Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Pflanzenpräparate gegen Prostatavergrößerung?

Wäre doch nur ein Kräutlein gegen sie gewachsen – die gutartige Prostatavergrößerung. Ob und wie gut pflanzliche Mittel aus Wurzeln, Blättern, Samen und Früchten wirken, ist jedoch meistens ungeklärt.

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Helfen Sägepalmen-Präparate bei einer gutartigen Prostatavergrößerung?

Helfen Pflanzenextrakte vom Afrikanischen Pflaumenbaum, Beta-Sitosterin oder Weidelgras-Pollenextrakt (Cernilton) bei einer gutartigen Prostatavergrößerung?

Viele Männer mit einer gutartigen Prostatavergrößerung greifen zu pflanzlichen Mitteln. Aktuelle Beweise für eine verlässliche und langfristige Wirksamkeit fehlen jedoch im Allgemeinen, und die meisten Mittel sind nicht gut untersucht. Es ist deshalb auch nicht möglich, alle Produkte über einen Kamm zu scheren. Präparate mit dem Pflanzeninhaltsstoff Beta-Sitosterin, Extrakte des Afrikanischen Pflaumenbaums oder Weidelgras-Pollenextrakt könnten möglicherweise zu einer gewissen Verbesserung führen – allerdings beruht diese vorsichtige Annahme auf veralteten Daten.
Aktuell ist jedoch diese Erkenntnis: Mittel mit Sägepalme wirken nicht besser als Scheinmedikamente und gelten somit als unwirksam.

so arbeiten wir
© Markus Bormann - fotolia.com Trifft irgendwann fast jedermann: Prostatavergrößerung
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Oh Mannomann. Früher oder später trifft es die meisten. Bei acht von zehn Männern über 80 ist die Prostata gutartig vergrößert. Zwischen 50 und 60 ist jeder Fünfte betroffen. [8] [10]

Lästig, aber meistens harmlos

Das Wachstum der normalerweise nur walnussgroßen Prostata, auch Vorsteherdrüse genannt, verläuft meistens langsam und ist ungefährlich. Die ‚benigne Prostatahyperplasie’ kann jedoch Symptome hervorrufen, die von manchen Betroffenen als ziemlich belastend und einschränkend empfunden werden. [8]

Dazu gehören nächtlicher Harndrang, ein schwacher Harnstrahl oder das Gefühl, die Blase nicht richtig entleeren zu können. Nur in seltenen Fällen kommt es zu einer kompletten Blockade der Harnröhre: Diese ‚akute Harnverhaltung’ ist ein medizinischer Notfall und muss sofort behandelt werden. [9]

Welchen Weg einschlagen?

Viel häufiger jedoch verläuft die Prostatavergrößerung recht gemächlich. Es stehen unterschiedliche Behandlungsmethoden zur Verfügung, dazu zählen Medikamente oder Operationen zur Prostataverkleinerung. Auch ein Beckenbodentraining oder gewisse Verhaltensänderungen können Erleichterung bringen, sodass sich die Betroffenen gut mit der Erkrankung arrangieren können. Manchmal beschließen Arzt und Patient, erst einmal abzuwarten (‚wait-and-see’). [8] [10]

Im Laufe ihrer Erkrankung werden viele Männer auf diverse rezeptfreie pflanzliche Produkte aufmerksam. Sie enthalten Stoffe aus Früchten, Pollen, Samen, Blättern oder Wurzeln. Angeboten werden sie in Apotheken, Drogeriemärkten und Internetshops. In den Mitteln sind eine oder mehrere Pflanzenarten verarbeitet, und sie sollen – so die Hoffnung der Patienten – helfen, das Prostatawachstum auf ‚natürliche’ Weise zu drosseln und die Beschwerden günstig zu beeinflussen. [5]

Frustrierend: meistens fehlen Beweise

Auch wenn in der wissenschaftlichen Literatur einige Pflanzen als vielversprechende Kandidaten gehandelt wurden oder werden: Leider kann bis jetzt fast keines dieser Mittel mit aktuellen, stichhaltigen Belegen für eine gute und langfristige Wirksamkeit aufwarten. [4] [7] Eine gut untermauerte Aussage lässt sich eigentlich nur für Sägepalmen-Präparate treffen: Eine 2012 veröffentlichte Datenauswertung zeigt, dass diese Mittel nicht besser greifen als Placebos und somit unwirksam sind. [1]. Kürbiskern-Präparate haben wir bereits in einem anderen Beitrag untersucht. Auch für sie ist es wenig wahrscheinlich, dass sie Prostata-Beschwerden lindern können.

