Paxlovid: Schutz vor schwerer Covid-Erkrankung

Seit Anfang 2022 ist Paxlovid in der EU zugelassen. Was wissen wir zu Nutzen und Risiken des Covid-19-Medikaments?

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Schützt Paxlovid ungeimpfte Menschen mit Risikofaktoren vor einer schweren oder sogar tödlichen Covid-19-Erkrankung?

In einer großen, gut gemachten Studie verhinderte Paxlovid Krankenhausaufenthalte und Todesfälle von Risikopatientinnen und -patienten. Sie waren ungeimpft und hatten sich mit der Delta-Variante angesteckt. Für Geimpfte lässt sich der Nutzen nicht verlässlich abschätzen. Das gilt auch für Menschen mit Immunschwäche.

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© juliano703 - Shutterstock.com Neues Medikament, neue Hoffnung
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Was ist Paxlovid?

Das Covid-19-Medikament Paxlovid hat in der EU am 28. Januar 2022 eine bedingte Zulassung erhalten. Hersteller ist Pfizer.

Die Zielgruppe für Paxlovid sind Erwachsene mit einer Coronainfektion, die zwar keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen, aber Risikofaktoren für einen schweren Verlauf haben. Die Behandlung soll rasch nach der Covid-19-Diagnose erfolgen, spätestens fünf Tage nach Beginn der Symptome. Das ist wichtig, um die Virusvermehrung möglichst früh zu stoppen [2].

Was wissen wir über den Nutzen von Paxlovid?

An der Zulassungsstudie [1] nahmen rund 2200 ungeimpfte Menschen teil, die seit höchstens fünf Tagen an Covid-19 erkrankt waren. Die meisten waren mit der Delta-Variante infiziert. Sie hatten, als sie in die Studie einstiegen, zwar nur milde oder mittelschwere Symptome: Sie brauchten also keinen zusätzlichen Sauerstoff, und eine Behandlung im Krankenhaus war auch nicht absehbar.

Allerdings hatten die Teilnehmenden mindestens einen Risikofaktor für einen schweren Verlauf: Sie waren über 60 Jahre alt, übergewichtig oder hatten bestimmte Grunderkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes.

Nach dem Zufallsprinzip erhielt die Hälfte der Teilnehmenden Paxlovid, die andere Hälfte ein Scheinmedikament (Placebo). Nach knapp einem Monat verglichen die Forschenden die beiden Gruppen. Sie zählten, wie viele Personen jeweils wegen Covid-19 ins Krankenhaus mussten oder aus jeglichem Grund verstarben:



In der mit Paxlovid behandelten Gruppe war niemand verstorben. In der Placebogruppe gab es 12 Todesfälle.

Guter Schutz bei Risiko

Wir schätzen die Studienergebnisse insgesamt als relativ zuverlässig ein. Risikopatientinnen und -patienten ohne Coronaimpfung sind durch Paxlovid offenbar gut vor schweren bis tödlichen Verläufen geschützt.

Allerdings lässt sich nicht sicher sagen, wie gut Paxlovid bei Menschen hilft, die bereits eine Coronaimpfung erhalten haben. Denn diese Personengruppe durfte an der Studie nicht teilnehmen und hat ein deutlich geringeres Risiko für einen schweren Verlauf.

Es waren nur sehr wenige Menschen mit einem stark geschwächten Immunsystem an der Studie beteiligt. Deshalb lässt sich der Nutzen bei dieser Personengruppen nur schlecht beurteilen.

Was wissen wir über die Risiken von Paxlovid?

Erkenntnisse zu Nebenwirkungen gibt es bislang hauptsächlich aus der Zulassungsstudie, also von gut 2200 Personen über einen Zeitraum von knapp einem Monat [1]. (Die gesamte Nachbeobachtungszeit der Teilnehmenden dauert ein halbes Jahr, diese Daten liegen aber noch nicht vor.)

Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehörten:



In den allermeisten Fällen waren die Nebenwirkungen leicht oder mittelschwer.

Keine Daten für Schwangere und Stillende

Menschen mit stark eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion sowie Schwangere und Stillende durften an der Zulassungsstudie nicht teilnehmen. Zur Sicherheit von Paxlovid bei diesen Gruppen gibt es bisher also keine verlässlichen Daten. Dazu sind aber weitere Studien geplant [1].

