Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

E-Zigaretten: eh harmlos. Oder?

Sie qualmen fast geruchlos und setzen Nikotin frei. Aber sind elektrische Zigaretten tatsächlich eine gesündere Alternative zum Tabakrauchen?

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Sind elektrische Zigaretten weniger schädlich als Tabakrauchen?

Klinische Studien zu E-Zigaretten sind dünn gesät. Die Inhaltsstoffe sind extrem unterschiedlich, ihre langfristige Wirkung unbekannt. Gewissheit werden hier nur Langzeitstudien bringen.

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© scyther5 - Istockphoto.com Dampfen statt rauchen?
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E-Zigaretten gibt es inzwischen in allen möglichen Formen: Manche sehen aus wie Zigaretten, andere wie Shishas, oder sie dampfen als futuristisch anmutende Strom-Glimmstängel vor sich hin… Das Funktionsprinzip ist aber überall gleich: Batteriewärme verdampft eine spezielle Flüssigkeit, der dabei entstehende Nebel wird über ein Mundstück inhaliert.

Befürworter argumentieren, der E-Nebel sei weit weniger schädlich als herkömmlicher Zigarettenrauch. Aber sind E-Zigaretten tatsächlich die gesündere Alternative zum Rauchen? Helfen die Verdampfer dabei, von der Zigarette loszukommen? Oder züchten E-Zigaretten eine neue Generation Nikotinabhängiger heran?

E-Zigaretten: ein Wolf im Schafspelz?

Beim normalen Zigarettenrauchen entstehen durch das Verbrennen des Tabaks krebserregende und gesundheitsschädliche Substanzen wie Teer, die beim „Dampfen“ nicht anfallen [12]. Einige Wissenschaftlerinnen und Experten sind der Meinung, alleine schon deshalb würden elektrische Zigaretten der Gesundheit weniger schaden als das Rauchen von Tabak [15]. Durch gute Studien belegt ist diese Annahme allerdings nicht. Nur weil die Schadstoffe des Tabakrauchs fehlen, muss das nicht gleichbedeutend sein damit, dass E-Zigaretten ungefährlich sind.

Die Rauch-Geräte verdampfen eine Flüssigkeit, die neben dem Verneblungsmittel Propylenglykol und Glyzerin unterschiedliche Aroma- und Duftstoffe wie Menthol oder Linalool enthält. Meist ist außerdem Nikotin beigemengt. Mit jedem Zug an der Nicht-Zigarette wird also ein Gemisch aus verschiedensten Chemikalien inhaliert.

Bisher ist wenig darüber bekannt, was passiert, wenn diese Substanzen eingeatmet werden [7] [12]: Welche schädlichen Stoffe entstehen beim Verdampfen? Welche Mengen der möglichen Schadstoffe werden vom Körper aufgenommen? Welche gesundheitlichen Folgen könnte ein jahrelanger Gebrauch von E-Zigaretten haben?

So gibt es Hinweise, dass einige Fabrikate krebserregende Substanzen wie Formaldehyd freisetzen. Sie entstehen durch Überhitzung im Verdampfer und können zu Tumoren des Nasen-Rachenraumes führen [12].

Durch das beigemengte Nikotin laufen E-Zigaretten-Rauchende außerdem genauso Gefahr, nikotinabhängig zu werden und damit ihrer Gesundheit zu schaden, wie Menschen, die an „normalen“ Glimmstängeln saugen [10] [12].

Laut Bundesinstitut für Risikobewertung erhöht sich das Risiko, eine Nikotinsucht zu entwickeln, wenn den Liquids – also den zu verdampfenden Flüssigkeiten – Zusatzstoffe wie Menthol beigemengt werden [11]. Der Aromastoff unterdrückt wichtige Warnreize des Körpers, zum Beispiel Husten, erleichtert das Inhalieren des Rauchs und verstärkt die Wirkung des Nikotins. Besonders bei Rauch-Neulingen könnten E-Zigaretten den Einstieg in die Welt des Rauchens also begünstigen.

Mit E-Zigaretten-Dampf zur Rauch-Abstinenz?

Beworben werden E-Zigaretten vor allem als Hilfe zum Rauchstopp. Eine aktuelle Übersichtsarbeit liefert zwar Hinweise, dass die Dampfer Rauchenden dabei helfen könnten, zumindest für einige Monate abstinent zu bleiben [1]. Allerdings stammt diese Erkenntnis aus nur zwei Studien. Die Autorinnen und Autoren der Übersichtsarbeit stufen die Aussagekraft deshalb als gering ein.

