Deuterium-reduziertes Wasser für weniger Krebs?

Wasser mit einem reduziertem Deuterium-Gehalt soll vor Krebs schützen und bei Krebserkrankungen helfen. Wissenschaftliche Belege für diese unplausible Annahme haben wir nicht gefunden.

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Verhindert Deuterium-reduziertes Wasser Krebs?

Verbessert Deuterium-reduziertes Wasser bei Krebs den Krankheitsverlauf?

Wir haben nur eine einzige Studie mit Prostatakrebs-Patienten gefunden, in der Deuterium-reduziertes Wasser mit normalem Wasser verglichen wurde. Die kleine Studie hat zahlreiche Mängel, die Ergebnisse sind deshalb nicht aussagekräftig. Zuverlässige Untersuchungen zum Einsatz bei anderen Krebserkrankungen oder zur Krebsvorbeugung waren für uns nicht aufzufinden.

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© ESB Professional - Shutterstock.com Kann Spezialwasser mit weniger Deuterium etwas gegen Krebs ausrichten?
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Viele Menschen kennen Krebserkrankungen oder sogar Krebstodesfälle aus der eigenen Familie, aus dem eigenen Freundeskreis. Und einige fürchten sich wohl davor, selbst Krebs zu bekommen. Und so erreichen uns immer wieder Anfragen zu Produkten, die damit werben, vor Krebs schützen zu können oder eine Krebserkrankungen günstig beeinflussen zu können.

Ist weniger Deuterium besser?

Jüngstes Beispiel: Eine Anfrage zu Wasser mit einem reduzierten Gehalt an Deuterium.

Deuterium ist eine natürlich vorkommende Form von Wasserstoff. Es kommt in kleinsten Mengen auch in ganz normalem Wasser vor. Deuterium verändert Wasser weder vom Geschmack noch vom Aussehen.

Deuterium-reduziertes Wasser wird auf diversen Internetseiten als Tipp gehandelt. Bei unserer Recherche haben verschiedene Anbieter gefunden, die Deuterium-reduziertes Wasser vertreiben.

Statt Mineralwasser oder anderem Trinkwasser solle man besser Deuterium-reduziertes Wasser konsumieren. Denn dies schützt angeblich vor Krebs, so eine Behauptung. Eine weitere lautet: Menschen mit einer bereits bestehenden Krebserkrankung hätten dank Deuterium-reduziertem Wasser Aussichten auf einen günstigeren Verlauf.

Fragwürdige Hypothese

Aber: Was ist tatsächlich dran an den Versprechen zum schützenden Effekt des Spezialwassers?

Die theoretischen Überlegungen dazu haben uns nicht unbedingt überzeugen können: Auf Internetseiten wird als Argument für Deuterium-reduziertes Wasser über Labor- und Tierversuche berichtet. Demnach wirkt sich Wasser mit einem künstlich extrem erhöhten Deuterium-Gehalt (30 bis 100 Prozent) schädlich oder sogar tödlich auf viele Organismen aus [3].

Von einem so hohen Gehalt sind die Deuterium-Konzentrationen in normalem Trinkwasser sehr, sehr weit entfernt. Reguläres Trinkwasser in Europa enthält ca. 0,015 Prozent (150 ppm). Spezielles Wasser mit reduziertem Deuterium-Gehalt enthält, so unsere Recherche, zwischen 0,0025 bis 0,0125 Prozent (25 bis 125 ppm).

Nur eine Studie

Und wie steht es um Belege aus Studien mit gesunden Menschen oder Krebspatientinnen und -patienten: Lässt sich dabei ein schützender Effekt von Deuterium-reduziertem Wasser nachweisen?

Wir haben nach entsprechenden Studien gesucht, bei denen die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip auf zwei Gruppen aufgeteilt wurden: Dabei sollte eine Gruppe Deuterium-reduziertes Wasser bekommen, die andere Gruppe normales Wasser – um dann am Studienende die Gesundheit beider Gruppen zu vergleichen.

