Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Reizblase: Kürbiskerne gegen Harndrang?

Kürbiskern-Präparate werden als natürliches Mittel gegen Reizblase und Inkontinenz beworben – sowohl für Frauen als auch Männer. Ob sie helfen, ist jedoch fraglich.

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Können Kürbiskerne oder Präparate daraus Frauen und Männern mit Reizblase, Blasenschwäche oder Inkontinenz helfen?

Ob Kürbiskerne helfen können, ist bisher nicht ausreichend erforscht.

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© vchalup - fotolia.com Reizblase: wenn der Drang zum Klogehen überhand nimmt
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Der letzte Gang zur Toilette ist noch gar nicht lange her, doch es passiert schon wieder: plötzlich meldet sich die Blase und signalisiert das unaufschiebbare Bedürfnis, rasch entleert zu werden. Personen, mit einer Reizblase – auch überaktive Blase genannt – kennen das nur zu gut.

Viele Betroffene belastet jedoch nicht nur der häufige Drang zum Wasserlassen, sie tun sich auch schwer damit, ihre Blase zu kontrollieren. Manchmal schaffen sie es nicht mehr rechtzeitig auf die Toilette und verlieren ohne zu wollen ein wenig Urin. Fachleute bezeichnen das als Inkontinenz. Diese ist vor allem in Gesellschaft äußerst unangenehm. Auch nachts reißt der starke Drang Betroffene mit einer solch überaktiven Blase oftmals aus dem Schlaf.

Kürbiskerne bei Reizblase und Inkontinenz fragwürdig

Als pflanzliches Mittel bei Beschwerden durch eine Reizblase oder Inkontinenz werden seit geraumer Zeit Mittel aus Kürbiskernen beworben. Dass Kürbiskerne ein wirksames Mittel dagegen sind, haben Studien bislang nicht belegen können.

Bei einer umfangreichen Suche fanden wir nur eine klinische Studie, die an Betroffenen durchgeführt wurde. Darin nahmen 120 Frauen teil, die an einer Reizblase litten. Die Studie untersuchte allerdings nicht nur Kürbiskerne, sondern eine Kombination von Kürbiskern-Extrakt und einem Extrakt aus Soja-Keimlingen [1].

Die Ergebnisse zeigen, dass sich wesentliche Beschwerden der Teilnehmerinnen wie etwa Inkontinenz nach zwölf Wochen Behandlung nicht verbessert haben. Ob Kürbiskerne tatsächlich bei Reizblase und Inkontinenz helfen können, ist somit fraglich. Es bleibt auch unklar, wie ein reines Kürbiskern-Mittel wirken würde. Zudem ist nicht bekannt, ob sich die Probleme längerfristig lindern lassen – dafür war die Studiendauer zu kurz. Klarheit müssen weitere, gut gemachte Studien bringen. Immerhin scheint es in der bisherigen Studie keine Hinweise auf ernsthafte Nebenwirkungen zu geben.

Kürbiskerne für Männer

Auch Männer können an einer Reizblase und Inkontinenz leiden. Häufig liegt die Ursache dafür in einer gutartig vergrößerten Prostata. Diese kommt bei Männern mit zunehmendem Alter öfter vor und ist nicht gefährlich.

Bisherige Studien zeigen, dass Kürbiskerne Blasenbeschwerden wahrscheinlich nicht bessern kann, wenn sie durch eine gutartige Prostatavergrößerung bedingt sind, siehe: Kürbiskerne nutzlos für die Prostata In einem weiteren Beitrag haben wir uns andere pflanzliche Mittel bei Prostatabeschwerden angesehen.

Was bei Blasenschwäche helfen kann

Bei Problemen durch eine Reizblase kann vor allem ein Blasentraining helfen, den starken Drang zu kontrollieren. Dadurch kann die Blase lernen, sich stärker zu dehnen und mehr Harn zu speichern. Wie das funktioniert, beschreibt die Seite Gesundheitsinformation.de [2] des unabhängigen IQWIG-Instituts in Deutschland.

Ein Beckenboden-Training stärkt die Muskeln, die den Austritt von Urin aus der Blase kontrollieren. Vor allem bei Stressinkontinenz, aber auch bei Dranginkontinenz kann ein solches Training helfen [5], siehe auch. Tipps für ein solches Beckenboden-Training gibt die Seite Gesundheitsinformation.de [3].

Bei Frauen sind Blasentraining und Beckenbodentraining nachgewiesenermaßen wirksame Hilfen gegen Blasenprobleme. Bei Männern ist die Wirksamkeit zwar nicht gut untersucht, Fachleute vermuten jedoch, dass die Übungen auch ihnen helfen können [6]. Weiters empfehlen sie übergewichtigen Betroffenen abzunehmen und darauf zu achten, was und wieviel sie trinken und essen [5,6].

Vielfältige Gründe und Behandlungen

Frauen leiden deutlich häufiger an einer Reizblase als Männer. Fachleute gehen davon aus, dass die Hauptursache für eine Reizblase in den Muskeln liegt, die die Harnblase umgeben. Sie scheinen übermäßig aktiv zu sein und sich zu oft zusammenzuziehen. Warum das passiert, ist nicht ausreichend erforscht [4].

