Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Kohlensäure: Prickelndes Gesundheitsrisiko?

Getränke mit Kohlensäure sollen Krebs auslösen sowie Speiseröhre und Magen schädigen können. Wissenschaftliche Beweise für diese Behauptungen fehlen.

AutorIn:
Review:  Julia Harlfinger 

Verursacht Kohlensäure Krebs?

Hat Kohlensäure gesundheitliche Auswirkungen auf den Verdauungstrakt?

Derzeit existierende Studien sind zu wenig aussagekräftig, um verlässlichen Schlüsse über die Auswirkung von Kohlensäure auf den Verdauungstrakt zu erlauben. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass Kohlensäure keinen Krebs verursachen dürfte. Die zugrunde liegenden Studien haben aber nur geringe Aussagekraft.

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© contrastwerkstatt - fotolia.com Kohlensäure: Erfrischend oder gefährlich?
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Wasser ist lebensnotwendig, es macht mehr als die Hälfte unseres Körpergewichts aus [18]. Fachleute sind sich einig, dass ausreichendes Trinken ein unverzichtbarer Baustein gesunden Lebens ist.

Ob prickelnde oder stille Getränke besser für die Gesundheit sind? Dazu gehen die Meinungen auseinander.

Nutzen oder Schaden?

Gerüchten zufolge soll Kohlensäure unserem Körper schaden. Angeblich ruiniert die Säure unter anderem die Speiseröhre, den Magen, die Zähne oder die Leber. Vereinzelt wird sogar behauptet, Kohlensäure könne Krebs auslösen.

Anders sehen dies die Befürworterinnen und Befürworter: Kohlensäurehältiger Getränke würden den Speichelfluss und die Verdauung anregen, den Magen füllen und so das Hungergefühl vermindern [6, 7] [13] [17].

Wie groß ist der Einfluss der Blubberbläschen auf unsere Gesundheit tatsächlich?

Krebs durch Kohlensäure wenig wahrscheinlich

Wir können derzeit nicht sicher beurteilen, ob kohlensäurehältige Getränke die Gesundheit beeinflussen.

Immerhin gibt es Hinweise darauf, dass Kohlensäure nicht für die Entstehung von Krebs verantwortlich sein dürfte [1-4]. Diese Hinweise stammen allerdings aus wenig aussagekräftigen Studien von geringer Qualität.

Untersuchungen an purer, in Wasser gelöster Kohlensäure – also mit Mineral- oder Sodawasser – konnten wir keine finden. Wir mussten uns mit Studien begnügen, die die Auswirkung von zuckerhältigen Softdrinks auf das Krebsrisiko unter die Lupe genommen haben.

Neben Zucker enthalten diese kohlensäurehältigen Limonaden oft auch Geschmacks- und Farbstoffe. Das sind Inhaltsstoffe, die unabhängig von Kohlensäure als mögliche Krebsauslöser in Frage kämen. Fehlen jedoch Hinweise, dass Kohlensäure in Kombination mit anderen Inhaltsstoffen Krebs auslöst, ist unwahrscheinlich, dass sie das alleine tut.

Auswirkungen auf die Verdauung ungeklärt

Es ist schwierig einzuschätzen, ob Sprudelgetränke den Verdauungstrakt beeinflussen. Einige Studien untersuchten beispielsweise, ob kohlensäurehältige Getränke der Verdauung auf die Sprünge helfen können [5, 6] [17]. Andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschafter wollten wissen, ob Kohlensäure Sodbrennen und Entzündungen der Speiseröhre [12, 13] verursachen kann.

Zu keiner dieser Fragestellungen gibt es gut gemachte Studien. Was Kohlensäure im Verdauungstrakt bewirkt, lässt sich aus ihren Ergebnissen nicht schließen.

Gefahr durch Überdruck

Wir kennen das Phänomen: Nach kräftigem Schütteln, vor allem bei sommerlichen Temperaturen, spritzt ein kohlensäurehaltiges Getränk beim Öffnen mit großer Kraft aus der Flasche. Der Grund ist der hohe Druck, unter dem die Flasche steht.

