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Krebs durch Kartoffeln wenig wahrscheinlich

Gerüchten zufolge erhöht der häufige Verzehr von Kartoffeln das Risiko für Krebs. Bisherigen Studien zufolge ist diese Befürchtung unbegründet.

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Erhöht der häufige Konsum von Kartoffeln das Risiko, an Krebs zu sterben?

Die zusammengefassten Ergebnisse bisheriger Studien zeigen kein erhöhtes Risiko für tödliche Krebserkrankungen. Sie weisen auch nicht darauf hin, dass Kartoffeln die Lebenserwartung insgesamt verringern.

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Die Knollen sind unbedenklich – nur die oberirdischen Teile der Kartoffelplanze sind giftig.
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In Österreich entstehen daraus Knödel, in Deutschland Schupfnudeln, und in der Schweiz Rösti. Kartoffeln sind auch gekocht, zu Püree zerstampft oder als Pommes frites beliebt.

Vielseitig sind nicht nur die Zubereitungsmöglichkeiten, sondern auch die Behauptungen zur gesundheitlichen Wirkung der Speiseknolle. Manchen Gerüchten zufolge ist die Kartoffel besonders förderlich für die Gesundheit.

Andere Mythen wiederum behaupten, dass Kartoffeln in größeren Mengen sogar krank machen und Krebs auslösen. Der angebliche Grund sollen Giftstoffe sein, die typisch für Kartoffel als Nachtschattengewächs sind.

Kein Hinweis auf Risiko

Wir wollten wissen, ob diese Befürchtung berechtigt ist. Dazu durchforsteten wir drei Studiendatenbanken nach wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die Ergebnisse unserer Recherche sind tendenziell beruhigend.

So zeigen bisherige Studien keinen Zusammenhang zwischen Krebssterblichkeit und Kartoffelkonsum [1]. Auch andere Todesursachen – abgesehen von Krebs –traten nicht gehäuft auf, wenn Teilnehmende besonders häufig Kartoffeln aßen [1,2].

Die zusammengefassten Ergebnisse bisheriger Studien zeigen also kein erhöhtes Risiko. Ihre Aussagekraft ist allerdings eingeschränkt. Lebenserwartung und Krebsrisiko hängen nämlich auch von vielen anderen Dingen ab, beispielsweise von Lebensstil, Alter oder Einkommen. Diese Faktoren könnten die Ergebnisse verzerrt haben.

Gift in der Kartoffel?

Die Kartoffel gehört zur Familie der Nachtschattengewächse. Dabei handelt es sich um eine große Gruppe an Pflanzen, von denen viele giftig sind. Beispiele sind Tollkirsche, Stechapfel oder Tabakpflanze.

Unter den Nachtschattengewächsen finden sich jedoch auch etliche essbare Vertreter: Dazu zählen Tomate, Melanzani (Aubergine), Paprika und Chili.

Tatsächlich enthalten Kartoffeln das Gift Solanin, allerdings in Mengen, die so gering sind, dass sie als unbedenklich gelten. Der Großteil des Solanins sitzt in der Schale. In grünen Stellen und Keimen ist die Konzentration des Stoffes höher [4].

Das Bundesinstitut für Risikobewertung in Deutschland empfiehlt daher, „Augen“ und grüne Stellen großzügig wegzuschneiden. Damit Kartoffeln nicht auskeimen und dabei vermehrt Solanin bilden, ist eine kühle und trockene Lagerung wichtig. Kleine Kinder sollten Fachleuten zufolge Kartoffeln nur geschält essen [4].

Gesundheitlich bedenkliche Konzentrationen von Solanin schmecken bitter. Solche Kartoffeln sollten daher nicht gegessen werden. In hohen Konzentrationen kann Solanin Vergiftungserscheinungen mit Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall und Fieber auslösen. Krebserregend ist die Substanz nicht [4].

Gebacken und frittiert

Allerdings entsteht beim intensiven Backen und Frittieren von Kartoffeln ein Stoff, der als krebserregend gilt: Acrylamid. Er bildet sich, wenn stärkehaltige Lebensmittel beim Erhitzen braun werden [5]. Je stärker der Bräunungsgrad, umso höher ist der Gehalt an Acrylamid. Die Empfehlung des Bundesinstituts für Risikobewertung aus Deutschland lautet daher „Vergolden statt Verkohlen“ [5].

Bisher hat lediglich eine Studie [3] untersucht, ob das Sterberisiko durch Krebs mit der Menge an konsumierten Pommes frites (bzw. Acrylamid) ansteigt. Zumindest für Prostatakrebs ergaben sich keine Hinweise [1]. Andere Krebsarten sind in der Studie nicht berücksichtigt. Für eine aussagekräftige Einschätzung wären jedoch weitere Studien nötig.

Für andere Zubereitungsarten von Kartoffeln ist die Auswirkung auf die Lebenserwartung nicht ausreichend erforscht.

Die Studien im Detail

Bei unserer Suche haben wir zwei systematische Übersichtsarbeiten [1,2] gefunden. Darin sind die Ergebnisse der bisher veröffentlichten Kohortenstudien bewertet und zusammengefasst.

