Vitamin D bei Corona eher wirkungslos

Eine Behandlung mit Vitamin D hat eher keinen Einfluss auf die Schwere und den Krankheitsverlauf von Covid-19. Das zeigen die Zusammenfassungen zahlreicher Studien.

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Ist Vitamin D eine wirksame Behandlung bei Covid-19? Kann es schwere Krankheitsverläufe oder Todesfälle verhindern?

Vitamin D als Infusion oder zum Schlucken mildert den Verlauf von Covid-19-Erkrankungen eher nicht. Dasselbe gilt für das Risiko eines tödlichen Krankheitsausgangs. Das zeigen die zusammengefassten Ergebnisse bisheriger Studien. Mängel in der Durchführung und große Unterschiede zwischen den Studien verringern das Vertrauen in dieses Ergebnis aber deutlich.

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© Firn - shutterstock.com Präparate mit Vitamin D werden häufig als Mittel gegen Corona beworben.
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Eigentlich scheint das mit der Corona-Pandemie ja ganz einfach: Alles, was Covid-19-Kranke bräuchten, ist eine gute Dosis an Vitamin D und schon ginge es ihnen besser. Das könnte man zumindest meinen, wenn man den zahlreichen Seiten im Internet Glauben schenkt, die Vitamin D als geheime Wunderwaffe gegen das Coronavirus bewerben.

Gleichzeitig betonen jedoch viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Nutzlosigkeit von Vitamin-D-Präparaten gegen Covid-19. Wer hat recht?

Viele Studien, aber nur wenige gute

Wir haben uns in wissenschaftlichen Datenbanken auf die Suche nach Antworten gemacht. Dabei fanden wir zwar zahlreiche Studien, die untersuchten, ob Vitamin D zum Schlucken oder als Infusion Covid-Kranken helfen könnte. Aber nur wenige davon waren auch aussagekräftig.

Vitamin D: Keine Hinweise auf eine Wirksamkeit bei Covid

Die Studien-Ergebnisse sind – wie die hitzige Diskussion um das Vitamin bereits erahnen lässt – nicht vollkommen eindeutig [1-8]. Zusammengenommen liefern sie aber keine Hinweise auf einen Effekt von Vitamin D: Das Risiko, zu sterben scheint Vitamin D eher nicht zu verringern.
In den Studien mussten mit Vitamin D Behandelte außerdem ähnlich häufig auf der Intensivstation behandelt oder künstlich beatmet werden wie Erkrankte ohne Vitamin-D-Behandlung.
Trotz der vielen Studien ist das Gesamtergebnis allerdings mit großer Unsicherheit behaftet. Die Studien sind teilweise mangelhaft und sehr unterschiedlich durchgeführt. In manchen waren die Teilnehmenden nur leicht erkrankt, in anderen mussten sie auf der Intensivstation behandelt werden. Auch die verwendeten Mengen an Vitamin D waren von Studie zu Studie unterschiedlich.

Welche Rolle spielt der Mangel?

Ob Vitamin D bei Menschen mit einem schweren Vitamin-D-Mangel eine Wirkung haben könnte, beantworten die Studien leider nicht . Denn nur wenige Teilnehmende hatten einen solchen Mangel. In vielen Studien wurde allerdings gar nicht erhoben, ob die Teilnehmenden einen Mangel hatten oder nicht.

Vitamin D scheint nicht zu schaden

Was uns die Studienergebnisse allerdings sagen können: Vitamin D führte bei den erkrankten Teilnehmenden durchschnittlich nicht zu mehr Nebenwirkungen als eine Scheinbehandlung mit einem wirkungslosen Placebo [2,3,6,8]. Vitamin D scheint also relativ sicher zu sein.

Vitamin D fürs Immunsystem?

Kann die vorsorgliche Einnahme von Vitamin D vielleicht helfen, sich gar nicht erst mit dem Coronavirus zu infizieren? Das haben wir uns in diesem Faktencheck genauer angesehen.
Ob Vitamin generell das Immunsystem stärken kann, ist Thema dieses Faktenchecks.

Krank durch Vitamin-D-Mangel? Oder Vitamin-D-Mangel, weil krank?