Daher gibt es zahlreiche Fälle, bei denen sich Betroffene beim Öffnen einer solchen Flasche schwer verletzt haben. Die Palette reicht dabei von Wunden durch Glassplitter bis hin zu Augenverletzungen durch davonfliegende Flaschenverschlüsse.

Gefährlich ist es auch, eine unter Druck stehende Flasche mit den Zähnen zu öffnen. Dabei hat das austretende Kohlendioxid in einigen Fällen schwere Verletzungen der Schleimhäute in der Speiseröhre verursacht [8-11].

In Wasser gelöstes Kohlendioxid

Kohlensäure entsteht, wenn sich Kohlendioxid in Wasser löst – so nachzulesen in diversen Chemiebüchern. Die dabei entstehende schwache Säure ist unter anderem für das typische Geschmackserlebnis kohlensäurehältiger Getränke verantwortlich.

Das Zischen beim Öffnen einer Mineralwasserflasche und das Kribbeln im Mund kommen daher, dass das nur schwach lösliche Kohlendioxid wieder aus dem Wasser entweicht. [7].

Blubberbläschen (fast) überall

Mineralwasser entspringt natürlichen unterirdischen Quellen und enthält teils von Natur aus Kohlensäure. Je nach Fundort kommen im Wasser noch verschiedene Mineralstoffe und Spurenelemente vor.

Sodawasser ist Leitungswasser, dem nachträglich Kohlendioxid zugesetzt wurde [14,15]. Limonaden enthalten neben der Kohlensäure eine Menge anderer Inhaltsstoffe wie beispielsweise Zucker, Koffein, Lebensmittelfarbstoffe oder Phosphorsäure (zum Beispiel in Cola).

Die Studien im Detail

Gut durchgeführte Studien zu gesundheitlichen Auswirkung von Kohlensäure auf die Gesundheit sind rar. Bei den meisten ist nicht Kohlensäure selbst das Thema, sondern es geht um zuckerhältige Limonaden. Hier ist es schwierig festzustellen, ob die Kohlensäure selbst oder ein anderer Inhaltsstoff für Effekte gesorgt hat. Zudem ist die Qualität der meisten Untersuchungen schlecht.

Wenig aussagekräftige Studiendesigns

Auch zur Frage, ob Sprudelgetränke Krebs auslösen könnten, untersuchten Studien meistens Softdrinks. Die Autorinnen und Autoren sogenannter Fall-Kontroll-Studien interessierten sich beispielsweise dafür, ob Menschen mit Krebsdiagnose in der Vergangenheit mehr kohlensäurehältige Softdrinks getrunken hatten als nicht erkrankte Personen [2-4].

In einigen Kohortenstudien wurden anfangs gesunde Testpersonen beobachtet, um zu sehen, ob Kohlensäure-Getränke eher zu Krebs führten als stille Getränke [1].

Es gibt jedoch viele Faktoren, die das Krebsrisiko erhöhen, darunter sind beispielsweise Übergewicht, wenig Bewegung, Rauchen oder übermäßiger Alkoholgenuss. In Fall-Kontroll-Studien oder Kohortenstudien lässt sich nicht ausschließen, dass etwaige Krebsfälle durch ganz andere Faktoren als Kohlensäure in Getränken verursacht worden sind.

Erinnerungslücken nicht auszuschließen

In keiner von drei Fall-Kontroll-Studien [2-4] fanden sich ein Zusammenhang zwischen Kohlensäure und der Entstehung von Speiseröhrenkrebs[16]. Dabei wurden an Krebs erkrankte und gesunde Personen zu ihren Trinkgewohnheiten befragt.

Die Verlässlichkeit der Ergebnisse ist jedoch eingeschränkt. Denn die Studienteilnehmerinnen und Teilnehmer sollten sich bis zu 20 Jahre zurückerinnern, ob und wie viele kohlensäurehältige Getränke sie damals getrunken hatten. Dass alle Befragten das noch im Detail wussten, ist unwahrscheinlich.

