Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Thrombose vorbeugen: Kompressionsstrümpfe beim Flug

Ein langer Flug kann das Risiko für ein Blutgerinnsel (Thrombose) geringfügig erhöhen. Kompressionsstrümpfe können vorbeugen.

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Wirkt das Tragen von Kompressionsstrümpfen auf einem Langstreckenflug vorbeugend gegen Thrombosen (Blutgerinnsel) und den damit einhergehenden Beschwerden?

In bisherigen Studien haben Kompressionsstrümpfe die Wahrscheinlichkeit für eine symptomlose Thrombose deutlich verringert. Damit sinkt wahrscheinlich auch das Risiko für selten auftretende problematische Thrombosen, die zu ernsten Beschwerden führen.

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© illpaxphotomatic - fotolia.com Auch auf langen Flügen ist das Risiko für eine Thrombose gering.
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Endlich ist der langersehnte Urlaub da, der Traum von Palmenstränden in der Karibik beinahe Realität. Zuvor heißt es jedoch anschnallen und warten. So ein Langstreckenflug in die Karibik dauert mehr als zehn Stunden, und die gilt es, eingepfercht auszuharren: in engen Sitzen.

Von der Langeweile lenken eventuell ein guter Film, ein spannendes Buch oder anregende Gespräche mit der Person am Nachbarsitz ab. Der Mangel an Bewegungsfreiheit ist aber nicht nur öde, sondern kann sich auch auf die Gesundheit auswirken. In seltenen Fällen bildet sich im Laufe des Fluges ein Blutgerinnsel und verursacht eine Thrombose.

Blockierter Blutfluss

Bei einer Thrombose verstopft ein Blutgerinnsel ein Blutgefäß. Meist passiert das in den Venen, in denen das Blut aus dem Inneren der Beinmuskulatur zum Herz zurückfließt. Typischerweise bilden sich Thrombosen im Unterschenkel.

Bei Flügen von über vier Stunden bekommen im Schnitt 200 von einer Million Fluggästen Beschwerden durch eine Thrombose [2]. Die Wahrscheinlichkeit dafür steigt mit der Dauer des Fluges.

Meistens harmlos, selten lebensgefährlich

Häufig verursacht eine Thrombose keine Probleme. Gerinnsel und Verstopfung bleiben unbemerkt und lösen sich von selbst wieder auf.

Eine Thrombose kann aber auch einen ernsteren Verlauf haben und Probleme verursachen. Dann fühlt sich das Bein warm und schwer an, ist geschwollen und schmerzt.

Äußerst selten kommt es zu einer lebensgefährlichen Lungenembolie. Das geschieht Schätzungen zufolge bei 2 bis 3 von einer Million Personen auf Langstreckenflügen von über acht Stunden [3].

Vorbeugen mit Kompressionsstrümpfen ist wirksam

Kompressionsstrümpfe sollen verhindern, dass es zu Thrombosen kommt. Deswegen liegen die Strümpfe eng am Unterschenkel an. Ihr ständiger Druck wirkt dem Blutstau in den Beinen entgegen. Soweit die Theorie.

Und tatsächlich: Auf einem Langstreckenflug verringert das Tragen von Kompressionsstrümpfen die Wahrscheinlichkeit, dass sich im Bein Blutgerinnsel bilden. Das bestätigt eine aktuelle Zusammenfassung von elf Studien [1].

„Heimliche“ Thrombosen häufiger

Diese Zusammenfassung – deren Ergebnisse wir als verlässlich einschätzen – zeigte zum Beispiel, dass sich bei langen Flügen symptomfreie Thrombosen deutlich häufiger entwickeln als problematische Thrombosen, die Beschwerden verursachen.

Denn niemand unter den rund 2600 Teilnehmerinnen und Teilnehmern hat im Laufe der Studie eine problematische Thrombose entwickelt. Es sind also nur Thrombosen aufgetreten, die die Betroffenen ohne wissenschaftliche Untersuchung gar nicht bemerkt hätten.

