Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Neues im Kampf gegen Arthrose?

Arthrose ist eine Abnützungserscheinung in den Gelenken und nicht heilbar. Eine neue Salbe kann aber angeblich die Schmerzen reduzieren und das Gelenk schmieren - und kommt dabei sogar ohne gefährliche Wirkstoffe aus.

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Kann die Salbe FLEXISEQ Schmerzen bei Arthrose lindern?

Die bisherigen Vergleiche mit anderen gängigen Behandlungsformen sind schwierig zu interpretieren, ergeben aber keinen klaren Beweis einer Wirksamkeit.

so arbeiten wir
© nandyphotos - fotolia.com Gelenksschmerzen weg schmieren?
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„Schmieren und Salben hilft allenthalben“, so ein etwas altertümliches Sprichwort, das besonders bei Gelenksschmerzen gerne zitiert wird. Doch da stellen sich ganz grundsätzliche Fragen: Schafft es ein auf die Haut geschmiertes Mittel überhaupt bis zur tiefer liegenden Ursache vorzudringen, bleibt es nur auf der Haut oder wird es über den Blutkreislauf verteilt? Von einer neuen Salbe behaupten die Hersteller, dass sie genau das kann – sie transportiert angeblich Schmierhilfsmittel bis in den Gelenksspalt.

Super beweglich und super rätselhaft

Was der Hersteller unter dem Namen FLEXISEQ anbieten will ist ziemlich revolutionär bei der Behandlung von Arthrosen, denn im Grunde enthält das Mittel keinen Wirkstoff. Aber von Anfang an: Gelenksabnützung (Arthrose) im Knie oder im Hüftgelenk ist eine häufige Schmerzquelle. Eine Heilung ist nicht möglich, aber es gibt zahlreiche Behandlungen: Schmerz- und entzündungshemmende Medikamente können geschluckt werden, Injektionen und Nahrungsergänzungsmittel kommen häufig zum Einsatz; über die mögliche Wirksamkeit von Weihrauch haben wir hier berichtet. Und dann gibt es eben Salben. Da es nicht einfach ist, den Wirkstoff tief ins Gewebe zu bringen, wurden gewissermaßen Transportbehälter erfunden, die den Wirkstoff ins Gelenk bringen sollen.

Diese Transportbehälter sind große Moleküle (genauer gesagt Phospholipide), die man sich wie sehr elastische Bälle vorstellen kann. Trotz ihrer Größe können sie durch das Gewebe wandern, sie sind so stark verformbar, dass sie sich zwischen den Zellen hindurchquetschen können. In ersten Studien, bei denen diese Transportbehälter eingesetzt wurden, machten die Forscher eine erstaunliche Entdeckung: Es war egal, ob die Transportbehälter tatsächlich mit einem Wirkstoff befüllt waren oder nicht – auch die Transportbehälter alleine führten bereits zu einer Schmerzreduktion [1].

Die Forscher kamen auf die Idee, dass sich die Phospholipide selbst nützlich machen und mithelfen, das Gelenk zu schmieren und damit die Schmerzen reduzieren. Also verglichen sie noch einmal die Wirkung der Transportbehälter alleine gegen Transportbehälter mit einem bekannten Wirkstoff und auch mit einem üblichen zu schluckenden Schmerzmittel [1]. Die Wirksamkeit von allen Behandlungsformen war in etwa gleich gut und auch etwas besser als bei einem zu schluckenden Scheinmedikament (Placebo).

Alles Placebo?

Heißt das, die neue Salbe wirkt tatsächlich? Das ist leider nicht so einfach zu beantworten: Obwohl die Einzelstudien trotz starker Interessenskonflikte gut gemacht sind, sind die jeweiligen Vergleiche problematisch. Schon früher zeigten Studien zu Schmerzen bei Arthrose, dass bei den Schmerzen ein großer Placeboeffekt zu beobachten ist, sich also kurzfristig auch dann eine Besserung ergibt, wenn nur ein Scheinmedikament gegeben wird [2].

