Amalgam: Zahnfüllung schädlich oder nicht?

Viele Menschen befürchten, dass Zahnfüllungen aus Amalgam schädlich sind und Krankheiten auslösen. Studien an Schulkindern sprechen eher dagegen.

Review:  Jana Meixner 

Sind Füllungen aus Amalgam unbedenklich für die geistige oder körperliche Gesundheit?

In Vergleichsstudien haben sich keine Gesundheitsprobleme oder Entwicklungsunterschiede gezeigt, wenn Schulkinder bis zu 7 Jahre lang Zahnfüllungen aus Amalgam statt aus Kunststoff tragen. Kinder mit Amalgamfüllungen scheinen zwar geringfügig mehr Quecksilber im Körper zu haben. Die Mengen gelten jedoch als zu gering, um schädlich für die Gesundheit zu sein.

so arbeiten wir
Ein Junge sieht ein vor sich liegendes Gebissmodell kritisch an Sind die Sorgen wegen Amalgamfüllungen berechtigt?
© Anna Hoychuk – shutterstock.com

Für die einen ist es alt bewährt und lange haltbar – für die anderen ist es gesundheitsgefährdend und krankmachend: Amalgam. Seit mehr als 150 Jahren verschließen Zahnärztinnen und Zahnärzte mit dem silbergrauen Füllmaterial Karieslöcher [4,5]. Fast genauso lange diskutieren Wissenschaftlerinnen, Ärzte, Patientinnen und Eltern über möglicherweise schädliche Auswirkungen von Amalgam.

Schließlich besteht Amalgam zur Hälfte aus Quecksilber. Dieses Schwermetall kann bei entsprechender Dosierung die Gesundheit schädigen. Insbesondere Gehirn, Nerven und Nieren reagieren empfindlich darauf [2,4,5,6].

In der Tat ist Quecksilber auch im Körper von Personen mit Amalgamfüllungen nachweisbar – jedoch in sehr geringen Mengen, die als ungefährlich gelten [2].

Teilverbot für Amalgam als Vorsichtsmaßnahme

Dennoch gibt es Befürchtungen, dass selbst die niedrigen Quecksilbermengen aus Amalgamfüllungen ausreichen, um die noch unreifen Organe von Kindern zu schädigen und deren geistige und körperliche Entwicklung zu beeinträchtigen.

Diese Bedenken haben die Europäische Union dazu bewegt, auf Nummer Sicher zu gehen und das Einsetzen von Amalgamfüllungen einzuschränken. Einer EU-Verordnung zufolge dürfen schwangere und stillende Frauen sowie Kinder bis zum 15. Lebensjahr daher seit 2018 keine Amalgamfüllungen mehr erhalten [2]. Das Verbot soll die Quecksilberbelastung in der Kindheit so niedrig wie möglich halten.

Bei vielen Eltern sorgt dies für Verunsicherung: Wie hoch ist das Risiko für ihren Nachwuchs, wenn dieser bereits Zahnfüllungen mit Amalgam hat? Wir haben uns die Studienlage dazu angesehen.

Kein Nachteil im Vergleich zu Kunststofffüllung

Bisher haben zwei Studien [1] untersucht, ob Amalgamfüllungen der Gesundheit schaden. Teilgenommen haben rund 1000 Buben und Mädchen. Die Hälfte von ihnen hatte im Alter zwischen 6 und 12 Jahren Amalgamfüllungen bekommen, die andere Hälfte Kunststofffüllungen.

Fünf bis sieben Jahre später fanden die Forschenden keinen Hinweis auf einen Gesundheits-Nachteil von Amalgam. Die Ergebnisse deuteten auf keine Auffälligkeiten in der Amalgam-Gruppe hin – weder beim Gedächtnis, bei der Aufmerksamkeit, beim Verhalten, bei psychischen Problemen oder bei Nervenerkrankungen noch beim Wachstum und der Entwicklung des Körpers, beim Immunsystem oder bei der Funktion der Nieren.

Mehr Forschung nötig

Die Ergebnisse sind zwar mit Unsicherheit behaftet. Trotzdem: Die bisherigen Studiendaten liefern keinen Anlass für den Verdacht, Amalgam könnte schädlich für die Gesundheit sein.

