Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Genmais: Hysterie oder reale Gefahr?

Genmais soll Medienberichten zufolge Krebs auslösen. Tierstudien dazu sind jedoch mangelhaft und nicht aussagekräftig. Langzeitrisiken für den Menschen sind zu wenig untersucht.

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Review:  Claudia Christof 

Ist der Verzehr von gentechnisch verändertem Mais gesundheitlich bedenklich?

Mehrere Fütterungsstudien an Ratten über kurze Zeiträume liefern keine eindeutigen Hinweise auf eine gesundheitliche Bedenklichkeit verschiedener gentechnisch veränderter Maissorten Ob möglicherweise Nebenwirkungen über einen längeren Zeitraum auftreten können, lässt sich aufgrund fehlender aussagekräftiger Langzeitstudien am Menschen nicht beantworten.

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© stevanovicigor - iStockphoto.com Genmais - schaden gentechnisch veränderte Pflanzen unserer Gesundheit?
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Als eine französische Forschergruppe 2012 eine Studie über eine angeblich krebserregende Genmaissorte der Firma Monsanto veröffentlichte, sorgte das für gehöriges Aufsehen. Zahlreiche Medien berichteten über die offenbar verheerenden Auswirkungen der EU-weit als Futter- und Lebensmittel zugelassenen Maissorte NK603, die bei Ratten horrende Tumore hervorzurufen schien.

Auch wenn in Österreich und mehreren anderen EU-Staaten keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut werden dürfen, sind in der EU prinzipiell einzelne genmanipulierte Pflanzen zum Anbau zugelassen. Der Hauptmarkt für gentechnisch verändertes Saatgut liegt jedoch in den USA. Auf 70% aller Maisfelder wachsen dort gentechnisch veränderte Pflanzen, bei Sojabohnen sind es gar 93%.

Viele gentechnisch veränderte Maissorten enthalten ein künstlich eingefügtes Gen, das sie gegen Schädlingsbefall wie zum Beispiel die Larven des Maiszünslers schützt. Das eingefügte Gen, welches ursprünglich aus dem Erbgut eines Bodenbakteriums stammt, liefert der Maispflanze den Bauplan für die Produktion eines Giftstoffes gegen die Larven des Schädlings. Häufig wird in das Erbgut gentechnisch veränderter Maispflanzen auch ein Gen eingefügt, das sie gegen das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat (Markenname Roundup®) widerstandsfähig macht. Dies ist beispielsweise bei der Maissorte NK603 der Firma Monsanto der Fall, die in der 2012 veröffentlichten französischen Tierstudie untersucht worden war. [1]

Genmais-Studie zurückgezogen

Ein Jahr nachdem die Forschergruppe um Gilles-Eric Séralini diese Studie veröffentlicht hatte, musste sie wieder zurückgezogen werden. Der Grund waren zahlreiche Unstimmigkeiten und fachliche Einwände anderer Wissenschaftler [1].

Kritik an der Durchführung dieser Fütterungsstudie kam aus vielen Richtungen, so auch von vielen Wissenschaftlern, die der Firma Monsanto in keiner Weise nahe stehen. Die medizinjournalistische Plattform Medien-Doktor.de hat eine große Anzahl dieser kritischen Kommentare und wissenschaftlichen Analysen zusammengetragen. Details zu der zurückgezogenen Studie finden sich im Kasten „Die Séralini-Studie im Detail“ am Ende dieses Beitrags.

Gefährdung für Menschen nicht erforscht

Ob gentechnisch veränderte Maissorten eine eventuelle Gesundheitsgefahr für den Menschen darstellen können, ist bis heute nur wenig erforscht. Praktisch alle bisher durchgeführten wissenschaftlichen Untersuchungen sind Fütterungsstudien an Tieren über einen Zeitraum von gerade 90 Tagen.

Einer zusammenfassenden Analyse bisheriger Studienergebnisse zufolge [2] wurde nur eine einzige Fütterungsstudie über eine längere Dauer als 90 Tage durchgeführt. Untersucht wurde die Auswirkung von Maiszünsler-resistentem Futtermais auf Milchkühe. Die Verfasser der Studie fanden zwar einige Unterschiede im Vergleich zur Milch konventionell gefütterter Tiere, diese lagen aber durchaus im – bei Milchkühen üblichen – Rahmen.

