Amorex: Zweifelhafte Pille gegen Liebeskummer

Amorex – ein Nahrungsergänzungsmittel aus der Apotheke – soll bei Liebesschmerz helfen. Doch wissenschaftliche Belege für eine solche Wirkung fehlen.

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Review:  Jana Meixner 

Hilft Amorex (bzw. der Inhaltsstoff 5-Hydroxytryptophan) gegen Liebeskummer?

Die einzige Studie zu Amorex hat die Wirkung auf Liebeskummer nicht direkt untersucht. Aufgrund schwerer Mängel ist sie nicht geeignet, diese Frage zu beantworten.

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© Africa Studio - shutterstock.com Tablette statt trauern: lässt sich Liebesschmerz so einfach lindern?
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Liebe tut weh – das ist die bittere Erkenntnis, wenn eine Beziehung in die Brüche geht. Eine Firma behauptet, ihr Nahrungsergänzungsmittel Amorex könne das ändern. Das Mittel soll Liebeskummer lindern und so beispielsweise die Trennung von einer geliebten Person weniger belastend machen. Die Wirkung wäre angeblich durch eine Studie belegt.

Doch lässt sich Liebekummer wirklich wegschlucken? Wir haben uns diese Studie näher angesehen.

An Fragestellung vorbeigeforscht

Das Forschungsteam hinter der Studie [1] behauptet, dass es den Teilnehmenden mit Amorex nach drei bis sechs Wochen besser ging. Bei näherer Betrachtung wird jedoch klar: Die Studie kann gar nicht beantworten , ob Amorex hilft:

Erstens nimmt Liebeskummer mit der Zeit von allein ab. Ob das mit Amorex schneller geht als ohne, hat die Studie aber nicht untersucht – dazu fehlt ein Vergleich mit Betroffenen, die kein Amorex eingenommen haben. Zweitens hat das Forschungsteam die Teilnehmenden gar nicht zum wichtigsten Aspekt von Liebeskummer befragt: ob sie sich weniger traurig oder verzweifelt fühlten. Im Abschnitt „Die Studien im Detail“ erklären wir unsere Kritik an dieser Studie genauer.

Wir haben keine anderen wissenschaftlichen Untersuchungen gefunden, die die Behauptungen zu Amorex überprüft haben. Es gibt also keine Belege, dass es einem mit dem Mittel nach einer Trennung oder bei Problemen in einer Liebesbeziehung tatsächlich besser geht.

Nebenwirkungen möglich

Amorex enthält einen Extrakt aus der afrikanischen Schwarzbohne (Griffonia simplicifolia). Darin ist natürlicherweise die Substanz 5-Hydroxytryptophan – abgekürzt 5-HTP – enthalten. Es ist bekannt [2], dass die Einnahme von 5-HTP Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall verursachen kann.

Vorläufer moderner Antidepressiva

Solche Nebenwirkungen sind in Studien [2] aufgetreten, welche eine vermutete Wirkung von 5-HTP gegen Depression untersucht haben. Die Studien konnten jedoch nicht belegen, dass die Einnahme von 5-HTP bei Depression hilft.

5-HTP kommt natürlicherweise im Gehirn vor. Die Substanz entsteht dort, wenn der Körper die Aminosäure Tryptophan aus der Nahrung in den Nervenzell-Botenstoff Serotonin umwandelt. Einer gängigen Theorie zufolge löst ein Serotonin-Mangel im Gehirn eine Depression aus. Daher nahmen Fachleute an, mehr 5-HTP würde zu mehr Serotonin im Gehirn führen – und so einer Depression entgegenwirken. Während es für die Einnahme von 5-HTP keinen Wirknachweis gibt, können moderne Antidepressiva eine Depression lindern, indem sie die Wirkung von Serotonin direkt verstärken.

Depression ist eine Krankheit – Liebeskummer nicht

Es ist normal, dass man sich etwa nach der Trennung von einem geliebten Menschen traurig, verletzt und enttäuscht fühlt. Üblicherweise bessert sich Liebeskummer mit der Zeit jedoch wieder von allein. Bei einer Depression ist das anders. Eine Depression ist eine psychische Erkrankung, bei der traurige Gefühle, negative Gedanken und Antriebslosigkeit den Alltag anhaltend überschatten. In schweren Fällen kann eine Trennung allerdings eine Depression auslösen.

Detaillierte Informationen zu Depression und ihre Behandlungsmöglichkeiten, beschreibt die unabhängige Webseite Gesundheitsinformation.de.

