Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Kreuzbandriss: Operation oder nicht?

Der Verzicht auf eine OP bei einem vorderen Kreuzbandriss hat möglicherweise keine Nachteile. Noch ist das letzte Wort dazu aber nicht gesprochen.

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Ist eine Operation bei einem vorderen Kreuzbandriss (durch Ersetzen des kaputten vorderen Kreuzbandes mit Sehnengewebe aus einem anderen Teil des Beins) mit anschließender Physiotherapie besser als Physiotherapie alleine?

Weder nach zwei noch nach fünf Jahren finden sich Unterschiede zwischen den beiden Behandlungsmethoden. Das ist jedoch mit großer Vorsicht zu betrachten. In einer Studie dazu ließen sich viele Patienten in der Gruppe mit Physiotherapie innerhalb der nächsten fünf Jahre doch noch operieren.

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© Andrey Popov - fotolia.com Risikosport Fußball - nicht selten kommt es zu einem Kreuzbandriss
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Fußball ist ziemlich gefährlich, das Risiko für schwere Verletzungen ist hoch. Man läuft mit dem Ball, das Tor in Sichtweite, aber schon kommt ein gegnerischer Spieler. Jetzt hilft nur noch abstoppen und Ball zum Teamkollegen passen, der gerade ungedeckt steht. Doch dann passiert’s: Der Körper würde gerne die Richtung wechseln, der Fuß scheint aber am Boden festzuhaften – das gebeugte Knie hält der Verdrehung nicht stand und das vordere Kreuzband reißt – ganz oder teilweise. So etwas lässt sich in jedem größeren Hobbyfußballteam beobachten, aber auch beim Skifahren und anderen Sportarten haben es Verletzungen regelmäßig auf das Kreuzband abgesehen [2].

Für die Betroffenen ist die Verletzung schmerzhaft und mit einer längeren Sportpause verbunden. Das Knie ist instabil und die Wahrscheinlichkeit für weitere Verletzungen erhöht [1]. Junge Sportlerinnen und Sportler werden bei schweren Kreuzbandverletzungen in den meisten Fällen operiert; eine Physiotherapie zur Rehabilitation ohne Operation wird zumeist nur Menschen empfohlen, die nicht so viel Sport betreiben [2].

Stabilität als Ziel

Beide Therapien haben das Ziel, das Knie wieder stabil zu machen. Bei der Operation wird das mit Hilfe von einem Kreuzbandersatz erreicht. Dabei wird das gerissene Kreuzband entfernt und häufig durch Sehnengewebe aus einem anderen Teil des Beins ausgetauscht. Die Rehabilitationstherapie setzt auf ein sich steigerndes Übungsprogramm zur Stärkung der Muskeln, mit deren Hilfe das Gelenk trotz beschädigten Kreuzbandes stabilisiert werden soll. Auch im Anschluss an eine Operation kann der Arzt oder die Ärztin eine solche Rehabilitationstherapie empfehlen.

Welche Behandlungsstrategie tatsächlich besser hilft, ist den Autoren einer aktuellen Übersichtsarbeit zufolge [1] nur wenig untersucht. Bei der Suche nach klinischen Studien dazu haben sie dennoch eine Studie gefunden [1]: Darin wurden die verletzten Patienten entweder in die Operationsgruppe mit anschließender Physiotherapie oder in die Gruppe mit alleiniger Physiotherapie gelost und entsprechend behandelt. Jeweils nach zwei und nach fünf Jahren führten die Studienleiter Nachuntersuchungen durch und verglichen die Ergebnisse der beiden Methoden.

Geringe Unterschiede und spätere OP

Laut der Studie sind beide Behandlungsstrategien ähnlich erfolgreich. Bei den nachfolgenden Kontrolluntersuchungen bewerteten die Patienten Beweglichkeit, Schmerzen und Belastbarkeit in beiden Gruppen etwa gleich.

Die Patienten in dieser Studie haben jedoch die Möglichkeit gehabt, sich im Zweifelsfall später doch noch operieren zu lassen. Und das ist auch die große Einschränkung der Studie: Von denjenigen, die anfangs in der Gruppe mit der konventionellen Therapie waren (also Physiotherapie alleine), haben sich nach fünf Jahren mehr als die Hälfte (30 von 59 Patienten) doch noch operieren lassen. Grund dafür war die zu geringe Stabilität des Knies.

Unerwünschte Folgen

Die häufigste und bedeutendste Folge der Physiotherapiebehandlung ohne Operation war die Instabilität, es ist also nicht gelungen, das Knie ausreichend bewegungssicher zu machen. Daher ließen sich viele letztlich doch noch operieren. Der Verzicht auf eine Operation führte in deutlich mehr Fällen zu Meniskus-Beschwerden.

Zwei Jahre nach Behandlungsbeginn klagten die Studienteilnehmer in der OP-Gruppe nicht wesentlich häufiger über Schmerzen oder Schwellungen als jene in der nicht operierten Gruppe. Bei drei von 62 Patienten riss das operierte Kreuzband allerdings wieder.

In der Studie waren nur junge, sportliche Erwachsene. Ob die aus der Studie gewonnen Erkenntnisse haltbar sind und auch für andere Personengruppen gelten, werden erst zukünftige Untersuchungen zeigen. Zumindest zwei solcher Studien sind bereits in Arbeit [3,4].

[1] Monk u.a. (2016)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit von Cochrane
Eingeschlossene Studien: eine randomisiert-kontrollierte Studie
Studienteilnehmer insgesamt: 141
Fragestellung: Operation oder konventionelle Therapie bei Kreuzbandverletzungen?
Mögliche Interessenskonflikte: Keine angegeben

Monk AP, Davies LJ, Hopewell S, Harris K, Beard DJ, Price AJ. Surgical versus conservative interventions for treating anterior cruciate ligament injuries. Cochrane Database of Systematic Reviews 2016, Issue 4. Art. No.: CD011166. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[2] UpToDate (2016)
Friedberg RP (2016. Anterior cruciate ligament injury. In Grayzel J (ed.). UpToDate. Abgerufen am 9. 5. 2016 unter www.uptodate.com/contents/anterior-cruciate-ligament-injury

[3] National Institute for Health Research
ACL SNNAP Trial: Anterior Cruciate Ligament Surgery Necessity in Non Acute Patients. Abgerufen am 20. 5. 2016 unter www.nets.nihr.ac.uk/projects/hta/1414063

[4] Nederlands Trial Register
Cost-effectiveness of two treatment strategies of an anterior cruciate ligament rupture. A randomized clinical study. Abgerufen am 10. 5. 2016 unter: www.trialregister.nl/trialreg/admin/rctview.asp?TC=2746

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