Von insgesamt 12 Fütterungsstudien mit gentechnisch verändertem Mais zeigte die Mehrzahl (9 von 12) keinerlei Auffälligkeiten, so das Ergebnis einer weiteren zusammenfassenden Analyse. [3] In allen Fällen unterschieden sich diejenigen Ratten, die Genmais im Futter erhielten, nicht von jenen Tieren mit herkömmlichem Maisfutter. [2] [3] Lediglich in einer Studie wurden leicht unterschiedliche Blutwerte festgestellt. Diese führten die Autoren aber auf die höhere Konzentration von Maismehl im Vergleich zu den herkömmlich gefütterten Tieren zurück.

In zwei früheren Arbeiten der Forschergruppe rund um Séralini fanden die Autoren hingegen deutliche Unterschiede zwischen herkömmlich gefütterten und Genmais-gefütterten Ratten. Eine dieser Arbeiten [4] erregte bei ihrer Veröffentlichung im Jahr 2007 einiges an Aufsehen. Nachdem Séralini vor Gericht die Herausgabe der Rohdaten einer von Monsanto durchgeführten Fütterungsstudie [5] erzwungen hatte, analysierte er und sein Team diese Daten erneut. Dabei entdeckten die kritischen Wissenschaftler scheinbar auffällige Unterschiede zwischen den „Genmais-Tieren“ und jenen der Vergleichsgruppe.

Wenig aussagekräftig

Bei näherer Betrachtung erwiesen sich diese Auffälligkeiten jedoch als wenig aussagekräftig, da sie auch zufällig aufgetreten sein hätten können. Wie auch eine Expertengruppe der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA feststellte, bestand kein Zusammenhang der gefundenen Auffälligkeiten mit der Genmais-Dosis, sie blieben über die Dauer der Studie nicht bestehen und zeigten sich einmal nur bei weiblichen und dann wieder nur bei männlichen Tieren, nie aber in konsistenter und wiederholbarer Art und Weise. [6] Die einzige Schlussfolgerung, die aus der Studie gezogen werden konnte, war folglich, dass die Anzahl der untersuchten Tiere zu gering sowie die Dauer der Studie zu kurz war, um eindeutige Ergebnisse zu erhalten.

Den Autoren einer der Übersichtsarbeiten [3] zufolge zeigten sich in einer weiteren Fütterungsstudie des Séralini-Labors mögliche Hinweise auf Auffälligkeiten bestimmter Blut- und Leberwerte. Diese wurden auf die für die Maisaufzucht verwendeten Schädlingsbekämpfungsmittel zurückgeführt – einen Zusammenhang mit den gentechnischen Veränderungen der Maispflanzen wollten die Wissenschaftler aber nicht ausschließen.

Giftigkeit unwahrscheinlich, aber Langzeitgefährdung nicht untersucht

Welche Schlussfolgerungen lassen sich nun aus den zahlreichen Fütterungsstudien ziehen? Konkrete Hinweise auf eine merkbare Giftigkeit gentechnisch veränderter Maispflanzen für den Menschen gibt es jedenfalls in der wissenschaftlichen Literatur noch keine – und das bei einem Anteil von immerhin 70% Genmais an allen in den USA angebauten Maispflanzen.

Dass eine Gesundheitsgefährdung durch Genmais unwahrscheinlich ist, ist auch die Meinung einer Expertengruppe der EFSA, welche von den Autoren einer systematischen Übersichtsarbeit zitiert wird. [3] Wie die EFSA in der Beurteilung der wiederholten Analyse der Monsanto-Daten durch Séralini [6] aber zugibt, können bei Fütterungsstudien zur Feststellung der eventuellen Giftigkeit von gentechnisch veränderten Lebensmitteln nicht dieselben Maßstäbe angewandt werden wie dies bei der Überprüfung der Giftigkeit von Chemikalien der Fall ist. Dabei wird Ratten ein Vielfaches der Menge einer Chemikalie verabreicht, die für Menschen als noch harmlos vermutet wird. Bei Genfuttermitteln ist dies aber nicht möglich, da nicht die Auswirkung von Überfütterung auf die Tiere untersucht werden soll.