Vorsicht vor Wechselwirkungen

Für den Paxlovid-Bestandteil Ritonavir ist bekannt, dass das Risiko für Nebenwirkungen steigt, wenn gleichzeitig bestimmte andere Medikamente eingenommen werden. In der Zulassungsstudie mussten die Teilnehmenden deswegen alle Medikamente vermeiden, mit denen diese gefährlichen Wechselwirkungen möglich sind.

Bei HIV-Behandlungen mit Ritonavir können sich bei längerfristiger Einnahme die Leberwerte verschlechtern. Unklar ist bislang, ob das auch bei einer kurzfristigen Einnahme passiert. In der Zulassungsstudie gab es in der Paxlovidgruppe jedenfalls keine auffälligen Leberprobleme [3].

Wirkstoffe in Paxlovid

Paxlovid besteht aus zwei Wirkstoffen: Nirmatrelvir und Ritonavir.

  • Der neue Wirkstoff Nirmatrelvir richtet sich direkt gegen das SARS-CoV-2-Virus: Nirmatrelvir hemmt ein Enzym, das für die Vermehrung des Virus wichtig ist.
  • Ritonavir ist ein bekannter Wirkstoff, der auch in HIV-Medikamenten enthalten ist. Er hat keinen direkten Einfluss auf den Krankheitserreger SARS-CoV-2, hemmt aber im menschlichen Körper den Abbau von Nirmatrelvir und sorgt so für höhere Spiegel im Blut. Ritonavir verstärkt also die Wirkung von Nirmatrelvir.

Die beiden Wirkstoffe sind in getrennten Tabletten enthalten. Ihre Einnahme erfolgt aber zusammen: fünf Tage lang, alle zwölf Stunden.

Welchen Stellenwert hat Paxlovid?

In der EU gilt die Zulassung von Paxlovid nur für Erwachsene [2]. In den USA kann der Wirkstoff im Rahmen einer Notfallzulassung auch bei Kindern ab 12 Jahren eingesetzt werden [[3]].

Keine Universaltablette

Paxlovid ist keine Universaltablette für alle Menschen mit einer Coronainfektion, sondern eine Therapieoption für eine spezielle Personengruppe, nämlich Risikopatientinnen und Risikopatienten. Die Behandlung sollte so früh wie möglich nach der Diagnose und dem Beginn der Symptome starten und eignet sich nur für Betroffene, die bei Behandlungsbeginn keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen.

Vergleich mit anderen Behandlungen

Andere in der EU zugelassene Medikamente für diese Patientengruppe sind Remdesivir und monoklonale Antikörper. Diese müssen im Gegensatz zu Paxlovid aber als Infusion verabreicht werden [5]. Als Tablette ist auch der Wirkstoff Molnupiravir in Deutschland verfügbar, allerdings ist er derzeit nicht zugelassen.

Wie gut Paxlovid im Vergleich zu diesen anderen Behandlungsmöglichkeiten abschneidet, ist nicht bekannt. Es gibt dazu noch keine Studien.

Wirksamkeit gegen Omikron

Fast alle Teilnehmenden in der Zulassungsstudie hatten sich mit der Delta-Variante von SARS-CoV-2 infiziert [1]. Laboruntersuchungen des Herstellers [12] und Beobachtungsstudien aus Israel [8-11] deuten darauf hin, dass Paxlovid auch gegen die Omikron-Variante wirksam ist; wie gut, ist allerdings noch nicht ausreichend untersucht.

Künftige Anwendungsgebiete

Derzeit laufen weitere große Studien mit Paxlovid. Darin testen die Forschungsteams unter anderem, wie gut Paxlovid vor einer Covid-19-Erkrankung schützt, wenn man mit einer infizierten Person im selben Haushalt lebt [6]. Der Herstellerfirma Pfizer zufolge deuten erste Teilergebnisse jedoch darauf hin, dass Haushaltsmitglieder mit Paxlovid genauso häufig krank werden wie ohne Paxlovid [13].

Eine andere Studie untersucht, wie gut der Wirkstoff Menschen ohne erhöhtes Risiko vor einem schweren Verlauf bewahrt [7]. Bei dieser Gruppe deuten erste Daten darauf hin, dass Paxlovid keinen Vorteil bringt [14]. Die Teilergebnisse zu den beiden Studien stammen aus Pressemitteilungen des Unternehmens Pfizer und lassen sich derzeit noch nicht unabhängig überprüfen.