Wenn bei Betroffenen mit einer Reizblase der Drang so groß ist, dass sie unabsichtlich Urin verlieren, bezeichnen Mediziner und Fachärztinnen das als Drang-Inkontinenz. Bei manchen Menschen kommt es auch vor, dass ihnen beim Niesen, Husten oder Lachen etwas Harn entkommt. Der Fachausdruck dafür heißt Stressinkontinenz. Ursache dafür ist meist ein schwacher Harnblasenverschluss.

Es gibt jedoch viele verschiedene Gründe für Inkontinenz, entsprechend vielfältig sind die Behandlungsmöglichkeiten. Häufiger betroffen sind beispielsweise Frauen in der Menopause, übergewichtige Menschen oder Männer mit gutartiger Prostatavergrößerung oder nach einer Prostataoperation.

Manche Medikamente können Beschwerden durch eine überaktive Blase lindern, sie haben jedoch oft Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit oder Konzentrationsschwierigkeiten [5,6]. Experten des IQWIG haben auf Gesundheitsinformation.de ein 2012 neu zugelassenes Medikament mit älteren Mitteln verglichen und bewertet [4]. Medizin-Transparent.at hat bereits früher die Wirksamkeit von Botox-Spritzen in die überaktive Blasenmuskulatur bewertet. Wenn andere Maßnahmen nicht helfen, können auch Operationen die Beschwerden bessern – sie haben jedoch ebenfalls Risiken und Nebenwirkungen [5,6].

Die Studien im Detail

Zum Thema Kürbiskerne bei Blasenschwäche oder Reizblase konnten wir in unserer Literatursuche nur eine einzige randomisiert-kontrollierte Studie finden [1]. Darin wurde aber kein reines Kürbiskern-Präparat untersucht, sondern ein Kombinationsmittel aus Kürbiskern- und Sojakeim-Extrakt.

Insgesamt nahmen 120 Frauen im Alter zwischen 35 und 70 Jahren an der Studie teil. Alle Teilnehmerinnen litten an einer Reizblase und mussten zwölf Wochen lang entweder das Kombinationspräparat oder ein gleich aussehendes Placebo einnehmen.

Die zwölfwöchige Behandlung schien den Drang, auf die Toilette gehen zu müssen, etwas zu verringern. Allerdings gaben die Teilnehmerinnen an, dass sich ihre Beschwerden nicht gebessert hatten, und auch die Anzahl der Inkontinenz-Vorfälle hatte sich nicht verringert.

Die Forscher haben jedoch nicht alle untersuchten Frauen in die Auswertung miteinbezogen. Weiters wurde die Studie durch den Hersteller des untersuchten Nahrungsergänzungsmittel-Präparats finanziert. Die Ergebnisse sind daher nicht sehr aussagekräftig..

Möglich wäre, dass die Studiendauer von zwölf Wochen zu kurz war, um einen deutlichen Erfolg der Behandlung zu bemerken. Hier können nur zukünftige Studien an mehr Teilnehmerinnen (und bevorzugt auch männlichen Teilnehmern) und über einen längeren Zeitraum zeigen, ob Kürbiskern-Präparate helfen können.

[1] Shim u.a. (2014)
Studienart: randomisiert-kontrollierte Studie
Teilnehmer: 120 Frauen zwischen 35 und 70 mit Reizblase (überaktiver Blase)
Studiendauer: 12 Wochen
Fragestellung: Verbessert eine Kombination aus Kürbiskern- und Sojakeim-Extrakt Beschwerden durch eine Reizblase?
Interessenskonflikte: finanziert durch Frutarom Switzerland Ltd. (dem Hersteller des untersuchten Nahrungsergänzungsmittel-Präparats)

Bongseok Shim et al. A randomized double-blind placebo-controlled clinical trial of a product containing pumpkin seed extract and soy germ extract to improve overactive bladder-related voiding dysfunction and quality of life. Journal of Functional Foods 8 (2014), S. 111-117. (Zusammenfassung der Studie)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[2] Gesundheitsinformation.de (2016)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (2016). Wie funktioniert ein Blasentraining? Abgerufen am 24. 1. 2017 unter www.gesundheitsinformation.de/blasentraining.2289.de.html

[3] Gesundheitsinformation.de (2016)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (2016). Wie funktioniert ein Beckenbodentraining? Abgerufen am 24. 1. 2016 unter www.gesundheitsinformation.de/beckenbodentraining.2288.de.html

[4] Gesundheitsinformation.de (2014)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (2014). Mirabegron (Betmiga) bei überaktiver Blase. Abgerufen am 23. 1. 2017 unter www.Gesundheitsinformation.de www.gesundheitsinformation.de/mirabegron-betmiga-bei-ueberaktiver-blase.2766.de.html

[5] UpToDate (2017)
Lukacz ES (2017) Treatment of urinary incontinence in women. In Eckler K (ed.). UpToDate. Abgerufen am 23. 1. 2017 unter www.uptodate.com/contents/treatment-of-urinary-incontinence-in-women

[6] UpToDate (2016)
Clemens JQ (2016) Urinary incontinence in men. In Chen W (ed.). UpToDate. Abgerufen am 23. 1. 2017 unter www.uptodate.com/contents/urinary-incontinence-in-men

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