Viele Thrombosen werden verhindert

Weiters zeigen die Ergebnisse, dass Kompressionsstrümpfe viele Thrombosen verhindern. Dennoch können sie keine Wunder wirken. Auch mit Kompressionsstrümpfen bilden sich Blutgerinnsel, selbst bei Menschen ohne spezielle Risikofaktoren.

  • Ohne Strümpfe bekamen 14 von 1000 Reisenden eine symptomlose Thrombose.
  • Mit Kompressionsstrümpfen bekamen etwa 1 bis 2 von 1000 Reisenden eine symptomlose Thrombose.

Erhöhtes Risiko

Ein wenig häufiger entwickelt sich eine symptomlose Reisethrombose bei Menschen mit bestimmten Risikofaktoren. Dazu zählen eine frühere Thrombose, starkes Übergewicht, starke Bewegungseinschränkung, große Körpergröße, auffällige Krampfadern, Krebs oder Blutgerinnungsstörungen. Die Seite Gesundheitsinformation.de listet weitere Risikofaktoren auf: „Tiefe Venenthrombose“

  • Ohne Strümpfe bekamen 24 von 1000 Reisenden mit erhöhtem Risiko eine symptomlose Thrombose.
  • Mit Kompressionsstrümpfenstrümpfen bekamen etwa 2 bis 3 von 1000 Reisenden mit erhöhtem Risiko eine symptomlose Thrombose.

Problematische Thrombosen nicht untersucht

In den Studien, deren gut gemachte Zusammenschau wir für unser Fazit herangezogen haben, sind Thrombosen nur bei wenigen Personen aufgetreten, und sie haben bei keiner der rund 2600 untersuchten Personen Beschwerden verursacht.

Die Kompressionsstrümpfe konnten sowohl bei Personen mit erhöhtem Risiko als auch bei nicht speziell gefährdeten Menschen das Auftreten von symptomfreien Thrombosen reduzieren. Es ist daher wahrscheinlich, dass Kompressionsstrümpfe auch die seltenen problematischen Thrombosen reduzieren können.

Schutzeffekt und Nebenwirkungen wenig untersucht

Die Kompressionsstrümpfe haben möglicherweise einen weiteren Vorteil: Bei Versuchspersonen, die sie getragen haben, sind die Beine weniger durch Wassereinlagerungen angeschwollen. Wie groß dieser Schutzeffekt war, ist in Studien aber unzureichend erforscht.
Ernste Nebenwirkungen scheint das Tragen der Stümpfe nicht auszulösen. Nicht alle Studien haben dies jedoch untersucht. In den Untersuchungen scheinen die Versuchspersonen die Kompressionsstrümpfe nicht als unangenehm empfunden zu haben.

Wie kann man noch vorbeugen?

Medikamente in Form von Spritzen oder Tabletten können das Risiko für eine Thrombose ebenfalls verringern. Sie erschweren das Gerinnen des Blutes.
Allerdings können diese Medikamente auch Nebenwirkungen haben. Vielfach erhöhen sie beispielsweise das Risiko für Blutungen. Weitere Informationen dazu beschreibt die unabhängige Webseite Gesundheitsinformation.de: „Tiefe Venenthrombose“ des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) aus Deutschland.

Empfehlungen durch Fachleute

Häufig empfehlen Fachleute auch

  • während des Flugs häufig aufstehen oder die Beine bewegen (zum Beispiel mit den Füßen wippen)
  • einen Sitzplatz mit mehr Bewegungsfreiheit wählen
  • viel Flüssigkeit (alkoholfreie Getränke) trinken

Ob und wie gut diese Maßnahmen tatsächlich einer Thrombose vorbeugen, wurde bisher nicht in Studien untersucht [4]. Fachleute halten sie dennoch für sinnvoll. Sie vermuten, dass der Bewegungsmangel der Hauptgrund für das erhöhte Thromboserisiko auf Langstreckenflügen ist.