Einen Unterschied fanden die Forscherinnen und Forscher allerdings doch: Die Kinder mit Amalgamfüllungen hatten geringfügig mehr Quecksilber im Körper als die mit Kunststofffüllungen. Die Werte lagen allerdings deutlich unterhalb der gesundheitlich bedenklichen Konzentration [1,2,6].

Für die beiden Studien wurden die jungen Teilnehmenden fünf beziehungsweise sieben Jahre lang untersucht. Ob Amalgamfüllungen nach deutlich längerer Zeit doch ein Gesundheitsrisiko sind, könnten nur zukünftige Untersuchungen beantworten.

Unbestätigte Befürchtungen

Die beiden Studien haben die möglichen Auswirkungen auf Gehirn, Nervensystem und Nieren untersucht. Von diesen Organen ist bekannt, dass sie am ehesten durch Quecksilber beeinträchtigt werden. Manche haben jedoch die Sorge, das Quecksilber aus Amalgamfüllungen könnte andere Gesundheitsprobleme verursachen, etwa Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Verdauungsstörungen oder eine erhöhte Anfälligkeit für Infekte.

Für diese Gesundheitsprobleme finden Ärztinnen und Ärzte nicht immer eine Ursache. Manche Betroffene befürchten daher, dass Amalgam schuld an diesen Beschwerden sein könnte [4].

Amalgam weg, Beschwerden weg?

Ob sich solche Beschwerden bessern, wenn Betroffene sich die Amalgamfüllungen entfernen lassen, hat eine weitere Studie an 90 Personen untersucht. Die Teilnehmenden hatten verschiedenste Beschwerden und waren überzeugt, dass das Amalgam in ihren Zahnfüllungen die Ursache dafür waren [4]. In der Hoffnung auf Linderung ließ sich ein Teil von ihnen die Füllungen entfernen. Die restlichen Teilnehmenden nahmen stattdessen an einem speziellen Gesundheitstraining teil.

Im Anschluss zeigte sich jedoch kein Unterschied: In beiden Gruppen fühlten sich die Teilnehmenden besser. Das Amalgam schien also nicht die Ursache für die Beschwerden gewesen zu sein [4]. Auch für diese Studie gilt aber: Die Ergebnisse sind nur eingeschränkt aussagekräftig, mehr Forschung wäre notwendig.

Kunststofffüllungen: häufigerer Austausch

Die beiden Studien haben nicht nur Risiken von Amalgam untersucht, sondern auch mögliche Vorteile. Mit Kunststoff gefüllte Zähne schienen deutlich häufiger erneut Karies zu entwickeln. Konkret zeigte sich nach fünf bis sieben Jahren:

  • An Zähnen mit Amalgamfüllung bildeten sich bei 6 von 100 Kindern erneut Karies
  • An Zähnen mit Kunststofffüllung bildeten sich bei 12 von 100 Kindern erneut Karies

Zähne mit Kunststofffüllungen müssen vermutlich also häufiger neu behandelt werden als solche mit Amalgamfüllungen.

Zweckmäßig aber unästhetisch

Amalgam besteht zur Hälfte aus Quecksilber, zur anderen Hälfte aus Metallpulver aus Silber, Zinn, Zink und Kupfer. Kurz nach dem Zusammenmischen lässt sich diese Metallmischung noch formen und an das Loch im Zahn anpassen. Bald reagieren die Metalle jedoch miteinander und das Amalgam wird hart und lange haltbar.

Beim Einsetzen und Entfernen einer Amalgamfüllung kommt es kurzfristig zu einem Anstieg der Quecksilberwerte [2]. Grund dafür ist freiwerdender Quecksilberdampf, der durch das Einatmen in den Körper gelangt. Auch in der Zeit dazwischen tritt aus den Füllungen in geringen Mengen Quecksilber aus.

Wieviel Quecksilber im Alltag aus Amalgam frei wird, ist unterschiedlich. Etwas mehr wird beispielsweise bei Menschen freigesetzt, die im Schlaf mit den Zähnen knirschen [6]. Über belastete Nahrungsmittel wie Thunfisch nehmen wir üblicherweise aber deutlich mehr Quecksilber auf als über Amalgamfüllungen [6].

