Wenn die Nebenhöhlen der Nase und der Stirn entzündet sind, fühlt man sich durch Druck und Schmerzen elend. Antibiotika beschleunigen die Heilung nur geringfügig.
Frage: | Beschleunigt die Einnahme von Antibiotika bei einer akuten Nebenhöhlenentzündung das Abheilen der Infektion? | |
Antwort: | ![]() ![]() ![]() |
Ja |
Erklärung: | Die Einnahme von Antibiotika kann das Abheilen einer akuten Nebenhöhlenentzündung etwas beschleunigen. Allerdings ist die Erfolgsquote nicht berauschend: Nur bei 5 von 100 Menschen führen Antibiotika zu einer schnelleren Genesung. Schmerzen und Beeinträchtigungen im Alltag werden nicht verbessert. Und natürlich können Antibiotika auch Nebenwirkungen auslösen. Alles in allem haben Antibiotika bei einer akuten Nebenhöhlenentzündung oft keinen großen Nutzen. |
In jedem Jahr bringt der Herbst eine erste Erkältungswelle mit sich. Wer Glück hat, muss nur einige Tage erst mit laufender, dann mit verstopfter Nase hinter sich bringen.
Wer Pech hat, handelt sich zusätzlich einen hartnäckigen Husten oder als Folge der Erkältung eine Nebenhöhlenentzündung ein [2].
Schmerzen, Druck, Fieber
Bei einer Nebenhöhlenentzündung, auch „Rhinosinusitis“ genannt, sind die Schleimhäute in der Nase und in den Nebenhöhlen entzündet. Typisch sind dann Schmerzen hinter der Stirn oder im Kiefer, Druckgefühl, Fieber und eitriger Ausfluss aus der Nase.
Doch die Selbstheilungsrate ist bei Nebenhöhlenentzündungen recht hoch. Die Krankheit ist nach ein bis zwei Wochen für die meisten ausgestanden [4].
Antibiotika: oft verordnet
Wenn die Beschwerden nicht oder nicht rasch genug von selbst verschwinden, werden häufig Antibiotika verordnet. Aber bringt das tatsächlich etwas? Denn nur selten sind Bakterien die Verursacher einer Nebenhöhlenentzündung. Meistens sind Viren die verantwortlichen Erreger – und gegen sie können Antibiotika gar nichts ausrichten.
Hilfreich – aber nur für wenige
Mit dieser Frage haben wir uns auf die Suche nach aussagekräftigen Studien gemacht. Anders als so oft haben wir diesmal tatsächlich gut gemachte Studien mit belastbaren Daten gefunden.
- Sie besagen, dass Antibiotika eine akute Nebenhöhlenentzündung etwas verkürzen können – aber nur bei wenigen Menschen.
- Während der Erkrankung sorgen Antibiotika nicht für eine Verbesserung der wesentlichsten Beschwerden wie Schmerzen und den damit verbundenen Einschränkungen im Alltag.
- Lediglich gegen eitrigen Schnupfen helfen die Antibiotika; aber dieses Symptom ist bei einer Nebenhöhlenentzündung für die Betroffenen meist ein vergleichsweise kleines Problem.
- Auch mit Nebenwirkungen wie Durchfall ist zu rechnen.
Entzündung der Hohlräume
Eine akute Nebenhöhlenentzündung – „Rhinosinusitis“ im Fachjargon – entwickelt sich oft aus einer Infektion der oberen Atemwege, etwa einer Erkältung. Verursachende Erreger einer Nebenhöhlenentzündung sind meistens Viren. Seltener sind Bakterien verantwortlich. Anhand der Symptome lässt sich für Ärztinnen und Ärzte meist nicht entscheiden, welche Erreger hinter der Erkrankung stecken. Weitere Untersuchungen werden aber bei einer unkomplizierten akuten Nebenhöhlen nicht routinemäßig durchgeführt [2,3,4].
Die betroffenen Regionen – also die Nebenhöhlen – sind luftgefüllte Hohlräume im Schädel. Sie befinden sich an der Stirn („Stirnhöhlen“), hinter der Nasenwurzel sowie seitlich der Nase („Nasennebenhöhlen“) und sind mit der Nasenhöhle verbunden.
Eine akute Rhinosinusitis verschwindet meist innerhalb von vier Wochen wieder. Bestehen die Beschwerden jedoch länger als drei Monate, sprechen Fachleute von einer „chronischen Rhinosinusitis“. Immunreaktionen, Schleimhautwucherungen (Polypen) oder eine verkrümmte Nasenscheidewand können dazu beitragen, dass die Symptome dauerhaft werden [2].
Mehr Information zu Nasennebenhöhlenentzündungen, Mittel gegen Nasennebenhöhlenentzündungen sowie die richtige Anwendung von Antibiotika finden Sie auf den Seiten von www.gesundheitsinformation.de.