Wir haben allerdings nur eine einzige solche Studie gefunden [1]. Sie untersuchte Patienten mit Prostatakrebs. Zu anderen Krebserkrankungen oder gar zum Schutz vor Krebs lassen sich daraus keine Aussagen ableiten.

Nicht verlässlich

Für Patienten mit Prostatakrebs lässt sich ein Nutzen von Deuterium-reduziertem Wasser mit der gefundenen Studie nicht sicher belegen, auch wenn das Autorenteam anderes berichtet. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe:

  • In der Veröffentlichung fehlen für viele Messungen Details, so dass wir nicht nachvollziehen können, was die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eigentlich genau gemacht haben.
  • Einige Aspekte, die die Studie untersucht hat, sind unserer Einschätzung nach für Patienten mit Prostatakrebs nicht bedeutsam.
  • Bei der Berechnung der Sterblichkeit im Laufe von mehreren Jahren machte es auf uns den Eindruck, als hätte das Studienteam den Befund gewissermaßen schön gerechnet. Zumindest kamen wir in unserer Nachprüfung mit einer aus unserer Sicht besser geeigneten Methode zu dem Ergebnis, dass es keinen eindeutigen Unterschied in der Sterblichkeit zwischen den beiden Gruppen gibt.
  • Und selbst wenn es diese Bedenken alle nicht gäbe: Die Studie war sehr klein und mit nur vier Monaten relativ kurz, so dass sich die Befunde eher nicht verallgemeinern lassen.

Das Studienteam berichtete auch über Nebenwirkungen in beiden Gruppen, ohne dabei auf Einzelheiten einzugehen. Wir finden es wenig plausibel, dass es bei einer Behandlung mit Wasser in beiden Gruppen zu großen Unterschieden bei der Verträglichkeit kommen soll. Die berichteten Differenzen scheinen uns daher am ehesten Zufallsbefunde zu sein.

Wasserstoff in mehreren Versionen

Wasserstoff-Atome gibt es in drei Formen: Protium, Deuterium und Tritium. Sie unterscheiden sich durch die Anzahl der Teilchen im Atomkern bzw. das Gewicht. Dementsprechend nennt man sie auch leichten, schweren und superschweren Wasserstoff.

Deuterium ist wesentlich seltener als der „herkömmliche“ leichte Wasserstoff. Von allen Wasserstoff-Atomen auf der Welt sind etwa 0,015 Prozent Deuterium [2,3]. Damit liegt der Deuteriumgehalt von Wasser natürlicherweise bei 150 Teile Deuterium (150 ppm) auf eine Million Teile Wasser.

Wie Krebs entsteht

Ende 2017 lebten in Österreich rund 350.000 Menschen mit Krebs. Davon hatten etwa 40.000 in diesem Jahr die Diagnose Krebs erhalten, die anderen lebten schon länger mit ihrer Erkrankung. Laut Statistik Austria hat die Überlebensdauer mit Krebs in den letzten Jahren stark zugenommen. Dennoch starben 2017 etwa 20.000 Menschen an einer Krebserkrankung. Damit ist Krebs die zweithäufigste Todesursache [4].

Krebs entsteht, wenn sich normale Körperzellen verändern und unkontrolliert vermehren. Die Ursache dafür liegt meistens in Veränderungen am Erbmaterial oder in Fehlern beim Ablesen der Erbinformation.

Wie es dazu kommt, ist für einige Krebserkrankungen bereits geklärt, bei anderen dagegen noch nicht vollständig verstanden. So kennt man etwa die chemischen Substanzen im Tabakrauch, die Lungenkrebs verursachen. Bei manchen Krebserkrankungen spielen genetische Faktoren eine Rolle. Oft kommen mehrere Einflüsse zusammen.

Auch der Lebensstil kann das Risiko erhöhen, wie etwa Übergewicht oder Bewegungsmangel. Umgekehrt heißt das nicht, dass ein gesunder Lebensstil mit gesunder Ernährung und Sport einen hundertprozentigen Schutz gegen alle Formen von Krebs bietet.