Die Studien im Detail

Daten zu einer großen Studie mit Paxlovid konnten wir in den veröffentlichten Unterlagen der europäischen Zulassungsbehörde EMA [2] beziehungsweise der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA [3] sowie in der medizinischen Fachzeitschrift „New England Journal of Medicine“ [4] finden.

Bei frühem Covid-19

An der Studie namens EPIC-HR nahmen insgesamt 2246 Erwachsene teil, die keine Corona-Impfung erhalten hatten. Die meisten von ihnen lebten in den USA oder Europa. Die Studie wurde zwischen Juli und Dezember 2021 durchgeführt, fast alle Teilnehmenden waren mit der Delta-Variante von SARS-CoV-2 infiziert.

Als sie in die Studie starteten, hatten sie eine leichte oder mittelschwere Form von Covid-19. Sie benötigten keine extra Zufuhr von Sauerstoff und zunächst keine Behandlung im Krankenhaus, hatten aber mindestens einen Risikofaktor für einen schweren Verlauf.

Der Nachweis der Infektion (positives Testergebnis) beziehungsweise der Beginn der Symptome durfte bei Aufnahme in die Studie höchstens fünf Tage zurückliegen. Nicht teilnehmen durften Genesene und Geimpfte sowie Schwangere und Stillende.

Ungefähr die Hälfte der Teilnehmenden waren Frauen, das mittlere Alter lag bei 45 Jahren. Etwa ein Fünftel der Teilnehmenden war 60 Jahre oder älter. Mehr als 80 Prozent hatten Übergewicht, rund ein Drittel war sogar stark übergewichtig oder hatte Bluthochdruck. Etwas mehr als jeder Zehnte war an Diabetes erkrankt.

Im Vergleich zu einem Scheinmedikament

Nach dem Zufallsprinzip wurden die Teilnehmenden entweder einer Behandlungsgruppe mit Paxlovid oder einer Vergleichsgruppe mit Placebo zugeteilt. In beiden Gruppen erhielten die Teilnehmenden fünf Tage lang alle zwölf Stunden die Studienmedikation. Eine Einzeldosis in der Paxlovid-Gruppe bestand aus 300 Milligramm Nirmatrelvir plus 100 Milligramm Ritonavir. Sowohl die Teilnehmenden als auch das Forschungsteam wussten nicht, wer welcher Gruppe angehörte – die Studie war also „doppelt verblindet“.

Für die Hauptauswertung zählte das Forschungsteam alle Teilnehmenden, die innerhalb von 28 Tagen nach Beginn der Behandlung wegen Covid-19 ins Krankenhaus mussten – inklusive derer, die dort verstarben.

Außerdem erfassten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ob Paxlovid die Covid-19-Symptome linderte, die Krankheitsdauer verkürzte und den Bedarf für medizinische Behandlungen senkte:

  • Bei der Hälfte der Teilnehmenden verbesserten sich die Symptome mit Paxlovid nach 13 Tagen, mit Placebo nach 15 Tagen.
  • Symptomfrei war die Hälfte der Teilnehmenden mit Paxlovid nach 16 Tagen, mit Placebo nach 18 Tagen.
  • Mit Paxlovid benötigten innerhalb eines Monats 14 von 1000 Teilnehmenden eine medizinische Behandlung wegen Covid-19, mit Placebo 76 von 1000.

Einfluss anderer Faktoren

In der Studie wertete das Forschungsteam außerdem aus, ob sich etwa hohes Alter und Übergewicht auf die Wirksamkeit von Paxlovid auswirkten. Dem war nicht der Fall.

Eine wichtige Frage ist derzeit aber noch nicht gelöst: Bei ungefähr der Hälfte der Teilnehmenden konnten die Forschenden Antikörper gegen SARS-CoV-2 im Blut nachweisen. Das ist insofern erstaunlich, da Geimpfte und Genesene explizit nicht teilnehmen durften. Ob die Antikörper von der aktuellen Infektion kamen oder ob die Teilnehmenden eine vorangehende Infektion nicht entdeckt hatten, ist unklar.

Ob mit oder ohne Antikörper im Blut – grundsätzlich schützte Paxlovid alle Menschen vor einem schweren Verlauf. Wie sehr Genese und Geimpfte tatsächlich von Paxlovid profitieren, lässt sich allerdings noch nicht sicher beziffern. Immerhin haben sie aufgrund ihrer durchgemachten Erkrankung oder der Impfung bereits ein wesentlich geringeres Risiko für einen schweren oder sogar tödlichen Verlauf.