Vitamin D scheint eine Rolle in der Immunabwehr zu spielen [10]. Auch gibt es die Vermutung, Menschen mit einem sehr niedrigen Vitamin-D-Spiegel im Blut könnten schwerer an Covid-19 erkranken als Menschen ohne Mangel [10,13].

Doch Vorsicht: Dieser mögliche Zusammenhang bedeutet nicht, dass das fehlende Vitamin D auch verantwortlich ist für die schwere Erkrankung, oder dass Vitamin D den Betroffenen helfen kann. Denn möglicherweise sind Betroffene nicht krank wegen des Vitamin-D-Mangels, sondern haben einen Mangel, weil sie bereits krank sind.

Vitamin D wird hauptsächlich in der Haut gebildet, und zwar durch direkte Sonneneinstrahlung [11]. Wahrscheinlich ist, dass Menschen mit schlechter Gesundheit oder sehr alte Menschen weniger Zeit draußen verbringen und deshalb weniger Vitamin D bilden. Und eben diese Menschen haben aufgrund ihrer schlechten Gesundheit auch ein höheres Risiko, besonders schwer an Covid-19 zu erkranken. Auch bestimmte Leber- und Nierenerkrankungen können zu einem niedrigeren Vitamin-D-Spiegel und gleichzeitig zu einem höheren Risiko für eine schwere Covid-Erkrankung führen [12].

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Ob Vitamin D bei Covid-19 helfen kann, lässt sich nur durch sogenannte randomisiert-kontrollierte Studien verlässlich beantworten. Dabei werden Covid-19-Erkrankte per Los auf zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine erhält Vitamin D – zum Schlucken oder als Infusion, täglich kleinere Mengen oder einmalig eine größere. Die andere bekommt kein Vitamin D oder ein wirkungsloses Scheinmedikament (Placebo). Idealerweise weiß niemand der Beteiligten, wer sich in welcher Gruppe befindet. Fachleute nennen das Verblindung. Die Verblindung soll sicherstellen, dass die Ergebnisse von Erwartungen unbeeinflusst bleiben.

Wir fanden eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2022, die die Ergebnisse acht solcher randomisiert-kontrollierter Studien zusammenfasst [1]. Eine der Studien wurde aufgrund schwerer Mängel nach ihrer Veröffentlichung wieder zurückgezogen und wir haben sie in unserer Einschätzung nicht berücksichtigt [9].
Zusätzlich fanden wir noch sieben weitere, aktuellere Studien, die erst nach der Übersichtsarbeit veröffentlicht wurden [2-8].

Insgesamt nahmen an den Studien 1.632 Personen teil, die wegen Covid-19 im Krankenhaus oder in Ambulanzen behandelt werden mussten. Knapp 200 Personen davon verstarben. Um ein Gesamtergebnis zum Sterbe-Risiko in allen 15 Studien zu erhalten, führten wir eine sogenannte Meta-Analyse durch. Bei einer Meta-Analyse werden die einzelnen Studien so zusammengefasst, als handle es sich um eine einzige große Studie. Die Meta-Analyse kann ein weitaus genaueres Ergebnis liefern als die einzelnen, kleineren Studien es können.

Wie aussagekräftig sind die Studien?

Auf den ersten Blick sieht es zwar so aus, als zeigte die Zusammenfassung der Ergebnisse einen geringfügigen Nutzen von Vitamin D bei Covid-19. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass dieser scheinbare Effekt rein durch Zufall oder Mängel in der Durchführung der Studien zustande kam.

Was unser Vertrauen in dieses Ergebnis schmälert: Die Studien waren sehr unterschiedlich, was die verwendete Dosis an Vitamin D und die Schwere der Covid-19-Erkrankungen betraf. Und die hatten teilweise große Mängel: In vielen wussten sowohl die Patientinnen und Patienten als auch das Studienteam, wer Vitamin D bekam, und wer ein Placebo. Das kann medizinische Entscheidungen und die Interpretation der Ergebnisse beeinflusst haben.
Unsere Einschätzung, dass Vitamin D bei Covid-19 eher nicht hilft, ist deshalb sehr unsicher und kann sich in Zukunft noch ändern.

