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Vitamin B3: Quelle langen Lebens?

An Fadenwürmern wurde dokumentiert, dass Vitamin B3 zu einem längeren Leben verhilft. Aber gibt es wissenschaftliche Beweise für eine derartige Wirkung am Menschen?

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Verlängert die Einnahme von Vitamin B3 das Leben?

Zurzeit deuten nur einzelne Laborexperimente an einfachen Würmern darauf hin, dass Vitamin B3 lebensverlängernd wirken könnte. Ob das auch auf Menschen zutrifft, ist gänzlich ungeklärt, Studien dazu fehlen.

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Der Mensch mit dem höchsten dokumentierten Alter war die Französin Jeanne Calment. Sie wurde 122 Jahre und 164 Tage alt. Kinder, die im Jahr 2014 in Österreich geboren wurden, haben eine durchschnittliche Lebenserwartung von knapp 82 Jahren. Das ist zwar ein hohes Alter, auf Jeanne Calment fehlen aber immer noch 40 Jahre.

Wie ist es möglich, ein derart hohes Alter zu erreichen? Sind es die Gene? Ist es ein besonders gesunder Lebensstil? Oder sind es gar einzelne Lebensmittel, die uns eine längere Lebensspanne bescheren können? Beispielsweise solche, die Vitamin B3 enthalten?

Medizin-transparent.at hat mehrmals über Vitamine bzw. Nahrungsergänzungsmittel und deren mögliche positive Effekte auf die Gesundheit berichtet. Allerdings gibt es in den allermeisten Fällen weder Hinweise auf eine gesundheitsfördernde noch auf eine lebensverlängernde Wirkung: https://www.medizin-transparent.at/vitamin-e-schutz-oder-bedrohung und https://www.medizin-transparent.at/vitamintabletten-gesund-oder-gefahrlich.

Vitamin B3: Bestandteil vieler Nahrungsmittel

Vitamin B3, auch Niacin oder Nikotinsäure genannt, ist in vielen Zellen des menschlichen Körpers enthalten und für verschiedene Stoffwechselvorgänge wichtig. Es kann vom Körper selbst hergestellt werden, steckt aber auch in zahlreichen Nahrungsmitteln. Gute Vitamin-B3-Quellen sind unter anderem Hefe, Fleisch, Innereien, Eier, Gemüse und Zerealien. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, dass gesunde Erwachsene täglich zwischen 13 und 18 Milligramm Niacin zu sich nehmen sollten [4]. Dieser Wert wird in unseren Breiten durch eine normale Ernährung leicht erreicht. Ein Vitamin-B3-Mangel ist bei gesunden Menschen deshalb selten [6].

Vitamin-Hoffnung bislang nur für Fadenwürmer

Die lebensverlängernde Wirkung von Vitamin B3 wurde bis heute nur durch Versuche mit Fadenwürmern bestätigt. Dabei wurde beobachtet, dass Würmer, die mit Vitamin B3 gefüttert wurden, um rund ein Zehntel länger lebten. Inwieweit ein solches Vitaminfutter Einfluss auf die Lebenserwartung von Menschen haben könnte, offenbaren solche Tierstudien jedoch nicht. Studien über eine lebensverlängernde Wirkung von Vitamin B3 beim Menschen fehlen bisher.

Gefährlicher Cholesterinsenker

Lange Zeit war Vitamin B3 die einzige Möglichkeit, erhöhte Cholesterinwerte im Blut zu senken. Heute wird dies durch die Medikamentengruppe der Statine erreicht. Das Besondere an Niacin ist jedoch, dass das Vitamin nicht nur das „schlechte“ Cholesterin“ LDL senken, sondern auch das „gute“ Cholesterin HDL erhöhen kann [7].

Trotz dieses scheinbaren Vorteils gegenüber den derzeit verwendeten Cholesterinsenkern wird Vitamin B3 nur noch in Ausnahmefällen eingesetzt [4][6]. Grund hierfür sind unter anderem die relativ häufig auftretenden, teils schweren Nebenwirkungen von hoch dosiertem Vitamin B3. Schon die Einnahme einer relativ niedrigen Dosis von 30 Milligramm kann zu sogenannten Flush-Symptomen führen: eine Hautrötung an Gesicht, Nacken und Armen sowie ein unangenehmes Hitzegefühl, begleitet von Nesselausschlag mit starkem Hautjucken.

Bei einer sehr hohen Dosierung ab 1000 Milligramm können Durchfall, Erbrechen und manchmal sogar eine Leberschädigung auftreten. Vorsichtig sollten auch Personen sein, die an Diabetes leiden, da Vitamin B3 auch den Blutzuckerspiegel beeinflussen kann [4][6].

Trotz dieser Risiken sind Vitamin-B3-Präparate in derart hohen Dosierungen durchwegs als Nahrungsergänzungsmittel auf dem freien Markt erhältlich. Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt daher solch hoch dosierte Vitamin-B3-Präparate nur unter ärztlicher Aufsicht einzunehmen.

Vitamin-B3-Mangel selten

Wie eingangs erwähnt, ist es nur selten notwendig, Vitamin B3 zusätzlich als Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen [4][6]. Zu Mangelerscheinungen kommt es heute eigentlich nur noch im Rahmen von Erkrankungen wie Magersucht, Alkoholismus oder bestimmten Magen-Darm-Erkrankungen.

Das war nicht immer so. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts war vor allem die arme Bevölkerung Europas und Südamerikas mit Vitamin B3 stark unterversorgt. Dies führte zu einer Mangelerscheinung namens „Pellagra: Ursache für Niacin-Mangel war eine sehr einseitige Ernährung mit Mais.