Im Wesentlichen zuverlässig

In der Studie sind uns keine gröberen Mängel aufgefallen. Das Forschungsteam hat bei der Hauptauswertung zwar nicht die Daten aller Teilnehmenden berücksichtigt und etwa diejenigen ausgeschlossen, die nicht mindestens eine Dosis der Studienmedikation erhalten hatten. Das betrifft aber nur einen relativ kleinen Anteil (ca. 7%), der sich in den beiden Gruppen auch nicht wesentlich unterscheidet. Weil weiterführende Analysen ebenfalls in die gleiche Richtung weisen, rechnet die europäische Zulassungsbehörde EMA nicht damit, dass dies das Studienergebnis wesentlich beeinflusst hat.

Versionsgeschichte

  • 19. September 2022: Aktualisierung, Ergänzung zur Wirksamkeit bei den Omikron-Varianten des Coronavirus
  • 21. März 2022: erste Version

Information zu den wissenschaftlichen Studien

[1] EPIC-HR (2022)
Studientyp: randomisierte kontrollierte Studie
TeilnehmerInnen: 2246 Erwachsene mit Covid-19, die keinen zusätzlichen Sauerstoff brauchten, aber ein Risiko für einen schweren Verlauf hatten
Fragestellung: Wie gut verhindert Paxlovid Covid-19-bedingte Krankenhausaufenthalte und Todesfälle – im Vergleich zu Placebo?
Interessenkonflikte: Die Studie wurde durch den Hersteller von Paxlovid finanziert.

Zu dieser Studie gibt es verschiedene Publikationen, die wir bei der Bewertung berücksichtigt haben:

[2] EMA
Paxlovid (Stand 02.02.2022). Abgerufen am 23.02.2022

[3] FDA Emergency Use Authorization for Paxlovid, Center for Drug Evaluation and Research Review (Stand 22.12.2022). Abgerufen am 23.02.2022

[4] Hammond J u.a. Oral Nirmatrelvir for High-Risk, Nonhospitalized Adults with Covid-19. N Engl J Med, online veröffentlicht 16.02.2022.

[5] UpToDate (2022)
COVID-19: Outpatient evaluation and management of acute illness in adults (Stand 01.02.2022). Abgerufen am 14.02.2022

[6] NCT05047601 (2021)
A Study of a Potential Oral Treatment to Prevent COVID-19 in Adults Who Are Exposed to Household Member(s) With a Confirmed Symptomatic COVID-19 Infection. Abgerufen am 14.02.2022

[7] NCT05011513 (2021)
Evaluation of Protease Inhibition for COVID-19 in Standard-Risk Patients (EPIC-SR). Abgerufen am 14.02.2022

[8] UpToDate (2022)
COVID-19: Management of adults with acute illness in the outpatient setting. Abgerufen am 16. 9. 2022 unter www.uptodate.com

[9] Najjar-Debbiny (2022)
Najjar-Debbiny R, u.a. Effectiveness of Paxlovid in Reducing Severe COVID-19 and Mortality in High Risk Patients. Clin Infect Dis. 2022 Jun 2:ciac443. (Studie in voller Länge)

[10] Arbel (2022)
Arbel R, u.a. Nirmatrelvir Use and Severe Covid-19 Outcomes during the Omicron Surge. N Engl J Med. 2022 Sep 1;387(9):790-798. (Studie in voller Länge)

[11] AIHTA (2022)
AIHTA Policy Brief Nr.: 002_ V23 2022: Covid-19, HSS/ Horizon Scanning, Living Document August/September 2022 Abgerufen am 19. 9. 2022 unter www.aihta.at

Weitere Quellen

[12] Pfizer (2022)
Pfizer Shares In Vitro Efficacy of Novel COVID-19 Oral Treatment Against Omicron Variant (Stand 18.01.2022). Abgerufen am 14.02.2022

[13] Pfizer (2022)
Pfizer Shares Top-Line Results from Phase 2/3 EPIC-PEP Study of PAXLOVID™ for Post-Exposure Prophylactic Use. Pressemitteilung vom 29. 4. 2022. Abgerufen am 19. 9. 2022 unter www.pfizer.com

[14] Pfizer (2022)
Pfizer Reports Additional Data on PAXLOVID™ Supporting Upcoming New Drug Application Submission to U.S. FDA. Pressemitteilung vom 14. 6. 2021. Abgerufen am 19. 9. 2022 unter www.businesswire.com

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