Die EFSA betont zudem, dass derartige Fütterungsstudien nicht die alleinige Grundlage für die Beurteilung der Harmlosigkeit von gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln sind. Eine wichtige Rolle spielt der Vergleich sämtlicher Inhaltsstoffe mit denen herkömmlich gezüchteter Speisepflanzen. Untersucht werden dann all jene Inhaltsstoffe, die in konventionellen und Gen-Pflanzen in unterschiedlichen Mengen oder überhaupt nur in der Genpflanze vorkommen. [6]

Dennoch existieren keine Untersuchungen, um mögliche seltene Langzeit-Auswirkungen beim Menschen ausschließen zu können – immerhin unterscheidet sich ein Mensch doch in mehreren Merkmalen deutlich von einer Ratte. Auch Fragen nach möglichen Auswirkungen auf das Ökosystem, welches durch den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen beeinflusst werden könnte, werden durch Fütterungsstudien an Ratten nicht beantwortet.

Die Studien im Detail

Die Forschergruppe rund um Gilles-Eric Séralini untersuchte in ihrer mittlerweile zurückgezogenen Studie [1] 200 Ratten, von denen 120 gentechnisch veränderten NK603-Mais in unterschiedlichen Konzentrationen zu fressen bekamen. 60 Tiere bekamen gewöhnlichen Mais, erhielten aber zusätzlich das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat, mit dem die NK603-Maisfelder gewöhnlich besprüht werden. Als Vergleichsgruppe für die 120 „Genmais-Ratten“ dienten daher nur die restlichen 20 Tiere, die konventionell angebauten Mais ohne Spritzmittel im Futter erhielten. Nach Ansicht vieler Forscher eine viel zu geringe Zahl, um eine klare Aussage treffen zu können. Üblich seien in etwa ähnlich viele Vergleichstiere wie in der Behandlungsgruppe.

Die Wissenschaftler um Séralini schlossen anhand der Ergebnisse ihrer Fütterungsstudie, dass der regelmäßige Verzehr der gentechnisch veränderten Maissorte NK603 über einen Zeitraum von 2 Jahren Ratten deutlich früher sterben ließ und zudem häufiger Krebs auslöste als bei Futter aus herkömmlichem Mais. 2 Jahre entsprechen dabei in etwa der Lebenserwartung einer Ratte.

Nicht nachvollziehbar

Sieht man sich die Séralini-Studie [1] jedoch genauer an, lassen sich diese Schlussfolgerungen nur schwer nachvollziehen. So scheinen in manchen – aber nicht allen – Fällen tatsächlich einige der Tiere, die Genmais gefressen hatten, früher zu sterben als die Vergleichstiere mit konventionellem Maisfutter. Nach 2 Jahren waren aber etwa bei den männlichen Tieren der Vergleichsgruppe deutlich mehr Tiere gestorben als bei den „Genmais-Ratten“ oder jenen Tieren, die konventionellen Mais in Kombination mit dem Unkrautmittel Glyphosat bekommen hatten.

Interessanterweise schienen zudem jene Tiere, die die höchste Genmais-Konzentration im Futter erhielten, weitaus länger zu leben als Tiere mit niedrigerem Anteil an gentechnisch verändertem Futtermais. Selbiges zeigt sich auch beim Auftreten von Tumoren – Tiere mit niedrigem Genmais-Anteil in der Nahrung schienen häufiger von Krebs befallen zu werden als jene mit hoher Genmais-Konzentration im Futter.

Bei dem untersuchten Rattenstamm handelte es sich des Weiteren um Tiere, die auch bei normaler Fütterung sehr häufig Tumore entwickeln. [7] Aufgrund all dieser Tatsachen sowie der sehr geringen Anzahl an Vergleichstieren mit konventioneller Maisfütterung liegt der Verdacht nahe, dass es sich bei den Ergebnissen um bloße Zufallsschwankungen handelt. Wären es tatsächlich mehr als zufällig auftretende Einzelergebnisse, ließe sich das anhand einer in Wissenschaftskreisen üblichen statistischen Datenauswertung klar zeigen. Auf eine solche statistische Auswertung haben die französischen Forscher offenbar aber verzichtet.

