können, welche Effekte elterliche Mund-Bakterien bei den Kindern haben könnten oder was genau nun eine gesunde Besiedelung des Körpers durch Bakterien ist.

Was der Schnuller sonst noch macht

In Zusammenhang mit Schnullern gibt es noch einige weitere gesundheitliche Fragestellungen, die nicht abschließend geklärt sind. –So gelten Schnuller zum Beispiel als Risikofaktor für eine Mittelohrentzündung [2, 3].

Umgekehrt gibt es deutliche Hinweise darauf, dass das Nuckeln am Schnuller die Gefahr für den plötzlichen Kindstod verringern könnte – auch wenn nicht geklärt ist, wie der Schnuller das macht [4].

[Die ursprüngliche Version des Artikels erschien am 21. Oktober 2013. Eine neuerliche Literatursuche brachte keine neuen Studien. Eine nochmalige Überprüfung der hier präsentierten Arbeit führte zu einer Änderung unserer Einschätzung.]

Die Studien im Detail

In der einzigen Studie zum Thema beobachtete eine schwedische Forschungsgruppe die Allergieentwicklung von 184 Säuglingen [1]. Mit vier Monaten wurden Speichelproben der Kinder genommen, mit sechs Monaten wurden die Eltern über die Verwendung von Schnullern befragt. Die Eltern von 65 Kindern gaben an, die Schnuller selbst abzulecken.

Mit eineinhalb und mit drei Jahren untersuchten die Wissenschaftler die Kinder auf Zeichen von Allergien wie Neurodermitis, Asthma oder andere allergische Reaktionen. Dabei zeigte sich, dass weniger von jenen Kindern Allergien entwickelt hatten, deren Eltern die Schnuller selbst im Mund hatten, bevor sie sie den Kleinen wieder zurückgaben.

Allerdings ist die Zahl der Kinder zu gering, um einen solchen Schluss ziehen zu können. Noch schwerer wiegt, dass die Forscher und Forscherinnen wichtige andere Risikofaktoren für Allergien nicht aus den Daten herausgerechnet haben. Dazu gehört zum Beispiel das Rauchen, das Stillen, eine elterliche Veranlagung für Allergien oder Ernährung. Damit sind die Ergebnisse der Studie nicht aussagekräftig.

[1] Hesselmar u.a. (2013)
Studientyp: Kohortenstudie
Teilnehmende: 184 Säuglinge, von denen die Eltern von 65 Kindern den Schnuller abgeleckt haben
Fragestellung: Wirkt sich die Art der Schnullerreinigung auf das Allergierisiko der Kinder aus?
Interessenkonflikte: keine angegeben

Pacifier cleaning practices and risk of allergy development. Pediatrics. 2013 Jun;131(6):e1829-37 (Zusammenfassung der Studie)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[2] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) (2016)
Mittelohrentzündung. Abgerufen am 28.6.2017 unter https://www.gesundheitsinformation.de/mittelohrentzuendung.2233.de.html

[3] UpToDate (2016)
Jerome O Klein et al.: Acute otitis media in children: Epidemiology, microbiology, clinical manifestations, and complications. Abgerufen am 28.6.2017 unter https://www.uptodate.com/contents/acute-otitis-media-in-children-epidemiology-microbiology-clinical-manifestations-and-complications

[4] UpToDate (2017)
Michael J Corwin u.a.: Sudden infant death syndrome: Risk factors and risk reduction strategies. Abgerufen am 28.6.2017 unter https://www.uptodate.com/contents/sudden-infant-death-syndrome-risk-factors-and-risk-reduction-strategies

Die ursprüngliche Version des Artikels erschien am 21. Oktober 2013. Eine neuerliche Literatursuche brachte keine neuen Studien. Eine nochmalige Überprüfung der hier präsentierten Arbeit führte zu einer Änderung unserer Einschätzung.

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