Intakte Amalgamfüllung im Mund lassen

Obwohl bislang kein Zusammenhang zwischen Amalgam und gesundheitlichen Problemen nachgewiesen wurde, wollen viele Menschen ihre silbergrauen Füllungen trotzdem loswerden – sei es aus Sorge, oder auch aus ästhetischen Gründen. Da aber gerade beim Aufbohren der Füllungen Quecksilber freigesetzt wird, raten Expertinnen und Experten des deutschen Robert Koch Instituts davon ab, eine intakte Amalgamfüllung gegen eine aus Kunststoff tauschen zu lassen. Ihnen zufolge sollten insbesondere Schwangere davon Abstand nehmen [2,4,5].

Selten: Reaktionen im Mund

In seltenen Fällen kann ein Austausch jedoch sinnvoll sein, und zwar wenn Personen auf Bestandteile des Amalgams allergisch reagieren [2,6]. Möglicherweise hilft eine Entfernung der Amalgamfüllungen auch bei einer hartnäckigen Entzündung der Mundschleimhaut (Lichen planus) [7].

Auch Kunststofffüllungen unzureichend erforscht

Auch Füllungen aus Kunststoff können in seltenen Fällen zu allergischen Reaktionen führen. Die zahnfarbenen Füllungen enthalten verschiedene Kunststoffbestandteile, deren mögliche Wirkung auf den Körper noch nicht gänzlich erforscht ist. Nebenwirkungen sind daher auch bei ihnen nicht ausgeschlossen [2].

Die beste Füllung ist keine Füllung

Beinahe jedes zweite Kind im Alter von sechs Jahren hat zumindest einen löchrigen Zahn. Daher empfehlen Zahnärztinnen und Zahnärzte, schon bei kleinen Kindern auf gute Mundhygiene zu achten [3]. Regelmäßige und gründliche Zahnpflege mit einer Fluorid-haltigen Zahnpasta kann Karies wirksam vorbeugen (siehe: Fluorid-Zahnpasta: kein Hinweis auf Gesundheitsgefahr?). Damit erübrigt sich auch die Sorge um mögliche schädliche Auswirkungen von Zahnfüllungen. Denn: Die beste Füllung ist wohl die, die nicht gebraucht wird.

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Am besten lassen sich mögliche Gesundheitsschäden durch Amalgam in Studien untersuchen, welche die Auswirkungen von Amalgamfüllungen mit denen anderer Füllungen vergleichen.

Eine mögliche Art, dies zu untersuchen, sind sogenannten Beobachtungsstudien. Dabei entscheiden die Eltern oder Zahnärztinnen und -ärzte, ob die teilnehmenden Kinder Füllungen aus Amalgam oder Kunststoff bekommen. Ein Forschungsteam vergleicht viele Jahre später, ob in der Gruppe mit Amalgam häufiger Gesundheitsprobleme auftreten.

Bei dieser Art von Studie lässt sich allerdings nicht ausschließen, dass andere Dinge als das Amalgam die Gesundheitsprobleme verursacht haben. Beispielsweise könnte es sein, dass sich Eltern mit wenig Geld eher für das günstige Amalgam entscheiden, anstatt für Kunststofffüllungen zu zahlen. Kinder aus Familien mit wenig Geld haben jedoch auch sonst vermehrt Gesundheitsprobleme.

Aussagekräftiger sind randomisiert-kontrollierten Studien. Dabei werden die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip (randomisiert) zwei Gruppen zugeteilt: eine Gruppe bekommt Amalgamfüllungen, die andere Gruppe (die Kontrollgruppe) Füllungen aus Kunststoff. Die zufällige Gruppenzuteilung sorgt dafür, dass andere Einflüsse in beiden Gruppen gleich verteilt sind. Ein Vergleich von Gesundheitsproblemen Jahre später wäre also unbeeinflusst von Faktoren wie Armut oder Wohlstand der Eltern.

Bei unserer Recherche haben wir zwei Forschungsdatenbanken nach Studien durchsucht. Gefunden haben wir eine systematische Übersichtsarbeit [1], die die bisherige Studienlage objektiv zusammenfasst. Untersucht wurde die mögliche Gesundheitsgefährdung bisher nur in randomisiert-kontrollierten Studien. Aussagekräftige Beobachtungsstudien haben wir keine gefunden.