Bei einer australischen Fall-Kontroll-Studie [2] musste sich die an Speiseröhrenkrebs erkrankten Personen und jene der Kontrollgruppe nur ein Jahr zurückerinnern. Bei dieser Zeitspanne sind Erinnerungslücken unwahrscheinlicher.

Allerdings ist der hinterfragte Zeitraum zu kurz, um einen Zusammenhang von kohlensäurehaltigen Getränken und Krebs tatsächlich erforschen zu können. Krebs entwickelt sich meistens nicht von heute auf morgen, sondern über Jahre und Jahrzehnte.

Eine von Coca Cola gesponserte systematische Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2014 [1] fasste die Ergebnisse aller bisher veröffentlichten Studien zu Softdrinks und Krebs zusammen. Diese Arbeit berücksichtigte neben Untersuchungen zu vielen anderen Krebsarten auch die eben beschriebenen Studien zu Speiseröhrenkrebs.

Insgesamt stellten die Autoren für keine Krebsform ein erhöhtes Risiko in Zusammenhang mit kohlensäurehältigen Softdrinks fest. Allerdings bemängelten auch sie die meist schlechte Qualität der eingeschlossenen Studien und die Arbeit per se weist einige methodische Mängel auf.

Hilft Sprudelwasser der Verdauung auf die Sprünge?

Einige Studien hatten auch die Auswirkungen von Mineralwasser auf die Verdauung zum Thema [5,6] [12,13] [17]. Gemeinsam ist ihnen, dass sie aufgrund ihrer schlechten methodischen Qualität wenig vertrauenswürdig sind. Zudem haben sie nur sehr wenige Teilnehmerinnen und Teilnehmer untersucht.

So kommen die Autoren einer randomisiert-kontrollierten Studie mit 21 Testpersonen zum Schluss, dass kohlensäurehaltiges Wasser bei Verdauungsproblemen oder Verstopfung hilft [5]. Dieses Ergebnis ist allerdings mit Vorsicht zu genießen. Nicht zuletzt, weil ein italienischer Mineralwasserproduzent die Studie mitfinanziert hat.

Ob sich Mineralwasser auf die Geschwindigkeit der Entleerung des Magens in Richtung Darm auswirkt, wurde in einer Studie aus dem Jahr 1997 an acht gesunden Menschen untersucht [6]. Bis auf ein erhöhtes Rülps-Bedürfnis zeigten sich keine Effekte.

[1] Boyle u.a. (2014)
Boyle, P., Koechlin, A., & Autier, P. (2014). Sweetened carbonated beverage consumption and cancer risk: meta-analysis and review. Eur J Cancer Prev, 23(5), 481-490. (Zusammenfassung der Studie)

[2] Ibiebele u.a. (2008)
Ibiebele, T. I., Hughes, M. C., O’Rourke, P., Webb, P. M., & Whiteman, D. C. (2008). Cancers of the esophagus and carbonated beverage consumption: a population-based case-control study. Cancer Causes Control, 19(6), 577-584. (Zusammenfassung der Studie)

[3] Lagergren u.a. (2006)
Lagergren, J., Viklund, P., & Jansson, C. (2006). Carbonated soft drinks and risk of esophageal adenocarcinoma: a population-based case-control study. J Natl Cancer Inst, 98(16), 1158-1161. (Studie in voller Länge)

[4] Mayne u.a. (2006)
Mayne, S. T., Risch, H. A., Dubrow, R., Chow, W. H., Gammon, M. D., Vaughan, T. L., . . . Fraumeni, J. F., Jr. (2006). Carbonated soft drink consumption and risk of esophageal adenocarcinoma. J Natl Cancer Inst, 98(1), 72-75. (Studie in voller Länge)

[5] Cuomo u.a. (2002)
Cuomo R, Grasso R, Sarnelli G,et al. Effects of carbonated water on functional dyspepsia and constipation. Eur J Gastroenterol Hepatol 2002; 14: 991–9 (Zusammenfassung der Studie)

[6] Pouderoux (1997)
Pouderoux, P., Friedman, N., Shirazi, P., Ringelstein, J. G., & Keshavarzian, A. (1997). Effect of carbonated water on gastric emptying and intragastric meal distribution. Dig Dis Sci, 42(1), 34-39. (Zusammenfassung der Studie)