Wenn man sich niedergeschlagen fühlt oder den Verdacht hat, von einer Depression betroffen zu sein, informiert die Seite Gesundheit.gv.at außerdem darüber, wohin man sich wenden kann.

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Ob der in Amorex enthaltene Wirkstoff 5-HTP bei Liebesschmerz hilft, ließe sich im Prinzip einfach untersuchen – mithilfe einer sogenannten randomisiert-kontrollierten Studie. Das ist die aussagekräftigste Studienart, um den Erfolg einer Behandlung zu untersuchen.

Dazu werden Betroffene nach einer als schmerzhaft empfundenen Trennung nach dem Zufallsprinzip (randomisiert) einer von zwei Gruppen zugeteilt: Die Behandlungsgruppe nimmt einige Zeit lang Amorex-Tabletten ein. Die Kontrollgruppe zum Vergleich Placebo-Tabletten ohne Wirkstoff.

Idealerweise sollte bis zum Studienende niemand wissen, wer das zu untersuchende Mittel einnimmt und wer das Placebo. Nur so lässt sich vermeiden, dass bereits die Erwartung an eine Wirkung eine Besserung bewirkt. Fachleute sprechen vom Placeboeffekt.
Im Laufe der Studie wird sich der Liebeskummer vermutlich auch in der Placebo-Gruppe von allein bessern. Doch am Ende wird verglichen: Hat sich der Liebeskummer in der Behandlungsgruppe stärker gebessert als in der Placebo-Gruppe? Nur das wäre ein Beweis dafür, dass Amorex helfen kann.

Trotz Suche in zwei Forschungsdatenbanken haben wir keine solche randomisiert-kontrollierte Studie finden können. Bei unserer Recherche sind wir nur auf eine einzige Studie [1] gestoßen: auf diejenige, mit der die Herstellerfirma hinter Amorex ihr Produkt bewirbt.

Dabei haben 11 junge Frauen und 4 junge Männer teilgenommen, die sich kürzlich getrennt hatten oder Probleme in einer Liebesbeziehung erlebten. Sechs Wochen lang nahmen die Teilnehmenden nun Amorex ein. Es fehlte jedoch eine Kontrollgruppe, die das Mittel nicht einnahm.

Am Ende gab das Forschungsteam hinter der Studie an, dass es den Teilnehmenden durch Amorex besser gehen würde.

Wie aussagekräftig ist diese Studie?

Aus folgenden Gründen kann diese Studie nicht beantworten, ob Amorex bei Liebeskummer helfen kann:

  • Fehlender Vergleich: Es ist davon auszugehen, dass es den Teilnehmenden auch ohne Amorex mit der Zeit besser gegangen wäre – weil sich Liebeskummer mit der Zeit von allein bessert. Ob das mit Amorex schneller geht, hat die Studie jedoch nicht untersucht: Dazu fehlt der Vergleich mit einer Kontrollgruppe, die das Mittel nicht eingenommen hat.
  • Liebeskummer nicht direkt untersucht: Zu den wichtigsten Aspekten hat das Forschungsteam die Teilnehmenden nicht befragt: Traurigkeit, Enttäuschung oder Verzweiflung. Erhoben haben die Forschenden nur, wie sehr sich die Teilnehmenden von eigenen Unsicherheiten in Beziehungsfragen gestresst gefühlt haben.
  • Zu wenige Teilnehmende: 15 Personen sind viel zu wenig, um auf andere Betroffene schließen zu können.

[1] Emanuele et al. (2010) An open-label trial of L-5-hydroxytryptophan in subjects with romantic stress. Neuroendocrinology Letters, 31(5), 663. (Studie in voller Länge)

[2] Shaw et al. (2008) Tryptophan and 5‐Hydroxytryptophan for depression. Cochrane Database of Systematic Reviews, 2010(1). (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[3] Javelle et al. (2020) Effects of 5-hydroxytryptophan on distinct types of depression: a systematic review and meta-analysis. Nutrition reviews, 78(1), 77-88. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

  • 16.1.2024: Bei einer neuerlichen Recherche haben wir keine neuen Studien gefunden. Unsere Einschätzung bleibt gleich. Um die Kritikpunkte an der Amorex-Studie besser verständlich zu machen, haben wir den Text allerdings leicht umformuliert.
  • 23.7.2018: Eine umfangreiche Suche hat keine neueren Studien aufgezeigt, unsere Einschätzung hat sich daher nicht geändert
  • 17.11.2014: erste Version des Faktenchecks

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