Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Glaukom: Stress abbauen für niedrigeren Augeninnendruck?

Stress soll den Grünen Star (Glaukom) ungünstig beeinflussen. Jedoch: Ob Entspannungsübungen bei der Augenerkrankung helfen können, ist kaum erforscht.

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Können Entspannungsübungen und ein Abbau von Stress das Fortschreiten eines Glaukoms bremsen?

Bisherige Studien sind zu mangelhaft, um diese Frage beantworten zu können.

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© Africa-Studio - shutterstock.com Meditation soll nicht nur den Stresslevel senken, sondern auch den Augeninnendruck
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Bei Menschen mit einem Glaukom (Grüner Star) verschlechtert sich die Sehkraft fortschreitend. Der genaue Fachbegriff für diese chronische Augenerkrankung heißt Offenwinkelglaukom. Sie ist nicht heilbar, eine Behandlung kann das Fortschreiten jedoch bremsen. Unbehandelt kann ein Glaukom über die Jahre zur Erblindung führen [4].

Einzelne Fachleute vermuten, dass dauerhafter Stress daran mit Schuld ist. Ihnen zufolge soll sich die ständige Anspannung nicht nur auf das Wohlbefinden schlagen, sondern auch den Druck im Augeninneren steigern. Der erhöhte Augeninnendruck kann den Sehnerv schädigen und somit die Sehkraft verschlechtern.

Zusätzlich zu Medikamenten schlagen manche Fachleute daher Entspannungsübungen als Behandlung vor [5]. Meditation, Autogenes Training oder spezielle Entspannungsmusik sollen Stress abbauen helfen. Das, so hoffen sie, soll den Augeninnendruck absenken und die Erkrankung am weiteren Fortschreiten hindern.

Doch wie gut helfen solche Entspannungsmaßnahmen wirklich? Wir haben nachgeprüft.

Wenige Studien mit geringer Aussagekraft

Dazu haben wir nach den besten verfügbaren Studien gesucht, in denen Glaukom-Betroffene an Entspannungsprogrammen teilgenommen haben. Untersucht wurde die Frage nur in wenigen wissenschaftlichen Arbeiten. Aussagekräftige Forschungsergebnisse fanden wir darin keine.

Insgesamt konnten wir drei kleine Studien ausmachen, bei denen die Wirkung von Entspannungsübungen auf den Augeninnendruck über mehrere Wochen untersucht wurde: zwei Studien zu Meditation [1,2] und eine kleine Studie zu Autogenem Training [3] – das ist eine Entspannungstechnik, bei der sich die Teilnehmenden beruhigende Bilder vorstellen.

Für diese Studien [1-3] wurden die Testpersonen nach dem Zufallsprinzip entweder einer Entspannungsgruppe oder einer Vergleichsgruppe ohne Entspannungsübungen zugeteilt. Nach einem mehrwöchigen Programm verglichen die Forscherinnen und Forscher den Augeninnendruck beider Gruppen.

Wichtige Fragen offen

In den beiden Untersuchungen zur Meditation [1,2] war der Augeninnendruck in der Entspannungsgruppe zwar stärker gesunken als in der Vergleichsgruppe. Die Studien haben jedoch so viele Mängel, dass diese positiv erscheinenden Ergebnisse auch durch die Erwartungshaltung der Teilnehmenden oder durch Zufall zustande gekommen sein könnten.

Umgekehrt zeigten sich in der Untersuchung zum Autogenem Training [3] keine Unterschiede zwischen den Gruppen. Durch die schlechte Studienqualität lässt sich eine Wirkung aber weder ausschließen noch belegen.

Zwei wesentliche Punkte hat keine einzige Studie untersucht:

  • Können Entspannungsübungen den Augeninnendruck dauerhaft senken?
  • Bremsen Entspannungsübungen die fortschreitende Verschlechterung der Sehkraft?

Ob Entspannungsübungen Glaukom-Betroffenen helfen können, lässt sich daher weder bestätigen noch ausschließen. Es laufen zurzeit einige Untersuchungen. Möglicherweise können sie nach Abschluss diese Fragen beantworten.

Glaukom – eine häufige Erkrankung

Das Glaukom ist eine Augenerkrankung, die vermehrt im Alter vorkommt [4]. Unter den 65-jährigen sind rund zwei Prozent betroffen, im Alter von 80 schon vier Prozent [6].

Zu Beginn bleibt die Erkrankung meist unbemerkt und schreitet nur langsam fort. Betroffene können Dinge, die sie nicht direkt ansehen, zunehmend schlechter wahrnehmen. Unbehandelt wird dieser „Tunnelblick“ über die Jahre immer enger und kann schließlich zur Erblindung führen [4]. Ursache für die fortschreitende Sehbeeinträchtigung sind Schäden am Sehnerv.