Es könnte allerdings sinnvoll sein, gewisse Hinweise auf Symptom-verbessernde Pflanzen weiter zu verfolgen und mit neuen Untersuchungen abzugleichen – zumindest in älteren Studien wurden Extrakte des Afrikanischen Pflaumenbaums, Weidelgras-Pollen sowie der Pflanzeninhaltsstoff Beta-Sitosterin als sicher und möglicherweise wirksam eingestuft. [2] [3] [7] [11]

Einer der klassischen Gründe, warum es in punkto Beweislage bis jetzt so dürftig und widersprüchlich aussieht: Für diese pflanzlichen Präparate gelten nicht dieselben strengen Standards wie für Medikamente; dies erschwert systematische Tests. Auch wenn in zwei Mitteln dieselbe Pflanze steckt, kann es große Unterschiede hinsichtlich Konzentration, Herstellungsmethode oder Anbau geben. Dies macht es schwierig bis unmöglich, verschiedene Produkte miteinander zu vergleichen und Effekte verlässlich zu erkennen. [4] [9]

Beliebt, aber ohne Basis

Das ist ziemlich frustrierend, wenn man bedenkt, dass viele Männer sich im Laufe ihres Lebens mit einer Prostatavergrößerung auseinandersetzen müssen. Jeder vierte Betroffene greift zu den pflanzlichen Mitteln – wohl mit der Zuversicht, dass diese eine sinnvolle Unterstützung bieten können. Vertrauenserweckend könnte auch der Umstand sein, dass einige dieser Mittel eine lange Tradition in der Volksmedizin haben. [5] [6] [10]

Ohne bessere Untersuchungen, zum Beispiel mit vielen Teilnehmern, langer Laufzeit und standardisierten Präparaten, fehlen noch viele Antworten. Interessant ist nicht nur die Frage ob bzw. welche Pflanzenpräparate die Beschwerden bei einer Prostatavergrößerung lindern können. Ebenfalls wesentlich: Sind die Präparate in der Lage, langfristig das Fortschreiten der Krankheit günstig zu beeinflussen und das Auftreten von Komplikationen zu reduzieren? Außerdem werden mehr Informationen zu Sicherheit und Nebenwirkungen, gerade bei einer Langzeiteinnahme, benötigt.

Die Studien im Detail

Über die Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) bei gutartiger Prostatavergrößerung gibt es zwar viele, aber nur wenige gut gemachte Studien. Eine positive Ausnahme ist eine Übersichtsarbeit der Cochrane Collaboration mit 5666 Teilnehmern [1]. [1] In der 2012 aktualisierten Arbeit wurde die Wirksamkeit von Sägepalmen-Mitteln analysiert. Die weit verbreiteten und lange Zeit auch als vielversprechend eingeordneten Präparate sind leider nicht wirksamer als Placebo-Medikamente.

In einem gewissen Widerspruch dazu steht eine andere Übersichtsarbeit der Cochrane Collaboration [2]. Sie schließt allerdings nur Untersuchungen bis 1999 und die Daten von 519 Männern ein. Demnach gibt es Hinweise auf eine Symptomverbesserung durch Beta-Sitosterin. Dieser Pflanzeninhaltsstoff kommt auch in der Sägepalme vor.

Noch ein weiterer Cochrane Review [3] scheint erwähnenswert. Allerdings ist auch hier die Literatur nur bis 1997 berücksichtigt. Deswegen ist das Fazit aus den Daten von 1562 Teilnehmern ebenfalls mit einiger Vorsicht zu genießen: Möglicherweise können Extrakte vom afrikanischen Pflaumenbaum für eine gewisse Symptomlinderung sorgen.

Die Wirksamkeit des Pollenextrakts von Weidelgras (Cernilton) untersuchte eine Cochrane-Übersichtsarbeit aus dem Jahr 1998 [11]. In den darin zusammengefassten Studienergebnissen fanden die Autoren Hinweise darauf, dass Cernilton manche, aber nicht alle Beschwerden beim Harnlassen verbessern könnte. Da die Arbeit veraltet ist und nie aktualisiert worden war, wurde sie mittlerweile zurückgezogen.

