Babywasser: fragwürdiges Produkt für die Kleinsten

Brauchen Babys spezielles Trinkwasser? Belege dafür fehlen. Das Wasser aus Österreichs Leitungen ist aber auch für die Allerkleinsten bestens geeignet.

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Ist spezielles Babywasser für Säuglinge besser geeignet als Leitungswasser?

Ob spezielles Babywasser für Säuglinge gesünder ist als Leitungswasser wurde wissenschaftlich nicht untersucht. Grundsätzlich gilt aber: Das Leitungswasser in Österreich ist auch für Säuglinge gut geeignet. Das Abkochen von Leitungswasser ist nach dem sechsten Lebensmonat nicht mehr notwendig.

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© Oksana Kuzmina - Shutterstock.com Für die Kleinsten nur das Beste. Aber gehört Babywasser wirklich dazu?
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Wenn es um die Gesundheit ihres Kindes geht, wollen viele Eltern nur das Beste und sind sehr sicherheitsbewusst.

Anbieter von Produkten speziell für die Kleinsten reagieren auf die Sorgen der Eltern. Darunter finden sich etliche Produkte für Babys, deren Sinnhaftigkeit fragwürdig erscheint – genauso wie ihr Preis. Gehört auch sogenanntes Babywasser dazu?

Brauchen Babys besonderes Wasser?

Fast alle großen Marken für Baby-Lebensmittel haben stilles Mineralwasser speziell für Säuglinge im Sortiment. Meist in niedliche PET-Flaschen abgefüllt, zeichnet sich Babywasser durch geringe Mengen an Natrium und Nitrat aus. Das soll die Produkte besonders geeignet für Babys machen.

Eltern können damit Milchersatz oder Brei zubereiten. Und zwar ohne das Wasser vorher abzukochen, betonen Hersteller.

Hat es also einen positiven Effekt auf die Gesundheit von Babys, spezielles Wasser zu kaufen und nachhause zu schleppen? Schließlich können wir uns in Österreich im Gegensatz zu vielen anderen Ländern über Wasser freuen, das in hoher Qualität und zum kleinen Preis aus der Leitung fließt.

Wir haben uns auf die Suche nach wissenschaftlichen Studien zu Babywasser gemacht.

Nur Studien aus Ländern mit mangelnder Hygiene

Ob abgefülltes Wasser für Babys einen gesundheitlichen Nutzen hat und damit besser ist als Leitungswasser, wurde wissenschaftlich bisher nicht untersucht.

Wir fanden lediglich Studien, die in sogenannten Entwicklungsländern durchgeführt worden sind. Die hygienischen Bedingungen sind mit jenen hierzulande nicht vergleichbar.

Studien, die Baby- und Leitungswasser verglichen haben, fehlen also. Aber ist es denn zumindest plausibel, dass natrium- und nitratarmes Babywasser besser für die Kleinsten ist? Unterscheidet sich Babywasser überhaupt von unserem Leitungswasser? Und muss Leitungswasser für Babys tatsächlich abgekocht werden?

Wir haben recherchiert.

Leitungswasser: weniger Natrium als Babywasser

In sehr hohen Mengen kann der Mineralstoff Natrium bei Babys – genauso wie bei Erwachsenen auch – den Blutdruck erhöhen und die Nieren belasten [1]. Deshalb wird bei Babywasser der niedrige Natriumgehalt besonders beworben. Laut Produktinformation liegt der Natriumgehalt von Babywasser liegt je nach Hersteller etwa zwischen 9 und 14 Milligramm pro Liter.

Überraschend fiel unser Vergleich mit Leitungswasser aus: Denn das Wiener Leitungswasser etwa ist mit höchstens 2,6 Milligramm pro Liter um einiges natriumärmer [2]. Auch das Leitungswasser in Graz und im Waldviertel enthält mit rund 7 beziehungsweise 11 Milligramm pro Liter noch immer weniger Natrium als so manches Babywässerchen [3].

Nitrat in hohen Mengen gefährlich

Babywasser soll außerdem besonders wenig Nitrat enthalten. Die Stickstoffverbindung kann in hohen Dosen bei Säuglingen zur „Blausucht“ (Methämoglobinämie) und Sauerstoffmangel führen.