Die Studien im DetailBei unserer Literatursuche sind wir auf eine systematische Übersichtsarbeit [1] gestoßen. Sie wurde im September 2018 veröffentlicht und enthält Studien bis einschließlich Jänner 2018. Wir haben in zwei Literaturdatenbanken nach neueren Studien gesucht, sind aber nicht fündig geworden. Wir gehen daher davon aus, dass die systematische Übersichtsarbeit den aktuellen Stand der Wissenschaft zu unserer Fragestellung spiegelt. Viren oder Bakterien?In die Übersichtsarbeit hat das Forschungsteam nur solche Studien aufgenommen, bei denen die Diagnose „akute Rhinosinusitis“ aufgrund der von den Betroffenen berichteten Beschwerden oder mit Hilfe von bildgebenden Verfahren (wie Röntgen oder CT) gestellt worden war. Nicht eingeschlossen wurden Untersuchungen, an denen nur Testpersonen mit nachgewiesener bakterieller Infektion teilnahmen. Das ist deshalb wichtig zu wissen, weil es für Ärztinnen und Ärzte im Alltag häufig schwierig ist, ohne weitere (aufwändige) Untersuchungen zwischen bakteriellen und viralen Ursachen der Entzündung zu unterscheiden. Die Ergebnisse der systematischen Übersichtsarbeit lassen sich daher auf den „typischen Fall“ anwenden, bei dem nicht geklärt ist, ob Viren oder Bakterien im Spiel sind und Antibiotika eventuell „umsonst“ verschrieben werden. Antibiotikum oder PlaceboDie berücksichtigten 15 randomisierten kontrollierten Studien umfassten insgesamt mehr als 3000 Testpersonen. Sie waren im Durchschnitt Mitte 30 und hatten bei Behandlungsbeginn bereits seit mindestens sieben Tagen Beschwerden. Es war unklar, ob Viren oder Bakterien die Entzündung ausgelöst hatten. Nach dem Zufallsprinzip erhielten sie entweder ein Scheinpräparat (Placebo) oder ein Antibiotikum. Die meisten Studien untersuchten das Antibiotikum Amoxicillin. Lediglich eine Untersuchung verglich die Wirkung des Medikaments mit jener von gar keiner Behandlung. In einer Studie wurde ein Antibiotikum mit einem Cortison-Nasenspray kombiniert. In vielen Untersuchungen durften die Testpersonen nach Bedarf Schmerzmittel und/oder einen abschwellenden Nasenspray benutzen. In sechs Studien war ein abschwellender Nasenspray verpflichtender Teil der Behandlung für alle Testpersonen. Die Behandlung dauerte jeweils zwischen drei und zehn Tagen. Placebogruppe: viele gesund von selbstDie Forschungsteams der Einzelstudien verglichen dann zu verschiedenen Zeitpunkten (7 bis 28 Tage nach Behandlungsbeginn) die Ergebnisse in den beiden Gruppen. Dabei stellten sie fest, dass in der Placebogruppe nach einer Woche rund die Hälfte der Patientinnen und Patienten wieder gesund waren, nach zwei Wochen waren es fast zwei Drittel. Anders ausgedrückt: Eine akute Rhinosinusitis hat eine hohe Selbstheilungsrate. Krankheitsdauer: nur 5 von 100 profitierenWelchen Nutzen hat jetzt die Einnahme eines Antibiotikums auf die Heilung, also da Verschwinden aller Symptome? Diesen Effekt werteten acht Studien mit rund 1700 Testpersonen aus. Zusammengefasst waren am Ende der Studien 60 von 100 Menschen mit Antibiotika-Einnahme wieder gesund, mit Placebo waren es 55 von 100. Das bedeutet also: Nur 5 von 100 Menschen mit akuter Rhinosinusitis profitieren davon, wenn sie statt eines Scheinmedikaments ein Antibiotikum einnehmen. Diese Schätzung ist sehr zuverlässig, da die Studien eine gute methodische Qualität sowie viele Testpersonen hatten, und zu ähnlichen Ergebnissen kamen.
Fast keine Linderung einzelner SymptomeKönnen Antibiotika wenigstens einzelne Beschwerden lindern, auch wenn der Effekt auf die vollständige Heilung nur sehr gering ist ? Auch das wurde in einigen Studien getestet, doch fanden sich keine positiven Effekte des Antibiotikums: weder auf den Zeitraum mit Beschwerden, noch für Schmerzen oder krankheitsbedingte Einschränkungen im Alltag. Einen Unterschied fand das Forschungsteam lediglich für eitrigen Schnupfen: Bei 10 von 100 Menschen wird das Nasensekret schneller wieder klar, wenn sie ein Antibiotikum statt eines Scheinmedikaments einnehmen. Allerdings ist das bei einer Nebenhöhlenentzündung vermutlich ein Symptom, das den meisten Menschen ziemlich egal ist, im Gegensatz etwa zu Schmerzen und Druckgefühl. Auch diese Ergebnisse sind sehr zuverlässig.
Nebenwirkungen: bei 13 von 100In den meisten Studien wurden auch Nebenwirkungen untersucht.
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(AutorIn: I. Hinneburg, Review: J. Harlfinger, B. Kerschner, C. Christof)
Information zu den wissenschaftlichen Studien
[1] Lemiengre (2018)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 15 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 3057 Testpersonen
Fragestellung: Beschleunigt die Gabe von Antibiotika bei Erwachsenen mit akuter Rhinosinusitis die Heilung oder verbessern sich dadurch die Beschwerden schneller?
Interessenskonflikte: 5 von 6 Personen aus dem Autorenteam waren an einigen der berücksichtigten Einzelstudien beteiligt, sonst bestehen keine Interessenskonflikte
Lemiengre MB u.a. Antibiotics for acute rhinosinusitis in adults. Cochrane Database Syst Rev 2018; CD006089
Zusammenfassung
Weitere wissenschaftliche Quellen
[2] IQWiG (2018) Nasennebenhöhlenentzündung. (Zugriff 14.11.2018)
[3] UpToDate (2018) Acute sinusitis and rhinosinusitis in adults: Clinical manifestations and diagnosis. (Zugriff 09.11.2018)
[4] UpToDate (2018) Uncomplicated acute sinusitis and rhinosinusitis in adults: Treatment.
(Zugriff 09.11.2018)