Hoher Augeninnendruck

Ein erhöhter Druck im Augeninneren steigert das Risiko für Schäden am Sehnerv und damit für ein Glaukom. Doch nicht immer führt ein erhöhter Augeninnendruck zu der fortschreitenden Sehschwäche. Nur bei einem Zehntel der Menschen mit erhöhtem Augeninnendruck entwickelt sich innerhalb von fünf Jahren ein Glaukom mit Sehschwäche [4].

Der Augeninnendruck unterscheidet sich jedoch von Person zu Person und ist nicht immer aufschlussreich. So hat etwa die Hälfte der Menschen mit einem Glaukom einen unauffälligen Augeninnendruck. Fachleute glauben, dass für diese Menschen bereits der als normal geltende Druck zu hoch sein könnte und möglicherweise Schäden am Sehnerv verursacht [4].

Stress als Risikofaktor?

Bisher sind nicht alle Ursachen für ein Glaukom bekannt. Risikofaktoren sind beispielsweise eine erbliche Vorbelastung, starke Kurzsichtigkeit oder Diabetes [4,6]. Ob auch Stress mit einem gehäuften Auftreten des Glaukoms zusammenhängt, ist nicht gut erforscht.

Heilen lässt sich die Erkrankung nicht. Denn bestehen bereits Schäden am Sehnerv, sind diese nicht mehr rückgängig zu machen. Behandlungen, die den Augeninnendruck absenken, können jedoch das Fortschreiten des Glaukoms verlangsamen oder aufhalten. Dazu gibt es Augentropfen, die regelmäßig angewendet werden müssen. Als Therapiemöglichkeiten kommen auch eine Laserbehandlung oder eine Operation in Frage [4,6].

Wissenschaftlich gesicherte Detailinformationen rund um das Glaukom und seine Behandlung bietet die unabhängige Webseite Gesundheitsinformation.de

Die Studien im Detail

Um zu ergründen, ob Entspannungsübungen bei einem Glaukom den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen können, durchforsteten wir drei Forschungsdatenbanken nach randomisiert-kontrollierten Studien.

Dabei werden die Teilnehmenden per Zufall (randomisiert) einer von zwei Gruppen zugeteilt. Eine Gruppe erhält die Behandlung – in diesem Fall regelmäßige Entspannungsübungen. Die andere Gruppe ist die Kontrollgruppe, die zum Vergleich keine Entspannungsübungen macht.

Insgesamt fanden wir drei kleine randomisiert-kontrollierte Studien [1-3], bei denen die Wirkung von Entspannungsübungen auf den Augeninnendruck von Glaukom-Patientinnen und -Patienten untersucht wurde.

Diese Studien liefen über maximal acht Wochen. Das ist viel zu kurz, um zu überprüfen, ob der Augeninnendruck durch Entspannung nachhaltig absinkt. Die wichtigste Frage hat zudem gar keine Studie untersucht: nämlich, ob Entspannungsübungen das Fortschreiten des Glaukoms bremsen.

Studien zu Meditation

In zwei Studien [1,2] nahm die Behandlungsgruppe drei beziehungsweise sechs Wochen lang an täglichen Meditationssitzungen teil. Die Kontrollgruppe besuchte keine Sitzungen. Sie erhielt jedoch das Versprechen, nach Beendigung der Studie ebenfalls am Meditationsprogramm teilnehmen zu dürfen.

Am Ende der beiden Studien verglichen die Forscherinnen und Forscher den Augeninnendruck zwischen Meditationsgruppe und Kontrollgruppe.

In der dreiwöchigen Studie [1] war der Augeninnendruck fünf Stunden nach der letzten Meditationssitzung um 6 Millimeter Quecksilbersäule (mmHg) niedriger als bei der Kontrollgruppe. Die Zahlenangaben sind allerdings nur grafisch dargestellt und damit ungenau. Ob dies nur ein kurzfristiger Effekt der Meditation war oder auch länger anhielt, bleibt unklar.

Die Forschungsgruppe der sechswöchigen – und damit etwas längeren – Studie [2] hat den Augeninnendruck am Morgen vor der letzten Meditationssitzung gemessen. Rein rechnerisch war der Augeninnendruck in der Meditationsgruppe um 1,5 mmHg geringer als in der Kontrollgruppe. Es ist aber fraglich, ob ein solch geringer Unterschied auch spürbar zu einer Verbesserung für die Betroffenen führt. Ob Meditieren den Augeninnendruck langanhaltend – also für eine Dauer von mehr als sechs Wochen – senkt, kann auch diese Studie nicht beantworten.

Beide Studien haben zahlreiche Mängel: So ist nicht klar, ob die Meditations- und Kontrollgruppe miteinander vergleichbar waren. Einige Testpersonen haben zudem während der Studie Augeninnendruck-senkende Augentropfen genommen. Nähere Angaben dazu fehlen.

Überhaupt war die Anzahl der Testpersonen in den beiden Studien mit 90 bzw. 60 viel zu klein für aussagekräftige Ergebnisse.