[1] Kümmel, L. S., et al. (2022).
„Vitamin D supplementation for the treatment of COVID-19: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials.“ Frontiers in immunology 13: 1023903. (Link zur Übersichtsarbeit)

[2] Bishop C.W., et al. (2023).
REsCue trial: Randomized controlled clinical trial with extended-release calcifediol in symptomatic COVID-19 outpatients. Nutrition 107:111899. (Link zur Studie)

[3] Bychinin, M. V., et al. (2022).
„Effect of vitamin D3 supplementation on cellular immunity and inflammatory markers in COVID-19 patients admitted to the ICU.“ Sci Rep 12(1): 18604. (Link zur Studie)

[4] Cannata-Andía, J. B., et al. (2022).
„A single-oral bolus of 100,000 IU of cholecalciferol at hospital admission did not improve outcomes in the COVID-19 disease: the COVID-VIT-D-a randomised multicentre international clinical trial.“ BMC medicine 20(1): 83. (Link zur Studie)

[5] De Niet S., et al. (2022).
Positive Effects of Vitamin D Supplementation in Patients Hospitalized for COVID-19: A Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled Trial. Nutrients 14(15):3048. (Link zur Studie)

[6] Domazet Bugarin, J., et al. (2023).
„Vitamin D Supplementation and Clinical Outcomes in Severe COVID-19 Patients—Randomized Controlled Trial.“ Nutrients 15(5). (Link zur Studie)

[7] Karonova, T. L., et al. (2022).
„Effect of Cholecalciferol Supplementation on the Clinical Features and Inflammatory Markers in Hospitalized COVID-19 Patients: A Randomized, Open-Label, Single-Center Study.“ Nutrients 14(13). (Link zur Studie)

[8] Mariani, J., et al. (2022).
High-dose vitamin D versus placebo to prevent complications in COVID-19 patients: Multicentre randomized controlled clinical trial. PLoS One 17(5):e0267918. (Link zur Studie)

[9] Lakkireddy, M., et al. (2021).
RETRACTED ARTICLE: Impact of daily high dose oral vitamin D therapy on the inflammatory markers in patients with COVID 19 disease. Scientific reports, 11(1), 10641.

[10] UpToDate (2023)
Vitamin D and extraskeletal health. Abgerufen am 13.4.2023 unter www.uptodate.com/contents/vitamin-d-and-extraskeletal-health

[11] UpToDate (2023)
Overview of vitamin D. Abgerufen am 13.4.2023 unter www.uptodate.com/contents/overview-of-vitamin-d (Kostenpflichtiger Zugang nötig)

[12] UpToDate (2023)
Causes of vitamin D deficiency and resistance. Abgerufen am 13.4.2023 unter www.uptodate.com/contents/causes-of-vitamin-d-deficiency-and-resistance (Kostenpflichtiger Zugang nötig)

[13] Bignardi, P. R., de Andrade Castello, P., de Matos Aquino, B., & Delfino, V. D. A. (2023).
Is the vitamin D status of patients with COVID-19 associated with reduced mortality? A systematic review and meta-analysis. Archives of endocrinology and metabolism, 67(2), 276-288.
(Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

  • 16. Mai 2023: Nach einer neuerlichen Sichtung der verfügbaren Studienergebnisse und Hinzuziehen einer weiteren Expertin änderte sich unsere Interpretation der Ergebnisse. Da der scheinbare Effekt von Vitamin D statistisch nicht signifikant war, kamen wir zu dem Schluss, dass Vitamin D eine Covid-19-Erkrankung möglicherweise nicht lindert.
  • 20. April 2023: Eine neuerliche Suche brachte zahlreiche aktuelle Studienergebnisse. Unserer Einschätzung zufolge sind die Studien jedoch unzureichend, um für oder gegen einen Behandlungseffekt zu sprechen.
  • 13. Januar 2021: Erstveröffentlichung des Faktenchecks. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch zu wenige Studien und wir konnten nicht sagen, ob Vitamin D bei Covid helfen kann.

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