[1] Tacklind u.a. (2012)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit der Cochrane Collaboration
Fragestellung: Wirken Sägepalmen-Präparate bei gutartiger
Prostatavergrößerung?
Eingeschlossene Studien: 32 randomisiert-kontrollierte Studien
Studienteilnehmer: 5.666 Männer
Mögliche Interessenskonflikte: keine

Tacklind J, MacDonald R, Rutks I, Stanke JU, Wilt TJ. Serenoa repens for benign prostatic hyperplasia. Cochrane Database of Systematic Reviews 2012, Issue 12. Art. No.: CD001423. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[2] Wilt u.a. (2000)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit der Cochrane Collaboration
Eingeschlossene Studien: 4 randomisiert-kontrollierte Studien
Studienteilnehmer: 519 Männer
Fragestellung: Wirken Beta-Sitosterine aus Pflanzen bei gutartiger Prostatavergrößerung?
Mögliche Interessenskonflikte: keine

Wilt TJ, Ishani A, MacDonald R, Stark G, Mulrow CD, Lau J. Beta-sitosterols for benign prostatic hyperplasia. Cochrane Database of Systematic Reviews 1999, Issue 3. Art. No.: CD001043. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[3] Wilt u.a. (2002)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit der Cochrane Collaboration
Fragestellung: Wirken Produkte des afrikanischen Pflaumenbaums bei gutartiger Prostatavergrößerung?
Eingeschlossene Studien: 18 RCTs
Studienteilnehmer: 1562 Männer
Mögliche Interessenskonflikte: keine

Wilt TJ, Ishani A. Pygeum africanum for benign prostatic hyperplasia. Cochrane Database of Systematic Reviews 1998, Issue 1. Art. No.: CD001044. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[4] Allkanjari u.a. (2013)
Studientyp: Übersichtsarbeit
Fragestellung: Was wissen wir (nicht) über die Wirksamkeit und Sicherheit von Phytotherapie bei benigner Prostatahyperplasie?
Mögliche Interessenskonflikte: keine laut Autorenangaben

Allkanjari O, Vitalone A. What do we know about phytotherapy of benign prostatic hyperplasia? Life Sci. 2015 Apr 1;126:42-56. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[5] Ilic u.a. (2012)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit
Fragestellung: Wirkt Lycopin bei Prostatavergrößerung und Prostatakrebs?
Eingeschlossene Studien: 2 RCTs (Prostatavergrößerung)
Mögliche Interessenskonflikte: keine laut Autorenangaben

Ilic D, Misso M. Lycopene for the prevention and treatment of benign prostatic hyperplasia and prostate cancer: a systematic review. Maturitas. 2012 Aug;72(4):269-76. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[6] Wehrberger u.a. (2012)
Studientyp: nicht-systematische Übersichtsarbeit
Mögliche Interessenskonflikte: keine für den korrespondierenden Autor

Wehrberger C, Dreikorn K, Schmitz-Dräger BJ, Oelke M, Madersbacher S. [Phytotherapy of benign prostate syndrome and prostate cancer: better than placebo]. Urologe A. 2012 Dec;51(12):1674-82. (Zusammenfassung der Arbeit)

[7] Kim (2012)
Studienart: Übersicht über systematische Übersichtsarbeiten
Eingeschlossene Übersichtsarbeiten: 6 Systematische Übersichtsarbeiten zu 195 Einzelstudien
Fragestellung: Wirken Nahrungsergänzungsmittel bei gutartiger Prostatavergrößerung?
Mögliche Interessenskonflikte: keine laut Autoren
Kim TH, Lim HJ, Kim MS, Lee MS. Dietary supplements for benign prostatic hyperplasia: an overview of systematic reviews. Maturitas. 2012 Nov;73(3):180-5. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[8] IQWIG (2014)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (2014). Gutartige Prostatavergrößerung. Abgerufen am 12.3.2015 unter https://www.gesundheitsinformation.de/gutartige-prostatavergroesserung.2073.de.html

[9] UpToDate (2015)
Cunningham GR, Kadmon D (2015). Medical treatment of benign prostatic hyperplasia. In Park L (ed.). UpToDate. Aberufen am 12.3.2015 unter http://www.uptodate.com/contents/medical-treatment-of-benign-prostatic-hyperplasia

[10] UpToDate (2015)
Cunningham GR, Kadmon D (2015). Patient information: Benign prostatic hyperplasia (BPH) (Beyond the Basics). In Park L (ed.). UpToDate. Aberufen am 12.3.2015 unter http://www.uptodate.com/contents/benign-prostatic-hyperplasia-bph-beyond-the-basics

[11] Wilt (1998)
Wilt T, MacDonald R, Ishani A, Rutks I, Stark G. Cernilton for benign prostatic hyperplasia. Cochrane Database of Systematic Reviews 1998, Issue 3. Art. No.: CD001042. (Zusammenfassung der zurückgezogenen Übersichtsarbeit)

Aktualisiert und ergänzt am 1.3.2015 um Details zu Sägepalm-Extrakte, Beta-Sitosterin, Extrakte des Afrikanischen Pflaumenbaums sowie Weidelgras-Pollenextrakt.

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