Und tatsächlich beträgt der Nitratgehalt im Babywasser – sofern angegeben – nicht mehr als 0,5 Milligramm pro Liter. Abgefülltes Mineralwasser, das ausdrücklich für Säuglinge empfohlen wird, darf in Österreich laut Gesetz pro Liter höchstens 10 Milligramm Nitrat enthalten [4].

Aber auch Wasser aus der Leitung liegt teilweise unter dieser strengen Nitrat-Grenze, die sonst nur für Mineralwasser gilt. In Wien etwa enthält ein Liter Wasser etwa 3 bis 6 Milligramm Nitrat [2].

Das ist aber nicht überall so. Der Nitratgehalt im Leitungswasser ist stark vom Wohnort anhängig. Schließlich kommt Nitrat großteils aus der Landwirtschaft in den Boden und von dort ins Wasser. Laut Bundesumweltamt ist es gesundheitlich bedenklich, wenn Trinkwasser mehr als 50 Milligramm Nitrat pro Liter enthält, sofern man es regelmäßig und dauerhaft zu sich nimmt. Das gilt auch für Erwachsene [5].

Heiß diskutiert: Abkochen ja oder nein?

Obwohl man in Internet-Foren für Eltern manchmal Gegenteiliges liest: In Österreich muss Leitungswasser für Säuglinge nicht zwingend abgekocht werden. Das gilt zumindest für Säuglinge über sechs Monate, die bereits Beikost erhalten. Darauf haben sich Expertinnen und Experten österreichischer und deutscher Fachgesellschaften geeinigt [6,7].
Wissenschaftliche Studien zum Nutzen des Abkochens wurden in Ländern mit hygienisch einwandfreier Trinkwasserversorgung wie Österreich bisher nicht durchgeführt. Im Trinkwasser hierzulande sind Verunreinigungen mit Bakterien normalerweise nicht zu befürchten.

Wasserqualität lieber nachprüfen

Auf unsere Nachfrage hin hat auch die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) bestätigt: Abgepacktes Wasser für Babys muss nicht sein. Gestillte Säuglinge brauchen zusätzlich zur Muttermilch normalerweise kein Wasser zum Trinken. Für Säuglinge, die nicht gestillt werden, aber gilt: Zum Anrühren von Muttermilchersatz ist Leitungswasser zwar geeignet, dieses sollte aber in den ersten sechs Monaten zur Sicherheit abgekocht werden. Mit dem Beginn der Beikost rund um das sechste Monat können Babys Wasser aus der Leitung trinken. Abkochen ist dann nicht mehr notwendig.

Abgepacktes Wasser ist dann sinnvoll, wenn das Leitungswasser nicht der Trinkwasserverordnung entspricht. Das kann im Ausland der Fall sein oder wenn das Leitungswasser am Wohnort von schlechter Qualität ist. Auch Wasser aus Bleirohren, wie man sie in alten Häusern manchmal findet, ist für Babys nicht geeignet. Vorsicht ist geboten, wenn das Wasser aus einem hauseigenen Brunnen stammt. Wer sich unsicher ist, lässt die Wasserqualität lieber überprüfen.

In jedem Fall sollte das Wasser für Säuglinge immer frisch und kalt aus der Leitung kommen. Das heißt: das Wasser zuerst einige Zeit laufen lassen und erst dann verwenden. Das gilt besonders für den Morgen oder nach der Rückkehr aus dem Urlaub [6,7].

Die Trinkwasserqualität an Ihrem Wohnort können Sie übrigens ganz einfach unter trinkwasserinfo.at abfragen.

Uran in Babywasser

Dass auch Babywasser keine hundertprozentige Garantie für Reinheit ist, zeigte 2007 ein Test des Vereins für Konsumenteninformation (VKI). Verschiedene Babywasser-Marken wurden dabei auf das schwach radioaktiv strahlende Schwermetall Uran untersucht.

In Deutschland sind in Mineralwasser höchstens 0,002 Milligramm Uran pro Liter erlaubt, wenn das Wasser als für Säuglinge geeignet gekennzeichnet ist [8]. In Österreich gibt es so einen gesetzlichen Höchstwert nur für Leitungswasser. Dieser Wert liegt bei 0,015 Milligramm Uran pro Liter und gilt für Erwachsene [5].