Nach wie vor tritt die Vitamin-B3-Mangelerkrankung infolge schlechter Ernährung in den ärmlichen Gegenden Indiens, Afrikas und Chinas auf. Zu den typischen Symptomen zählen neben Hautveränderungen und Durchfall auch neurologische und psychische Veränderungen. Einmal als Vitamin-B3-Mangel erkannt, lässt sich Pellagra aber gut mit Vitamin-B3-haltigen Nahrungsmitteln, mit Bierhefe sowie Nikotinsäurepräparaten behandeln [6].

Die Studien im Detail

Zu der Fragestellung, ob Vitamin B3 das Leben verlängern könnte, ist die wissenschaftliche Studienlage sehr bescheiden. Einige Studien beziehen sich auf Versuche mit Tieren, so auch die eingangs erwähnte Studie mit Fadenwürmern [2]. Allerdings können diese Ergebnisse nicht auf den Menschen übertragen werden. Um einen positiven Einfluss von Vitamin B3 auf die Lebensspanne nachweisen zu können, wären gut durchgeführte kontrollierte Studien am Menschen notwendig. Diese müssten auch die Frage der optimalen Dosierung von Vitamin B3 für einen lebensverlängernden Effekt untersuchen.

Gewissheit herrscht bei Nebenwirkungen

Wenn auch keine Hinweise zu einem lebensverlängernden Effekt von Vitamin B3 vorliegen, so kommen einige Studien zu dem Schluss, dass die Einnahme von Niacin oft mit beträchtlichen Nebenwirkungen verbunden ist [1][3]. So zeigte sich in zwei Studien, die sehr viele Personen eingeschlossen hatten, dass Vitamin B3 Nebenwirkungen sowohl an der Haut als auch im Magen-Darmtrakt verursacht und zu einer Erhöhung des Blutzuckers führen kann.

Dies spiegelt sich auch in einer randomisiert kontrollierten Studie aus dem Jahr 2011 wider [3]. In dieser wurde an 3414 Personen mit einem hohen Risiko für eine Herz- Kreislauf-Erkrankung untersucht, ob jene, die zusätzlich zu ihren Blutfette senkenden Medikamenten Vitamin B3 erhielten, seltener einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herzkreislauftod erlitten. Es zeigte sich kein Vorteil einer zusätzlichen Niacin-Gabe. Dafür kam es in der Vitamin-B3-Gruppe häufiger zu Nebenwirkungen. Die Studie wurde nach drei Jahren Laufzeit wegen fehlender Wirksamkeit von Niacin vorzeitig gestoppt und führte dazu, dass ein Medikament, welches Niacin als Blutfette-senkenden Zusatz zu Statinen verwendete, aus dem Verkehr gezogen wurde.

[1] Keene u.a. (2014)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Eingeschlossene Studien: 39 randomisiert kontrollierte Studien, elf davon zu Niacin
Teilnehmende insgesamt: 117 411 Personen, davon 35 301 zu Niacin
Fragestellung: Reduziert Niacin bei Herzkranken die allgemeine Sterblichkeit beziehungsweise das Auftreten von Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herztod?
Interessenkonflikte: keine bekannt
Effect on cardiovascular risk of high density lipoprotein targeted drug treatments niacin, fibrates, and CETP inhibitors: meta-analysis of randomised controlled trials including 117,411 patients. BMJ 2014, Jul 18;349:g4379 (Volltext der Studie)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[2] Schmeisser u.a. (2013)
Role of sirtuins in lifespan regulation is linked to methylation of nicotinamide. Nat Chem Biol. 2013 Nov; 9(11): 693-700. Epub 2013 Sep 29 (Volltext der Studie)

[3] Boden u.a. (2011)
Studientyp: randomisiert kontrollierte Studie
Teilnehmende: 3414 Personen mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Frage: Bringt die zusätzliche Verabreichung von Niacin zu einer Statintherapie Vorteile für die Behandelten?
Interessenkonflikte: Förderung durch öffentliche und private Unternehmen

Niacin in patients with low HDL cholesterol levels receiving intensive statin therapy. N Engl J Med. 2011 Dec 15; 365(24):2255-67. Epub 2011 Nov 15 (Volltext der Studie)

[4] Bundesinstitut für Risikobewertung
Die Einnahme von Nicotinsäure in überhöhter Dosierung kann die Gesundheit schädigen. Stellungnahme Nr. 018/2012 des BfR vom 06. Februar 2012. Abgerufen am 16.11.2016 unter http://www.bfr.bund.de/cm/343/die-einnahme-von-nicotinsaeure-in-ueberhoehter-dosierung-kann-die-gesundheit-schaedigen.pdf

[5] Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs (2015)
Niacin. Abgerufen am 16.11.2016 unter https://www.gesundheit.gv.at/Portal.Node/ghp/public/content/Niacin_KH.html

[6] UpToDate (2014)
Sassan Pazirandeh: Overview of water-soluble vitamins. Abgerufen am 16.11.2016 unter http://www.uptodate.com/contents/overview-of-water-soluble-vitamins?source=search_result&search=niacin&selectedTitle=2~103

[7] Ammon & Hunnius (2014)
Pharmazeutisches Wörterbuch (11., aktualisierte Aufl.). Berlin: DeGruyter

Die ursprüngliche Version dieses Artikels erschien am 12.06.2015. Eine neuerliche Literatursuche brachte keine Änderung unserer Einschätzung.

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