Hilft Beckenbodentraining Frauen mit Inkontinenz?

Gezieltes Beckenbodentraining kann Inkontinenz mit hoher Wahrscheinlichkeit bessern oder sogar ganz zum Verschwinden bringen.

AutorIn:
Review:  Jana Meixner 

Hilft Frauen mit Harninkontinenz ein Beckenbodentraining?

Beckenbodentraining kann Harninkontinenz mit hoher Wahrscheinlichkeit wirksam behandeln. Doch nicht jede Art von Harninkontinenz scheint gleich gut auf das Training anzusprechen – am besten stehen die Chancen bei der sogenannten Belastungsinkontinenz. Belegt ist der Effekt allerdings nur für gezieltes Training, das von einer Fachkraft angeleitet wird. Leichte Zweifel an der Wirksamkeit gibt es nur, weil die Studien nur relativ wenige Teilnehmerinnen hatten.

so arbeiten wir
Ältere Frau beim Beckenbodentraining. Physiotherapeutinnen können dabei helfen, die Übungen korrekt auszuführen
© iStock – PeopleImages

Ungewollter Harnverlust, auch Harninkontinenz genannt, ist unangenehm, häufig und leider immer noch ein Tabuthema. Sie betrifft vor allem Frauen. Wie viele genau, ist unklar. Denn aus Scham sprechen viele Frauen das Problem ihrer Ärztin oder ihrem Arzt gegenüber nicht an [2,3]. Die gute Nachricht ist jedoch: Es gibt Behandlungsmöglichkeiten.

Eine besonders häufig empfohlene ist das Beckenbodentraining. Doch helfen Übungen zur Kräftigung des Beckenbodens nicht nur vorbeugend, sondern auch wenn bereits eine Harninkontinenz besteht?

Wir haben uns auf die Suche nach Antworten aus der Forschung gemacht.

Besserung ist wahrscheinlich, Verschwinden der Beschwerden möglich

Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann Beckenbodentraining eine bestehende Inkontinenz zumindest bessern. Viele Frauen können die Harninkontinenz ganz loswerden. Das zeigen die zusammengefassten Ergebnisse bisheriger Studien [1]:

  • Mit Beckenbodentraining erlebten 69 von 100 Frauen zumindest eine Besserung der Inkontinenz. Bei 33 von 100 Frauen verschwand die Inkontinenz durch das Training ganz.
  • Ohne Beckenbodentraining besserte sich die Inkontinenz bei 29 von 100 Frauen. Bei 6 von 100 Frauen verschwand sie vollkommen.

Weil allerdings nur relativ wenige Frauen an den Studien teilnahmen, ist unser Vertrauen in die Studienergebnisse etwas eingeschränkt.

Noch wirksamer scheint das Training bei der sogenannten Belastungsinkontinenz zu sein – der häufigsten Form von Harninkontinenz bei Frauen. Betroffene verlieren vor allem beim Husten, Lachen oder bei körperlicher Anstrengung Harn. Mit Beckenbodentraining verschwand diese Inkontinenz bei etwa 50 von 100 Frauen.

Beckenbodentraining ist nicht gleich Beckenbodentraining…

Einigen Frauen fällt es schwer zu spüren, ob sie ihren Beckenboden korrekt anspannen. Ärztinnen, Physiotherapeutinnen oder Pflegepersonen können helfen, die richtige Technik zu erlernen [2].

Die Forschungsergebnisse zum Beckenbodentraining [1] stammen aus Studien, in denen medizinisches Fachpersonal das Beckenbodentraining anleitete. Es lässt sich schwer einschätzen, ob durch andere Personen angeleitete Übungen, Online-Angebote oder Trainingsvideos eine ähnliche Wirkung haben.

…und Inkontinenz ist nicht gleich Inkontinenz

Fachleute unterscheiden mehrere Formen von Harninkontinenz. Die häufigste ist die Belastungsinkontinenz. Bei dieser Form kann ein zu schwacher Beckenboden Blase und Harnröhre nicht ausreichend unterstützen kann [4]. Daher ist nachvollziehbar, dass ÜBungen für einen kräftigeren Beckenboden hier besonders gut helfen könnten.