Wie aussagekräftig sind die Studien?

Folgende Mängel schwächen unser Vertrauen in diese Studien:

  • Mögliche Verzerrung durch Erwartungen: In einer aussagekräftigen Studie wissen weder die teilnehmenden Personen noch die untersuchenden Wissenschaftler und Forscherinnen, wer welche Behandlung erhält. Diese sogenannte “Verblindung“ soll sicherstellen, dass weder die Erwartungen des Forschungsteams noch die der teilnehmenden Kinder und ihrer Eltern das Ergebnis verzerren. In diesen Studien war jedoch allen Beteiligten bewusst, wer welche Art von Füllung erhalten hatte.
  • Große Schwankungsbreite: Die Forschungsteams untersuchten die geistigen und körperlichen Auswirkungen nicht bei allen Teilnehmenden. Dadurch war die Schwankungsbreite der Ergebnisse teilweise groß. Beim Vergleich der beiden Gruppen lässt sich ein erhöhtes Risiko durch Amalgam deshalb nicht mit Sicherheit ausschließen.
  • Große Anzahl an Vergleichen:In einer Studie waren die Ergebnisse widersprüchlich – mal besser mit Amalgam, mal besser mit Kunststoff. Die Forschenden verglichen die Kinder allerdings in rund 60 psychologischen Teilbereichen (Verhalten in verschiedenen Umgebungen, verschiedene Gedächtnisarten, Umgang mit Gefühlen in verschiedenen Situationen etc). Je mehr Parameter man vergleicht, umso eher findet sich auch der eine oder andere scheinbare Unterschied, der in Wirklichkeit nur auf Zufall basiert. Die zweite Studie fand keinen Nachteil durch Amalgam in diesen Bereichen.

[1] Worthington (2021)
Worthington HV, Khangura S, et al. Direct composite resin fillings versus amalgam fillings for permanent posterior teeth. Cochrane Database Syst Rev. 2021 Aug 13;8(8):CD005620 (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[2] Europäische Union (2015)
EU, SCENIHR (Scientific Committee on Emerging and Newly-Identified
Health Risks), Scientific opinion on the Safety of Dental Amalgam and Alternative Dental Restoration Materials for Patients and Users (update), 29 April 2015. Abgerufen am 1.6.2023 unter: https://ec.europa.eu/health/scientific_committees/emerging/docs/scenihr_o_046.pdf

[3] Bodenwinkler (2016)
Bodenwinkler, Andrea; Sax, Gabriele; Kerschbaum, Johann (2017): Länder-Zahnstatuserhebung 2016: Sechsjährige in Österreich. Zahnstatus sechsjähriger Kinder mit und ohne Migrationshintergrund. Gesundheit Österreich, Wien. Abgerufen am 5.6.2023 unter: https://jasmin.goeg.at/300/1/L%C3%A4nder-Zahnstatuserhebung_2016_Final.pdf

[4] Robert Koch-Institut (2007)
Amalgam: Stellungnahme aus umweltmedizinischer Sicht, Mitteilung der Kommission „Methoden und Qualitätssicherung in der Umweltmedizin“. Abgerufen am 1.6.2023 unter: https://edoc.rki.de/handle/176904/287

[5] Robert Koch-Institut (2007)
Kommission „Methoden und Qualitätssicherung in der Umweltmedizin“ des Robert Koch-Instituts, Materialienband zur Kommissionsmitteilung „Amalgam“. Abgerufen am 1.6.2023 unter: https://edoc.rki.de/handle/176904/286

[6] UpToDate (2023)
Beauchamp , Mercury toxicity. Abgerufen am 1.6.2023 unter https://www.uptodate.com/contents/mercury-toxicity (Zugriff kostenpflichtig)

[7] UpToDate (2023)
Lodi G. Oral lesions. Abgerufen am 5. 6. 2023 unter https://www.uptodate.com/contents/oral-lesions/

  • 13. 6. 2023: eine aktuellere Übersichtsarbeit [1] über die bisherige Studienlage schwächt unsere Einschätzung der Aussagekraft der bisherigen Studien etwas ab.
  • 16. 5. 2018: erste Version

In über 500 Faktenchecks suchen