Auch das Deutsche Krebsforschungsinstitut sowie Forschende des AWMF – einer Vereinigung, die wissenschaftlich abgesicherte Behandlungsrichtlinien für Krankheiten erarbeitet – kommen zu dem Schluss, dass E-Zigaretten ihre Wirksamkeit als langfristige Entwöhnungshilfe nicht bewiesen haben [6] [9].

Rauch-Ausstieg oder -Einstieg durch E-Zigaretten?

Selbst wenn E-Zigaretten dabei helfen, das Rauchen von Tabakzigaretten aufzugeben, müssen sie nicht per se eine gute Erfindung sein. Im Grunde sind sie nichts anderes als eine weitere Variante, ungesunde Mittel zu sich zu nehmen.

Fachleute befürchten, dass nicht zuletzt diverse zugesetzte Aromen wie Schokolade oder Gummibärchen die E-Zigarette für Jugendliche attraktiv machen könnten. Das ist einerseits problematisch, weil ungewiss ist, welche Schäden Jugendliche durch jahrelanges Dampfen erleiden könnten, andererseits, weil durch das Erlernen von Verhaltensmustern das Tor in die Welt des Rauchens geöffnet werden könnte. Aus dampfenden Jugendlichen würden dann irgendwann einmal nikotinsüchtige Tabakraucher und -raucherinnen [10] [12]. Freilich konnte auch dieser Aspekt bis dato nicht eindeutig in Studien geklärt werden [7, 8] [12].

Auch die Gefahr für Passivdampfer, vor allem in geschlossenen Räumen, ist derzeit nur schwer beurteilbar [7] [10] [12].

Noch mehr Nebenwirkungen

Noch gibt es zu wenig klinische Studien, um zu wissen, inwieweit von E-Zigaretten eine Gesundheitsgefahr ausgeht. Eine Liste an Nebenwirkungen ist jedoch schon bekannt: Irritationen im Mund- und Rachenraum, trockener Husten und Übelkeit sind die häufigsten unerwünschten Symptome. Langfristige Schäden durch Mikropartikel und allergische Reaktionen auf einige der Aromen sind zumindest denkbar.

Spektakuläre Meldungen über Verletzungen durch explodierende Akkus haben es zwar überall in die Medien geschafft, aber die Fälle sind weltweit an einer Hand abzählbar [1, 2] [7] [10].

E-Zigaretten-Wildwuchs

Welche Schadstoffe mit dem Dampf im Körper landen, hängt unter anderem von der Zusammensetzung der Flüssigkeit ab. Die schwankt stark zwischen verschiedenen E-Zigarettenmodellen und -Mischungen.

Oft enthalten die Liquids nicht jene Inhaltsstoffe, die auf der Verpackung angegeben sind. Bei genauerem Hinsehen fällt beispielsweise auf, dass Kartuschen, die kein Nikotin enthalten sollten, doch welches beinhalten.

Nicht zuletzt um diesem Wildwuchs zu begegnen, hat das europäische Parlament in der Tabakrichtlinie von 2014 erstmals auch E-Zigaretten reguliert. Großes Augenmerk wurde dabei auf den Schutz von Jugendlichen und Kindern gelegt. Die Umsetzung dieses Gesetzes wurde den einzelnen Mitgliedsstaaten freigestellt [12, 13].

Auch in Österreich fallen E- Zigaretten unter dieses Tabakgesetz. Dieses sieht unter anderem vor, dass E-Zigaretten nicht an Jugendliche unter 18 Jahren abgegeben werden dürfen. Außerdem müssen sie mit Beipackzetteln gespickt verkauft werden, welche Informationen zum Inhalt der Dampfer und möglichen gesundheitlichen Risiken enthalten. Ab dem 1. Mai 2018 soll außerdem überall dort, wo das Rauchen untersagt ist, auch ein Dampfverbot gelten, beispielsweise in der Gastronomie [13].

Fazit: E-Zigaretten nur gegen Kettenrauchen von Vorteil?

