Zahnpasta mit Fluorid: eher unbedenklich

Einem Gerücht zufolge ist Fluorid aus der Zahnpasta gesundheitsschädlich. Vergiften wir uns also täglich? Oder handelt es sich hier um Panikmache?

AutorIn:
Review:  Jana Meixner 

Ist Zahnpasta mit Fluorid gesundheitlich unbedenklich, wenn Kinder damit sachgemäß ihre Zähne putzen?

Zumindest innerhalb von zwei Jahren scheinen durch Fluoridhaltige Zahnpasta eher keine Gesundheitsprobleme aufzutreten – zumindest bei sachgemäßer Anwendung. Darauf weist eine einer Studie hin, an der fast 1000 Kinder teilnahmen. Die Studie hatte allerdings Mängel. Das schränkt unser Vertrauen in die Ergebnisse ein. Über längere Zeiträume wurde die Sicherheit von Fluorid in der Zahnpasta wissenschaftlich bisher nicht untersucht.

so arbeiten wir
© Userba011d64_201 – istockphoto.com Zähneputzen mit kleinen Kinder kann sehr herausfordernd sein.
© Userba011d64_201 – istockphoto.com

Zahnbelag, schlechte Mundhygiene und häufiger Zuckerkonsum – Karies entsteht meist, wenn diese drei Faktoren zusammenkommen. Die Folgen sind Löcher in den Zähnen und Schmerzen. Schreitet die Erkrankung unbehandelt fort, kann auch der Verlust von Zähnen drohen [3].

Weniger Karies mit Fluorid

Fluorid härtet den Zahnschmelz und macht ihn so weniger anfällig für Karies [8]. Regelmäßiges Zähneputzen mit Fluorid-haltigen Zahnpasten kann deshalb das Karies-Risiko vermindern. Das ist wissenschaftlich gut belegt [6].

Ebenso gut belegt ist, dass Fluorid der Gesundheit auch schaden kann. Dazu muss es allerdings in großen Mengen in den Körper gelangen. Das passiert vor allem, wenn es über den Verdauungstrakt aufgenommen wird – über Trinkwasser mit sehr hohem Fluorid-Gehalt zum Beispiel, durch Nahrungsergänzungsmittel oder wenn Kinder Zahnpasta oder Mundspülung in großen Mengen verschlucken.

Doch können Gesundheitsschäden auch auftreten, wenn Kinder sich mit handelsüblicher Zahnpasta sachgemäß ihre Zähne putzen? Wir wollten wissen, ob die Forschung Antworten auf diese Frage liefern kann. Dazu haben wir wissenschaftliche Datenbanken nach zusammenfassenden Übersichtsarbeiten zu diesem Thema durchsucht.

Gesundheitsgefahr? Eher nicht.

In bisherigen Studien scheinen keine gesundheitsschädlichen Auswirkungen aufgetreten zu sein. Auch weiße Flecken (Fluorose) auf den Zähnen sind nicht gehäuft aufgetreten. Das wäre typischerweise die erste sichtbare Auswirkung einer längerfristigen Fluorid-Überdosierung. Auch andere negative Auswirkungen sind den teilnehmenden Kindern oder ihren Eltern nicht aufgefallen.

Unser Vertrauen in die Ergebnisse dieser Studienergebnisse ist allerdings eingeschränkt. Warum erklären wir im Abschnitt “Die Studien im Detail”.

Die Dosis macht das Gift

Sehr große Mengen Fluorid können eine akute Vergiftung auslösen. Die äußert sich mit Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und im schlimmsten Fall Herz- und Nierenproblemen. Dafür müsste jedoch ein 12kg schweres Kleinkind mehr als zwei komplette Tuben Kinderzahnpasta verschlucken, ein 20kg schweres Kind sogar drei Tuben.