Diese komplexen Zusammenhänge führen dazu, dass sich bei einer bestehenden Krebserkrankung in der Regel nicht klären lässt, was genau die Ursache dafür war [5, 6].

Die Studien im Detail

Die von uns identifizierte ungarische Studie [1] schloss 44 Patienten mit Prostatakrebs ein. Unter den Teilnehmern waren einerseits Männer, bei denen diese Krebserkrankung zum ersten Mal diagnostiziert wurde. Außerdem machten Patienten mit, bei denen der Prostatakrebs nach einer Behandlung wiedergekommen war.

Weitere Details fehlen aber zur den Teilnehmern, etwa: In welchem Stadium war der Krebs bei den einzelnen Männern entdeckt worden? Welche Behandlungen hatten die Patienten jeweils bisher erhalten? Und: Waren diese Unterschiede nach der Aufteilung per Zufallsprinzip zwischen beiden Behandlungsgruppen gleichmäßig verteilt?

Die eine Gruppe wurde angewiesen, ihre tägliche Wasserzufuhr über einen Zeitraum von vier Monaten auf Deuterium-reduziertes Wasser umzustellen; das Wasser hatte einen Deuterium-Gehalt von 85 ppm. Die andere Gruppe verwendete weiter normales Wasser mit einem Deuterium-Gehalt von etwa 150 ppm.

Unklar bleibt in der Publikation für uns, ob nur das Wasser zum Trinken auf die Deuterium-reduzierte Version umgestellt wurde. Oder galt dies auch für Kaffee, Tee und zur Speisenzubereitung?

Was für Patienten zählt

Nach vier Monaten wurden dann viele Messgrößen erhoben, etwa zu Größenveränderungen des Tumors, der Prostata oder Beschwerden beim Wasserlassen. Allerdings fehlen dabei oft Details, die aus unserer Sicht wichtig wären. Daher können wir letztlich nicht bewerten, welche der beobachteten Veränderungen für die Patienten tatsächlich relevant waren.

Auch bleiben bei der Beschreibung der Studie viele Fragen offen, etwa zur zufälligen Zuteilung auf die Gruppen, andere parallel angewendete Behandlungen oder zur Auswertung. Auffällig ist auch, dass sehr viele Patienten die Studie vorzeitig abgebrochen haben. Die Gründe dafür sind nicht genannt.

[1] Kovasc 2011
Studientyp: randomisierte kontrollierte Studie
Teilnehmer: 44 Patienten mit Prostatakrebs
Fragestellung: Beeinflusst Deuterium-reduziertes Wasser das Fortschreiten von Prostatakrebs?
Interessenkonflikte: keine Angaben. Zwei Autoren sind Angestellte eines Herstellers von deuteriumreduziertem Wasser.

Kovasc A. u.a. Deuterium depletion may delay the progression of prostate cancer. J Cancer Ther 2011; 2: 548-556
(Zusammenfassung und freier Volltext)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[2] Sitzmann H, Deuterium, RD-04-00793 (2005)
in Böckler F., Dill B., Dingerdissen U., Eisenbrand G., Faupel F., Fugmann B., Gamse T., Matissek R., Pohnert G., Sprenger G., RÖMPP [Online], Stuttgart, Georg Thieme Verlag, [Juni 2020]

[3] Sitzmann H, Deuteriumoxid, RD-04-00795 (2006)
in Böckler F., Dill B., Dingerdissen U., Eisenbrand G., Faupel F., Fugmann B., Gamse T., Matissek R., Pohnert G., Sprenger G., RÖMPP [Online], Stuttgart, Georg Thieme Verlag, [Juni 2020]

[4] Statistik Austria.
Krebserkrankungen in Österreich 2020. (Abruf 01.07.2020)

[5] Krebsinformationsdienst (2018)
Wie entsteht Krebs? (Abruf 01.07.2020)

[6] Krebsinformationsdienst (2017)
Lebensstil und Krebsrisiko. (Abruf 01.07.2020)

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