Starke Raucher und Raucherinnen werden davon profitieren, E-Zigarette auszuprobieren: Reduzieren sie dadurch ihren Tabakkonsum, haben sie aller Wahrscheinlichkeit nach bereits etwas für ihre Gesundheit getan. Das liegt aber nicht daran, dass E-Zigaretten harmlos wären, sondern an der noch größeren Gesundheitsgefährdung, die vom Tabakrauchen ausgeht.

Die Studien im Detail

Im Zuge unserer umfangreichen Literatursuche konnten wir keine guten Studien finden, die eine Einschätzung zulassen, wie sich der jahrelange Gebrauch von E-Zigaretten auf die Gesundheit auswirken könnte.

Einige Übersichtsarbeiten kommen zu dem Schluss, dass es mit Hilfe der E-Zigarette mehr Raucher und Raucherinnen schaffen, über ein Jahr lang keine Tabakzigaretten zu rauchen. Auch soll sich die Zahl der gerauchten Tabakzigaretten reduzieren, wenn zusätzlich zur E-Zigarette gegriffen wird [2–5]. Doch keine dieser Übersichtsarbeiten ist methodisch gut gemacht. Außerdem stehen nur wenige gut gemachte Einzelstudien zur Verfügung. Abgesehen von der meist schlechten Qualität wurden viele von E-Zigaretten-Herstellern zumindest mitfinanziert. Somit können wir eine Verzerrung der Ergebnisse nicht ausschließen.

Zu wenig Studien, die Effekte zeigen

Auch die Autorinnen und Autoren einer aktuellen Übersichtsarbeit der Cochrane-Vereinigung suchten nach Studien zur Frage, ob E-Zigaretten Rauchern beim Rauchstopp helfen könnten [1]. Die Ausbeute war mager. Nur zwei randomisiert kontrollierte Arbeiten mit insgesamt 662 Personen waren so gut gemacht, dass sie statistisch ausgewertet werden konnten.

Sie brachten Hinweise darauf, dass jene Rauchenden, die den Glimmstängel gegen nikotinhaltige E-Zigaretten getauscht hatten, für die Dauer von zumindest sechs Monaten eher auf Tabakprodukte verzichteten als Personen, die eine E-Zigarette ohne Nikotin benutzten.

Auch wenn die Qualität dieser Übersichtsarbeit prinzipiell ausreichend ist, um aussagekräftig zu sein, schränkt die Tatsache, dass die Erkenntnis aus nur zwei Studien stammt, die Beweiskraft stark ein.

Immerhin klagten die E-Zigaretten-Benutzer über keine schwerwiegenden Nebenwirkungen. Allerdings waren die Beobachtungszeiträume von maximal zwei Jahren zu kurz, um eine Aussage zu möglichen langfristigen Gesundheitsrisiken treffen zu können.

Die Autoren und Autorinnen der Arbeit bemängeln auch, dass es kaum gut gemachte Studien gibt, die zeigen, wie E-Zigaretten im Vergleich zu herkömmlichen Entwöhnungsmitteln wie Nikotinpflaster oder -kaugummi abschneiden.

Interessant wäre, wie viele Ex-Tabakraucher und -raucherinnen es dank der E-Zigarette schaffen, ganz auf das Qualmen zu verzichten. Derzeit sind einige Studien zu diesem Thema am Laufen. Vielleicht bringt ja die eine oder andere hier Licht ins Dunkel.

[1] Hartmann-Boyce u.a. (2016)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Teilnehmende insgesamt: 662 Raucher und Raucherinnen in der Meta-Analyse
Eingeschlossene Studien: 24 (3 randomisiert kontrollierte Studien und 21 Kohortenstudien; 2 Studien in der Meta-Analyse)
Fragestellung: Helfen E-Zigaretten beim Abgewöhnen bzw. Reduzieren von Tabakzigaretten?
Interessenkonflikt: keiner

Electronic cigarettes for smoking cessation. EBM Reviews – Cochrane Database of Systematic ReviewsCochrane Tobacco Addiction Group Cochrane Database of Systematic Reviews. 12, 2016
(Volltext der Arbeit)

[2] Hajek u.a. (2014)
Studientyp: Narrative Übersichtsarbeit
Fragestellung: Verwendung, Effekte und Sicherheit von E-Zigaretten
Interessenkonflikte: Einer der fünf Autoren bekam Honorare von einem Hersteller von E-Zigaretten.