Nimmt jemand dauerhaft zu viel Fluorid zu sich, können Flecken auf den Zähnen entstehen. Fachleute nennen das Zahn-Fluorose. Noch größere Mengen Fluorid können über einen längeren Zeitraum eine sogenannte Skelett-Fluorose auslösen. Dabei werden die Knochen sehr hart, aber spröde, und können leichter brechen. Auch Sehnen und Bänder können verkalken. Das macht die Gelenke steif und unbeweglich. Solche schweren Fälle von Skelett-Fluorose sind fast ausschließlich aus Gegenden mit hohem Fluorid-Gehalt im Trinkwasser bekannt. Das ist in Mitteleuropa jedoch nicht der Fall [5].

Es gibt auch Hinweise darauf, dass Fluorid das Risiko für eine Schilddrüsenunterfunktion erhöhen kann. Menschen, die mit Fluorid angereichertes Wasser trinken, dürften möglicherweise etwas häufiger betroffen sein [7]. In Österreich, Deutschland und der Schweiz wird dem Trinkwasser jedoch kein Fluorid zugesetzt.

Nicht zu fest auf die Tube drücken

Kleinere Kinder können die Zahnpasta nach dem Zähneputzen oft noch nicht so gut ausspucken und verschlucken größere Mengen als Erwachsene. Spezielle Kinderzahnpasten enthalten deshalb weniger Fluorid als Zahnpasten für Erwachsene und ältere Kinder [8]. Außerdem gibt es Empfehlungen, wie viel Zahnpasta auf die Kinderzahnbürste drauf soll: Je nach Fluorid-Gehalt und Alter des Kindes reicht eine Erbsen- oder gar Reiskorn-große Menge [8, 9].

Eine Übersicht dazu finden Sie unter: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/zaehne/zahnkrankheiten/karies-was-ist-das.html

Süßes und Saures

Karies entsteht, wenn Bakterien im Zahnbelag Zucker verdauen. Dabei bilden sich Säuren, die den Zahnschmelz angreifen. Solche kleineren Schmelzschäden machen sich zu Beginn als matte Flecken auf den Zähnen bemerkbar. In diesem Frühstadium lässt sich Karies mit fluoridhaltiger Zahnpasta häufig sogar noch „wegputzen“. Schreitet die Erkrankung jedoch fort, entstehen Löcher im Zahnschmelz. Zuletzt schädigt Karies auch tiefere Zahnschichten sowie den Zahnnerv und die Zahnwurzel [3].

Kinderzähne haben einen besonders empfindlichen Zahnschmelz. Das macht sie anfällig für Karies. Süßigkeiten und süße Getränke erhöhen das Karies-Risiko zusätzlich. Ganz besonders, wenn die Kinder zuckerhaltige Getränke aus einer Nuckelflasche trinken – denn dabei werden die Zähne dauernd mit Zucker umspült [3].

Karies als soziale Frage

Mehr als die Hälfte der Erstklässler können sich über ein kariesfreies Gebiss freuen. Doch das ist kein Anlass zu uneingeschränkter Freude. Denn: Die andere Hälfte der Sechsjährigen hat Karies – und zwar oft gleich an mehreren Zähnen. Viele der Löcher sind sogar unbehandelt. Dabei ist es kein Zufall, welche Kinder das betrifft: Kinder aus finanziell benachteiligten Familien haben deutlich schlechtere Zähne [4].

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Ob Zahnpasten mit Fluorid gesundheitsschädlich sein können, lässt sich am besten in Beobachtungsstudien oder sehr lange laufenden randomisiert-kontrollierten Studien herausfinden. In Beobachtungsstudien werden die Teilnehmenden über mehrere Jahre immer wieder untersucht und befragt. In randomisiert-kontrollierten Studien werden die Teilnehmenden per Zufall einer von zwei Gruppen zugeteilt. Die eine benutzt Fluorid-Zahnpasta, die andere Zahnpasta ohne Fluorid. Am Ende wird der Gesundheitszustand aller Teilnehmenden verglichen.

Wir haben nach Übersichtsarbeiten gesucht, die die Ergebnisse solche Studien zusammenfassen. Wir haben aber keine gefunden. Studien zu schädlichen Auswirkungen von Fluorid wurden vor allem zu Fluorid im Trinkwasser durchgeführt. Dass es schaden kann, größere Mengen Fluorid zu schlucken oder einzunehmen, ist bereits gut erforscht. Wir wollten jedoch speziell wissen, ob Zahnpasten schaden können, wenn man sie sachgemäß verwendet.