Ein Problem ist auch, dass die Erwartungshaltung die Ergebnisse beeinflusst haben könnte. Ausgeschlossen wäre das nur, wenn die Teilnehmenden nicht gewusst hätten, welcher Gruppe sie angehörten.

Studie zu Autogenem Training

Eine kleine Studie [3] mit 23 Glaukom-Betroffenen untersuchte die Auswirkung von Autogenem Training – das ist eine Entspannungstechnik, bei der man sich beruhigende Bilder vorstellt. Die Entspannungsgruppe besuchte acht Wochen lang (ein Mal wöchentlich) Sitzungen mit Autogenem Training. Zusätzlich sollten sie die entspannenden Übungen zuhause wiederholen. Die Kontrollgruppe führte währenddessen keine Entspannungsübungen durch. Sie erhielt jedoch das Versprechen, nach Beendigung der Studie ebenfalls an einem Programm für Autogenes Training teilnehmen zu dürfen.

Vor der letzten und der vorletzten Sitzung verglich die Forschungsgruppe den Augeninnendruck der beiden Gruppen. Einen Unterschied konnten sie nicht feststellen.

Aufgrund mehrerer Mängel ist allerdings auch dieses Ergebnis nicht aussagekräftig. 23 Teilnehmende sind deutlich zu wenig, um auf Glaukom-Patientinnen und -Patienten im Allgemeinen schließen zu können. Einige Testpersonen nahmen zudem während der Studie Augeninnendruck-senkende Medikamente ein. Details dazu fehlen jedoch. Weiters war die Entspannungsgruppe jünger und weniger erfahren mit Entspannungstechniken als die Kontrollgruppe. Diese Unterschiede könnten das Ergebnis verzerrt haben.

Auch in dieser Studie könnte die Erwartungshaltung die Ergebnisse beeinflusst haben. Schließlich waren sich die Teilnehmenden bewusst, welcher der beiden Gruppen sie zugeteilt worden waren.

[1] Dada u.a. (2018)
Studienart: randomisiert-kontrollierte Studie
Teilnehmende: 90 Personen über 45 Jahren mit primärem Offenwinkel-Glaukom
Untersuchungsdauer: 3 Wochen
Fragestellung: Sinkt der Augeninnendruck durch tägliche Meditationssitzungen mehr als ohne Meditation?
Interessenskonflikte: keine laut Autorinnen und Autoren

Dada T, Mittal D, Mohanty K, Faiq MA, Bhat MA, Yadav RK, Sihota R, Sidhu T, Velpandian T, Kalaivani M, Pandey RM, Gao Y, Sabel BA, Dada R. Mindfulness
Meditation Reduces Intraocular Pressure, Lowers Stress Biomarkers and Modulates Gene Expression in Glaucoma: A Randomized Controlled Trial. J Glaucoma. 2018 Dec;27(12):1061-1067. (Zusammenfassung der Studie)

[2] Gagrani u.a. (2018)
Studienart: randomisiert-kontrollierte Studie
Teilnehmende: 60 Personen über 45 Jahren mit primärem Offenwinkel-Glaukom
Untersuchungsdauer: 6 Wochen
Fragestellung: Sinkt der Augeninnendruck durch tägliche Meditationssitzungen in Kombination mit medikamtenöser Behandlung stärker als durch medikamentöse Behandlung alleine?
Interessenskonflikte: keine laut Autorinnen und Autoren

Gagrani M, Faiq MA, Sidhu T, Dada R, Yadav RK, Sihota R, Kochhar KP, Verma R, Dada T. Meditation enhances brain oxygenation, upregulates BDNF and improves quality of life in patients with primary open angle glaucoma: A randomized controlled trial. Restor Neurol Neurosci. 2018;36(6):741-753. (Zusammenfassung der Studie)

[3] Kaluza & Strempel (1995)
Studienart: randomisiert-kontrollierte Studie
Teilnehmende: 23 Personen zwischen 24 und 69 Jahren mit primärem Offenwinkel-Glaukom
Untersuchungsdauer: 8 Wochen
Fragestellung: Sinkt der Augeninnendruck durch Autogenes Training stärker als ohne Autogenes Training?
Interessenskonflikte: Angaben fehlen

Kaluza G, Strempel I. Effects of self-relaxation methods and visual imagery on IOP in patients with open-angle glaucoma. Ophthalmologica. 1995;209(3):122-8. (Zusammenfassung der Studie)

Weitere Quellen

[4] IQWIG (2016)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Grüner Star (Glaukom). Abgerufen am 16.5.2019 unter www.gesundheitsinformation.de

[5] Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (2016)
Druck ablassen für die Augen: Autogenes Training und Co. helfen bei Grünem Star. Pressemitteilung. Abgerufen am 16.5.2019 unter www.dog.org

[6] UpToDate (2019)
Jacobs DS. Open-angle glaucoma: Epidemiology, clinical presentation, and diagnosis. In Givens J (ed.). UpToDate. Abgerufen am 16.5.2019 unter www.uptodate.com

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