[7] Cuomo u.a. (2009)
Cuomo R, Sarnelli G, Savarese MF, Buyckx M. Carbonated beverages and gastrointestinal system: between myth and reality. Nutr Metab Cardiovasc Dis 2009;19: 683–9. (Zusammenfassung des Artikels)

[8] Pedro-Egbe u.a. (2011)
Pedro-Egbe, C. N., Ejimadu, C. S., & Nwachukwu, H. (2011). Ocular injuries from exploding glass-bottled Coca-Cola(R) drinks in Port Harcourt, Nigeria. Clin Ophthalmol, 5, 651-654. (Fallbericht in voller Länge)

[9] Erdurman u.a. (2013)
Erdurman, F. C., Ceylan, O. M., Hurmeric, V., Pellumbi, A., Durukan, A. H., & Sobaci, G. (2013). Ocular injuries caused by metal caps of carbonated mineral water bottles. Ulus Travma Acil Cerrahi Derg, 19(3), 256-260. (Fallbericht in voller Länge)

[10] Schrader u.a. (2010)
Schrader, W. F., & Gramer, E. (2010). Open globe injuries induced by glass bottles containing carbonated drinks. Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol, 248(3), 313-317. (Zusammenfassung des Fallberichts)

[11] Meyerovitch u.a. (1988)
Meyerovitch J, Ben Ami T, Rozenman J, Barzilay Z. Pneumatic rupture of the esophagus caused by carbonated drinks. Pediatr Radiol 1988;18(6):468 e 70. (Zusammenfassung des Fallberichts)

[12] Crookes (2006)
Crookes PF. Response of the lower esophageal sphincter to gastric distention by carbonated beverages. J Gastrointest Surg 2006 Jun;10(6):870 e 7 (Zusammenfassung des Fallberichts)

[13] Johnson (2010)
Johnson, T., Gerson, L., Hershcovici, T., Stave, C., & Fass, R. (2010). Systematic review: the effects of carbonated beverages on gastro-oesophageal reflux disease. Aliment Pharmacol Ther, 31(6), 607-614. (Systematische Übersichtsarbeit in voller Länge)

[14] Bundesministerium für Gesundheit (2015)
Codexkapitel / B 17 / Abgefüllte. Wässer, Österreichisches Lebensmittelbuch, IV. Auflage (2015), abgerufen am 14.08.2018 unter: www.verbrauchergesundheit.gv.at/lebensmittel/buch/codex/B_17_Abgefuellte_Waesser_2.pdf?4s6edz

[15] Ammon & Hunnius (2014)
Ammon, H. P. T., & Hunnius, C. (2014). Hunnius Pharmazeutisches Wörterbuch (11., aktualisierte Aufl. ed.). Berlin: Gruyter.

[16] Pschyrembel & Arnold (2014)
Pschyrembel, W., & Arnold, U. (2014). Pschyrembel Klinisches Wörterbuch (266., aktualisierte Aufl. ed.). Berlin [u.a.]: De Gruyter.

[17] Wakisaka (2012)
Wakisaka, S., Nagai, H., Mura, E., Matsumoto, T., Moritani, T., & Nagai, N. (2012). The effects of carbonated water upon gastric and cardiac activities and fullness in healthy young women. J Nutr Sci Vitaminol (Tokyo), 58(5), 333-338. (Studie in voller Länge)

[18] Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs (2014)
Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Wie viel Flüssigkeit braucht der Körper? abgerufen am 14.08.2018 unter: www.gesundheit.gv.at/Portal.Node/ghp/public/content/Fluessigkeit_KH.html

[19] Deutsches Krebsforschungszentrum (2017)
Ernährung und Krebsrisiko. Abgerufen am 14.08.2018 unter www.krebsinformationsdienst.de/vorbeugung/risiken/ernaehrung-praevention2.php

Die ursprüngliche Fassung dieses Artikels erschien am 6. Mai 2016. Eine neuerliche Literatursuche im August 2018 brachte keine neue Studien zutage. Unsere ursprüngliche Einschätzung hat sich nicht verändert.

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