[1] Séralini u.a. 2012
Studientyp: Tierstudie an Ratten
Fragestellung: Beeinflussen genmodifiziertes Maisfutter oder ein Glyphosat-hältiges Unkrautmittel die Lebenserwartung, Gesundheit und Krebsneigung von Laborratten?
Studiendauer: 2 Jahre
Mögliche Interessenskonflikte: 2 Autoren sind leitende Mitglieder der Gentechnik-kritischen Non-Profit-Organisation CRIIGEN (Committee for Research & Independent Information on Genetic Engineering), außerdem Unterstützung durch die Gentechnik-kritische Non-Profit-Organisation „Sustainable Food Trust“.

Titel: „Long term toxicity of a Roundup herbicide and a Roudup-tolerant genetically modified maize“. Food Chem Toxicol. 2012 Sep 11. pii:S0278-6915(12)00563-7. (Studie im Volltext)

[2] Snell u.a. (2012)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 24 Langzeit-Tierstudien (12 Langzeit-Fütterungsstudien über mehr als 90 Tage (davon eine zu Mais) und 12 Fütterungsstudien über mehr als eine Generation)
Fragestellung: Hat das Verfüttern von genmanipulierten Futterpflanzen über mehr als 90 Tage eine gesundheitsbeeinträchtigende Auswirkung auf verschiedene Tiere?
Mögliche Interessenskonflikte: keine Angaben

Titel: „Assessment of the health impact of GM plant diets in long-term and multigenerational animal feeding trials: a literature review“. Food Chem Toxicol. 2012 Mar;50(3-4):1134-48. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[3] Domingo u.a. (2011)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 26 Tierstudien (davon 12 mit gentechnisch verändertem Mais)
Fragestellung: Hat das Verfüttern von genmanipulierten Futterpflanzen eine gesundheitsbeeinträchtigende Auswirkung auf verschiedene Tiere?
Mögliche Interessenskonflikte: keine Angaben

Titel: „A literature review on the safety assessment of genetically modified plants“. Environ Int. 2011 May;37(4):734-42. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[4] Séralini u.a. (2007)
Re-Analyse der Monsanto-Studie von Hammond 2006

Titel: „New analysis of a rat feeding study with a genetically modified maize reveals signs of hepatorenal toxicity.“ Arch Environ Contam Toxicol. 2007 May;52(4):596-602. (Zusammenfassung der Studie)

[5] Hammond u.a. (2006)
Studientyp: Tierstudie an Ratten
Fragestellung: Beeinflussen genmodifiziertes Maisfutter auf Basis der Maissorte MON863 die Gesundheit von Laborratten?
Studiendauer: 90 Tage

Mögliche Interessenskonflikte: Finanzierung durch Firma Monsanto (Hersteller des Genmaises)

Titel: „Results of a 90-day safety assurance study with rats fed grain from corn rootworm-protected corn“. Food Chem Toxicol. 2006 Feb;44(2):147-60. (Zusammenfassung der Studie)

[6] Doull u.a. (2007)
Re-Analyse der Re-Analyse von Séralini

Mögliche Interessenskonflikte: Finanzielle und technische Unterstützung durch Monsanto

Titel: „Report of an Expert Panel on the reanalysis by of a 90-day study conducted by Monsanto in support of the safety of a genetically modified corn variety (MON 863)“. Food Chem Toxicol. 2007 Nov;45(11):2073-85. Epub 2007 Aug 30. (Zusammenfassung der Studie)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[7] Kaspareit J & Rittinghausen S (1999). Spontaneous neoplastic lesions in Harlan Sprague-Dawley rats. Exp Toxicol Pathol. 1999 Jan;51(1):105-7. (Zusammenfassung der Arbeit)

Aktualisiert, ursprünglich veröffentlicht am 16. 10. 2012. Die Studie von Séralini [1] wurde im Jänner 2014 zurückgezogen, seitdem sind keine neuen Studien veröffentlicht worden.

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