Für Wasser für die Kleinsten gilt: Je weniger desto besser.

Und dennoch: Die Baby-Versionen einiger bekannter Mineralwassermarken in Österreich waren mit Uran belastet. Dabei lag die Menge an Uran über dem in Deutschland geltenden Höchstwert von 0,002 Milligramm pro Liter. Welche Produkte beim Test hingegen gut abgeschnitten haben, lesen Sie im vollständigen Testbericht auf konsument.at.

Viel Müll und hohe Kosten

Im Vergleich zum Leitungswasser ist Babywasser nicht zuletzt auch eine kostspielige Sache. Zum Vergleich: Für durchschnittlich 90 Cent bekommt man einen Liter Babywasser. Oder – zum gleichen Preis -rund 450 Liter Leitungswasser.

Verkauft wird Babywasser oft in kleinen PET-Flaschen – ideal für Kinderhände. Die Mengen an Plastikmüll, die nach ein paar Schlucken übrigbleiben, sind ein weiterer Kritikpunkt.

Die Studien im Detail

Wir konnten keine Studien finden, die untersucht haben, ob spezielles Babywasser für Säuglinge besser geeignet ist als Leitungswasser.

Eine Studie untersuchte, welche Auswirkungen besonders natriumreiches Leitungswasser auf den Kreislauf und die Nieren von Säuglingen hat [1]. Sie kann unsere Frage jedoch nicht beantworten.

Denn das Forschungsteam konnte zwar zeigen, dass eine hohe Natriumzufuhr den Blutdruck bei Säuglingen zu erhöhen scheint. Auf die Wasserversorgung in Österreich ist dieses Ergebnis aber nicht übertragbar: Die Studie wurde in Tel Aviv durchgeführt. Das Leitungswasser, das verwendet wurde, hatte mit rund 200 Milligramm pro Liter einen fast 100 Mal höheren Natriumgehalt wie das Leitungswasser hierzulande. Und jenes Wasser, das in der Studie als natriumarm galt, enthielt etwa 32 Milligramm pro Liter. Das ist 10 Mal mehr Natrium als unser Leitungswasser.

[1] Pomeranz u.a. (2002)
Pomeranz, A., Dolfin, T., Korzets, Z. E., Eliakim, A., & Wolach, B. (2002). Increased sodium concentrations in drinking water increase blood pressure in neonates. Journal of hypertension, 20(2), 203-207.
(Studie in voller Länge)

[2] Aktuelle Trinkwasserwerte in Wien
Abgerufen am 24.3.2020 unter https://www.wien.gv.at/wienwasser/qualitaet/ergebnis.html

[3] Österreichische Trinkwasserdatenbank
https://www.trinkwasserinfo.at/

[4] Österreichische Mineralwasser- und Quellwasserverordnung
Verordnung der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz über natürliche Mineralwässer und Quellwässer (Mineralwasser- und Quellwasserverordnung), ANHANG II
Abgerufen am 23.3. 2020. (Dokument in voller Länge)

[5] Österreichische Trinkwasserverordnung
Verordnung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung – TWV), Fassung vom 24.03.2020 (Dokument in voller Länge)

[6] Beikostempfehlungen der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (2010)
Bruckmüller M. U., Hitthaller A., Kiefer I. (2010). Österreichische Beikostempfehlungen. Expertenversion.
Abgerufen am 23.3.2020. (Dokument in voller Länge)

[7] Empfehlungen der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder-und Jugendmedizin zur Ernährung gesunder Säuglinge (2014)
DGKJ-e, V., Bührer, C., Genzel-Boroviczény, O., Jochum, F., Kauth, T., & Kersting, M. (2014). Ernährung gesunder Säuglinge. Empfehlungen der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder-und Jugendmedizin. Monatsschr Kinderheilkd, 162, 527-538.
Abgerufen am 23.3.2020. (Dokument in voller Länge)

[8] Deutsche Mineral- und Tafelwasser-Verordnung (Stand Dezember 2006)
Abgerufen am 30.3.2020 unter https://www.mineralwasser.com/fileadmin/pdf/0612-MTVO-7.pdf

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