Allerdings gibt es randomisiert-kontrollierte Studien, die sich auf die Wirksamkeit der Fluoridzahnpasta gegen Karies konzentrierten, und unerwünschte Nebenwirkungen eher nebenbei erhoben.

Wie aussagekräftig sind die Studien?

Wir haben in einer zusammenfassenden Übersichtsarbeit eine solche Studie gefunden [1]. Diese hatte allerdings so große Mängel, dass unser Vertrauen in die Ergebnisse stark eingeschränkt ist. An der Studie nahmen 1200 Kinder teil, die zu Studienbeginn etwa 4 Jahre als waren. Die eine Hälfte verwendete Fluorid-Zahnpasta, die andere eine Zahnpasta ohne Fluorid. Nach zwei Jahren untersuchten die Forschenden, ob Flecken durch die Fluoridbehandlung aufgetreten waren. Außerdem wurden die Kinder und ihre Eltern befragt, ob ihnen Nebenwirkungen aufgefallen waren.

Ergebnisse gibt es jedoch nur von knapp 1000 Kindern. Denn: 200 der ursprünglich 1200 Teilnehmenden brachen die Studie ab – die Forschenden gaben dazu nur an, dass die Gründe für die Studienabbruch nichts mit der Behandlung zu tun hatten. Zusätzlich ist unklar, ob die Gruppen-Zuteilung wirklich zufällig war und ob die Gruppen zu Studienbeginn wirklich gut vergleichbar waren. Außerdem wurde die Studie von einer Firma finanziert, die Zahnpasta herstellt. Weiters war die Hälfte der Forschenden bei dieser Firma angestellt.

[1] Walsh et al. (2019). Fluoride toothpastes of different concentrations for preventing dental caries. Cochrane database of systematic reviews, (3). (Link zur Studie)

[2] Wright et al. (2014). Fluoride toothpaste efficacy and safety in children younger than 6 years: a systematic review. The Journal of the American Dental Association, 145(2), 182-189. (Link zur Studie)

[3] Gesundheitsinformation.de (2020)
Karies. Abgerufen am 06.07.2023 unter https://www.gesundheitsinformation.de/karies.html

[4] Bodenwinkler et al. (2017). Länder-Zahnstatuserhebung 2016: Sechsjährige in Österreich. Zahnstatus sechsjähriger Kinder mit und ohne Migrationshintergrund. Gesundheit Österreich, Wien. abgerufen am 06.07.2023 unter https://goeg.at/

[5] Uptodate (2022)
Fluoride. Abgerufen am 06.07.2023 unter https://www.uptodate.com/contents/overview-of-dietary-trace-elements?search=fluoride%20toxicity&source=search_result&selectedTitle=1~28&usage_type=default&display_rank=1 (kostenpflichtiger Zugang)

[6] Uptodate (2022)
Preventive dental care. Abgerufen am 06.07.2023 unter https://www.uptodate.com/contents/preventive-dental-care-and-counseling-for-infants-and-young-children?search=fluoride&source=search_result&selectedTitle=2~148&usage_type=default&display_rank=1 (kostenpflichtiger Zugang)

[7] American Thyroid Association (2015)
Abgerufen am 10.07. 2023 unter https://www.thyroid.org/patient-thyroid-information/ct-for-patients/volume-8-issue-6/vol-8-issue-6-p-3/

[8] gesundheit.gv.at (2022)
Fluorid. Abgerufen am 10.07.2023 unter https://www.gesundheit.gv.at/leben/ernaehrung/vitamine-mineralstoffe/spurenelemente/fluorid.html

[9] Gesundheitsinformation.de (2020)
Kariesprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen. Abgerufen am 10.07.2023 unter https://www.gesundheitsinformation.de/kariesprophylaxe-bei-kindern-und-jugendlichen.html

 

  • 07.07.2023: nachdem wir eine aktuelle Version einer zusammenfassenden Übersichtsarbeit gefunden hatten, änderte sich unsere Einschätzung
  • 15.11.2017: erste Version des Artikels

 

In über 500 Faktenchecks suchen