Electronic cigarettes: Review of use, content, safety, effects on smokers and potential for harm and benefit. Addiction. 2014 Jul 31 (Zusammenfassung der Arbeit)

[3] Gualano u.a. (2014)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 6 experimentelle und 6 Kohortenstudien
Fragestellung: Effektivität und Nebenwirkungen E-Zigaretten
Mögliche Interessenkonflikte: keine angegeben

Electronic cigarettes: assessing the efficacy and the adverse effects through a systematic review of published studies. J Public Health (Oxf). 2014 Aug 9. pii: fdu055 (Zusammenfassung der Arbeit)

[4] Farsalinos u.a. (2014)
Studientyp: narrative Übersichtsarbeit
Fragestellung: Sind E-Zigaretten sicher und wirksam als Aufhörhilfe bei Tabakrauchenden?
Mögliche Interessenkonflikte: Der Erstautor wurde von mehreren Pharmaunternehmen und einem Vertreiber von E-Zigaretten bezahlt. Die Institution des Koautors erhielt Gelder von E-Zigaretten-Herstellern.

Safety evaluation and risk assessment of electronic
cigarettes as tobacco cigarette substitutes: a systematic review. Ther Adv Drug Saf. 2014 Apr;5(2):67-86 (Volltext der Arbeit)

[5] Orr, Asal (2014)
Studientyp: narrative Übersichtsarbeit
Fragestellung: Helfen E-Zigaretten dabei, mit dem Tabakrauchen aufzuhören?
Mögliche Interessenkonflikte: keine angegeben

Efficacy of Electronic Cigarettes for Smoking Cessation. Ann Pharmacother. 2014 Aug 18 (Zusammenfassung der Arbeit)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[6] Deutsches Krebsforschungszentrum (2013)
Schaller u.a.: Elektrische Zigaretten – ein Überblick. Rote Reihe Tabakprävention und Tabakkontrolle. Abgerufen am 12.6.2017 unter http://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/RoteReihe/Band_19_e-zigaretten_ein_ueberblick.pdf

[7] UpToDate (2017)
Rigotti NA: E-cigarettes. UpToDate. Abgerufen am 02.02.2017 unter www.uptodate.com/contents/e-cigarettes?source=search_result&search=e%20cigarettes&selectedTitle=1~27

[8] Yoong u.a. (2016)
Prevalence of smoking-proxy electronic inhaling system (SEIS) use and association with tobacco initiation in youths: a systematic review. Review prepared for WHO. Abgerufen am 12.6.2017 unter http://www.who.int/tobacco/industry/product_regulation/BackgroundPapersENDS2_4November.pdf

[9] AWMF (2015)
S3-Leitlinie „Screening, Diagnostik und Behandlung des schädlichen und abhängigen Tabakkonsums“. AWMF-Register Nr. 076-006. Abgerufen am 22.05.2017 unter
http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/076-006l_S3_Tabak_2015-02.pdf

[10] Bundesinstitut für Risikobewertung BfR (2012)
Fragen und Antworten zur E-Zigarette. FAQ des BfR vom 1. März 2012. Abgerufen am 17.05.2017 unter http://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zur_e_zigarette-129574.html

[11] Bundesinstitut für Risikobewertung BfR (2015)
Gesundheitliche Bewertung von Zusatzstoffen für Tabakerzeugnisse und elektronische Zigaretten. Stellungnahme Nr. 045/2015 des BfR vom 30. Juli 2015. Abgerufen am 17.05.2017 unter www.bfr.bund.de/cm/343/gesundheitliche-bewertung-von-zusatzstoffen-fuer-tabakerzeugnisse-und-elektronische-zigaretten.pdf

[12] Bundesinstitut für Risikobewertung BfR (2013)
Liquids von E-Zigaretten können die Gesundheit beeinträchtigen. Stellungnahme Nr. 016/2012 des BfR vom 24. Februar 2012, ergänzt am 21. Januar 2013. Abgerufen am 17.05.2017 unter http://www.bfr.bund.de/cm/343/liquids-von-e-zigaretten-koennen-die-gesundheit-beeintraechtigen.pdf

[13] Bundeskanzleramt (2017)
Bundeskanzleramt-Rechtsinformationssystem. Bundesrecht konsoldiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz, Fassung vom 22.05.2017. Abgerufen am 22.05.2017 unter
https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10010907

Die ursprüngliche Fassung dieses Artikels erschien am 1.9.2014. Nach einer neuerlichen Literatursuche haben wir unsere Einschätzung geändert.

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