Noch komplizierter wird es dadurch, dass bei der Arthrose unterschiedliche Placebos zum Einsatz kommen: Mittel, die geschluckt werden, Salben ohne Wirkstoff und sogar Injektionen ohne Wirkstoff werden in Studien zum Vergleich herangezogen – je nachdem, welche Behandlung getestet wird [2]. Die Salbe FLEXISEQ müsste also mit einer Placebosalbe verglichen werden – das ist noch nicht passiert; verglichen wurde mit einem zu schluckenden Medikament, einem zu schluckenden Placebo und einer Salbe mit Wirkstoff, deren Wirksamkeit jedoch selbst nicht allzu klar ist. Daher ist die Beweislage unklar.

Es ist also nicht sicher, ob die Salbe besser hilft als ein geeignetes Placebo. Auch der Wirkmechanismus ist noch höchst spekulativ, es ist nicht einmal sicher, ob die Moleküle wie behauptet, tatsächlich bis in das Gelenk vordringen. Studien dazu gibt es bisher nur an Ratten [1].

Die Studien im Detail

Eine narrative Übersichtsarbeit beschreibt alle Studien, die bisher zu dieser Salbe gemacht wurden. Die Übersichtsarbeit ist methodisch mangelhaft, enthält aber alle Einzelstudien, die auch wir zu diesem Thema finden konnten und gibt deren Ergebnisse grundsätzlich korrekt wieder [1].

Die Studiendauer bei den vier beschriebenen Einzelstudien beträgt maximal 12 Wochen, langfristige Effekte wurden also noch nicht untersucht. Mit insgesamt über 1300 Teilnehmern und einer korrekten Methodik sind die Ergebnisse der Studien durchaus vertrauenswürdig, nur eben aus oben beschriebenen Gründen nicht so aufschlussreich.

Verglichen wurden das wirkstofffreie Gel, das Gel inklusive dem Wirkstoff Ketoprofen und der zu schluckende Wirkstoff Celecoxib. Nach zwölf Wochen kam es bei allen Behandlungsgruppen zu einer Schmerzreduktion von etwa 50 Prozent, nur das zu schluckende Placebo schnitt signifikant schlechter ab [1].

Alle Einzelstudien und die Übersichtsarbeit sind vom Hersteller der Salbe mit finanziert und kommen offensichtlich aus dem gleichen Forschungskreis. Die Einzelstudien sind methodisch trotzdem gut gemacht, nur die Interpretation der Ergebnisse fällt angesichts der nicht idealen Vergleiche etwas zu positiv aus.

[1] Conaghan u.a. (2014)
Studientyp: Narrative Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 4
Fragestellung: Wir wirksam ist ein wirkstofffreies Gel mit hochbeweglichen Phospholipiden bei der Behandlung von Arthrose?
Interessenskonflikte: Hersteller hat Paper mitfinanziert und zahlreiche Autoren haben auf für die eine oder andere Tätigkeit Geld vom Hersteller erhalten (gilt auch für alle inkludierten Einzelstudien)

Conaghan PG, Bijlsma JW, Kneer W, Wise E, Kvien TK, Rother M. Drug-free gel containing ultra-deformable phospholipid vesicles (TDT 064) as topical therapy for the treatment of pain associated with osteoarthritis: a review of clinical efficacy and safety. Curr Med Res Opin. 2014 Apr;30(4):599-611.
Zusammenfassung

[2] Bannuru u.a. (2015)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit mit Meta-Analyse
Eingeschlossene Studien: 137 Studien mit insgesamt 33243 Teilnehmern
Fragestellung: Welche Medikamente helfen am besten bei Kniearthrose?

Bannuru RR, Schmid CH, Kent DM, Vaysbrot EE, Wong JB, McAlindon TE.
Comparative effectiveness of pharmacologic interventions for knee osteoarthritis:
a systematic review and network meta-analysis. Ann Intern Med. 2015 Jan
6;162(1):46-54.
Zusammenfassung

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