In diesen Studien befragten Forschungsteams die Teilnehmenden zu Beginn, wie häufig sie Kartoffelgerichte essen. Danach beobachteten sie bis zu 21 Jahre lang, was passierte: Starben Personen mit hohem Kartoffelkonsum häufiger an Krebs oder anderen Erkrankungen? Lebten jene Menschen länger, die nur geringe Mengen an Kartoffeln zu sich nahmen?

Das Risiko, frühzeitig zu versterben wird jedoch auch durch viele andere Faktoren beeinflusst. So spielen etwa Rauchen und Alkoholkonsum eine Rolle. Aber auch Bildung, Einkommen, Alter, Vorerkrankungen und Gesundheitsversorgung haben einen Einfluss.

Die Autorinnen und Autoren der Studien haben zwar versucht, Einflüsse wie diese aus dem Ergebnis herauszurechnen. Ganz lässt sich dennoch nicht ausschließen, dass diese oder andere Faktoren die Ergebnisse verzerrt haben und eine theoretisch bestehende schützende oder schädliche Auswirkung von Kartoffeln verschleiern konnten.

Zwei Analysen

Die aussagekräftigere der beiden Übersichtsarbeiten [1] stammt von einer iranischen Forschungsgruppe. Ihre Analyse ist gut gemacht und im Detail nachvollziehbar. Sie beinhaltet zehn Studien mit 417.688 Personen. Darin wurde das Risiko für einen frühzeitigen Tod untersucht. Sieben Studien lieferten Daten zur Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu versterben. In keinem Punkt zeigte sich ein Unterschied zwischen den Menschen mit niedrigem und hohem Kartoffelkonsum.

Die zweite Übersichtsarbeit [2] wurde von einer Forschungsgruppe aus Deutschland und Österreich veröffentlicht. Ihre Vorgehensweise ist nur teilweise nachvollziehbar. Daher halten wir die Arbeit für weniger aussagekräftig.

Teilweise haben die Forscherinnen und Forscher andere Studien in die Analyse eingeschlossen als die iranische Forschungsgruppe. Ihre Analyse kommt dennoch zum selben Schluss, was das Risiko für einen frühzeitigen Tod betrifft. Die Autorinnen und Autoren konnten auch keine erhöhte Wahrscheinlichkeit finden, an Dickdarmkrebs zu sterben. Studien zu anderen Krebsarten haben sie nicht berücksichtigt.

[1] Darooghegi Mofrad u.a. (2019)
Studienart: Systematische Übersichtsarbeit
Analysierte Studien: 20 prospektive Kohortenstudien
Teilnehmende insgesamt: 417.688 Personen in Studien zur Gesamt-Sterblichkeit, 115.172 in Studien zu Herz-Kreislauf-Sterblichkeit und 268.555 in Studien zur Krebs-Sterblichkeit
Untersuchungsdauer: zwischen 6 und 21 Jahren
Fragestellung: Erhöht ein hoher Kartoffel-Konsum Gesamtsterblichkeit sowie Herz-Kreislauf-Sterblichkeit und Krebs-Sterblichkeit im Vergleich zu einem niedrigen Kartoffel-Konsum?
Interessenskonflikte: keine laut Autorenteam

Darooghegi Mofrad M, Milajerdi A, Sheikhi A, Azadbakht L. Potato consumption and risk of all cause, cancer and cardiovascular mortality: a systematic review and dose-response meta-analysis of prospective cohort studies. Crit Rev Food Sci Nutr. 2019 Jan 13:1-14. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[2] Schwingshackl (2019)
Studienart: Systematische Übersichtsarbeit
Analysierte Studien: 28 prospektive Kohortenstudien
Untersuchungsdauer: zwischen 4 und 24 Jahren
Fragestellung: Erhöht ein hoher Kartoffel-Konsum Gesamtsterblichkeit sowie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Dickdarmkrebs und Typ 2 Diabetes im Vergleich zu einem niedrigen Kartoffel-Konsum?
Interessenskonflikte: keine laut Autorenteam

Schwingshackl L, Schwedhelm C, Hoffmann G, Boeing H. Potatoes and risk ofchronic disease: a systematic review and dose-response meta-analysis. Eur J Nutr. 2019 Sep;58(6):2243-2251. Übersichtsarbeit in voller Länge

Weitere Quellen

[3] Wilson u.a. (2012)
Wilson KM, Giovannucci E, Stampfer MJ, Mucci LA. Dietary acrylamide and risk of prostate cancer. Int J Cancer. 2012 Jul 15;131(2):479-87. (Studie in voller Länge)

[4] BfR (2018)
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Speisekartoffeln sollten niedrige Gehalte an Glykoalkaloiden (Solanin) enthalten. Abgerufen am 2.10.2019 unter www.bfr.bund.de

[5] BfR (2013)
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Acrylamid in Lebensmitteln. Abgerufen am 2.10.2019 unter www.bfr.bund.de www.bfr.bund.de

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