Bei einer anderen Art der Inkontinenz, der Dranginkontinenz, verspüren Betroffene einen plötzlichen starken Harndrang – oft gefolgt von Harnverlust, weil die Blasenmuskulatur sich unkontrolliert zusammenzieht [4,5].

Bei der Mischinkontinenz treten sowohl Symptome von Belastungs- als auch von Dranginkontinenz auf [4,5]. Fachleute empfehlen Beckenbodentraining bei allen Formen von Harninkontinenz [2,3].

Informationen zu möglichen Ansprechpersonen und Untersuchungen bei Harninkontinenz finden Sie unter: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/nieren-harnblase/inkontinenz/diagnose.html

Auch für die Blase ein Trainingsprogramm

Je nach Form der Inkontinenz können zusätzlich weitere Maßnahmen und Behandlungen helfen. Bei Belastungsinkontinenz kann das beispielsweise eine Reduktion von Übergewicht sein. Denn: Starkes Übergewicht kann das Risiko für eine Belastungsinkontinenz erhöhen [2]. Wahrscheinlich, weil es den Beckenboden zusätzlich belastet.

Frauen mit Dranginkontinenz können mit einem Blasentraining gezielt darauf hinarbeiten, Toilettengänge länger hinauszuzögern und wieder mehr Kontrolle über den Harndrang zu bekommen [2,3]. Eine gute Beschreibung, wie ein Blasentraining abläuft, finden Sie unter https://www.gesundheitsinformation.de/wie-funktioniert-ein-blasentraining.html

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Ob Beckenbodentraining bei Inkontinenz helfen kann, lässt sich am besten in randomisiert-kontrollierten Studien beantworten. Dabei werden die Teilnehmerinnen nach dem Zufallsprinzip auf zwei gleich große Gruppen aufgeteilt – eine Gruppe absolviert ein Beckenbodentraining, die andere Gruppe nicht. Am Ende wird verglichen, bei wie vielen Teilnehmerinnen sich die Inkontinenz gebessert hat oder verschwunden ist.

Wir haben eine systematische Übersichtsarbeit gefunden, die solche Studien zusammengefasst hat. Zwei Studien mit insgesamt 166 Frauen über 50 mit unterschiedlichen Formen von Harninkontinenz haben untersucht, ob sich die Inkontinenz durch Beckenbodentraining bessert.

Wie aussagekräftig sind die Studien?

Die Übersichtsarbeit ist gut gemacht. Dennoch ist unser Vertrauen in die Studienergebnisse leicht eingeschränkt: An den Studien nahmen insgesamt nur 166 Frauen teil. Für eine der beiden eingeschlossenen Studien ist außerdem fraglich, ob die beiden Gruppen zu Studienbeginn vergleichbar waren.

[1] Dumoulin et al. (2018). Pelvic floor muscle training versus no treatment, or inactive control treatments, for urinary incontinence in women. Cochrane Database of Systematic Reviews 2018, Issue 10. Art. No.: CD005654. (Link zur Übersichtsarbeit)

[2] UpToDate (2023) Abgerufen am 07.06.2023 unter https://www.uptodate.com/contents/female-urinary-incontinence-treatment?source=history_widget

[3] S2k-Leitlinie „Harninkontinenz der Frau“  Abgerufen am 07.06.2023 unter https://register.awmf.org/assets/guidelines/015-091l_S2k_Harninkontinenz-der-Frau_2022-03.pdf

[4] UpToDate (2023) Abgerufen am 07.06.2023 unter https://www.uptodate.com/contents/female-urinary-incontinence-evaluation?search=incontinence&source=search_result&selectedTitle=1~150&usage_type=default&display_rank=1

[5] Gesundheit.gv.at (2018) Abgerufen am 07.06.2023 unter https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/nieren-harnblase/inkontinenz/formen-symptome.html

  • 27.6.2023: Update. Neuere Studien ändern unsere Einschätzung nicht.
  • 6.7.2017: Erste Version des Faktenchecks.

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