Die Studien im Detail

Für eine systematische Übersichtsarbeit suchte ein britisches Forschungsteam nach allen Studien, die bis Anfang 2016 veröffentlicht worden sind [1]. Sie fanden neun Studien, in denen insgesamt 2821 Flugreisende per Zufallsprinzip zwei Gruppen zugeteilt wurden.

Eine Gruppe trug während des gesamten Fluges an beiden Beinen Kompressionsstrümpfe, die bis ans Knie reichten. Die zweite Gruppe verbrachte die Zeit im Flugzeug ohne spezielle Strümpfe. Die Flüge dauerten zwischen sieben und 15 Stunden.

Die Passagierinnen und Passagiere zogen die Thrombosestrümpfe mindestens zwei Stunden vor Beginn des Fluges an. Nach dem Flug überprüfte ein Ärzteteam mit Ultraschall, ob sich bei ihnen eine Thrombose gebildet hatte. Rund die Hälfte der Untersuchten hatte ein geringes bis mittleres Risiko für eine Thrombose, der Rest ein hohes Risiko.

Aussagekräftige Studien…

Insgesamt ist die Qualität der analysierten Studien hoch, ihre zusammengefassten Ergebnisse zu symptomlosen Thrombosen daher verlässlich. Zudem waren die Daten der analysierten Studien ähnlich: In allen Untersuchungen waren Thrombosen in der Gruppe mit Kompressionstrümpfen wesentlich seltener als bei der Vergleichsgruppe ohne Kompressionsstrümpfe.

…mit Einschränkungen

In keiner Studie sind problematische Thrombosen mit Beschwerden aufgetreten. Streng genommen können die Daten daher nicht belegen, dass Kompressionsstrümpfe Beschwerden durch problematische Thrombosen bis hin zu einer Lungenembolie in ähnlichem Ausmaß vorbeugen können. Die Ergebnisse zu symptomlosen Thrombosen legen dies aber nahe.

Nur mäßig belegen können die Studien, dass Kompressionsstrümpfe auch die Wahrscheinlichkeit für Ödeme (Schwellungen durch Flüssigkeitseinlagerungen) verringern. Ob ein Fluggast ein Ödem bekommen hatte, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jedoch nur subjektiv eingeschätzt. Zudem wussten sie, welche der Fluggäste Kompressionsstrümpfe getragen haben – sie waren nicht verblindet. Das könnte sie bei der Erfassung der Ödeme beeinflusst haben.

[1] Clarke u.a. (2016)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 11 randomisiert-kontrollierte Studien
Teilnehmende insgesamt: 2906 Männer und Frauen
Fragestellung: Senken Kompressionsstrümpfe das Risiko für Venenthrombosen während eines Langstreckenflugs?
Interessenskonflikte: keine laut Autorenteam

Clarke MJ, Broderick C, Hopewell S, Juszczak E, Eisinga A. Compression
stockings for preventing deep vein thrombosis in airline passengers. Cochrane Database Syst Rev. 2016 Sep 14;9:CD004002. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

Weitere Quellen

[2] Chandra u.a. (2009)
Chandra D, Parisini E, Mozaffarian D. Meta-analysis: travel and risk for venous thromboembolism. Ann Intern Med 2009; 151(3): 180-190. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[3] Aryal & Al-Khaffaf
Aryal KR, Al-Khaffaf H. Venous thromboembolic complications following air travel: what’s the quantitative risk? A literature review. Eur J Vasc Endovasc Surg. 2006 Feb;31(2):187-99. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[4] IQWIG (2017)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Ist eine Thrombose-Vorbeugung auf Flugreisen nötig? Gesundheitsinformation.de. Abgerufen am 2.7.2018 unter https://www.gesundheitsinformation.de/ist-eine-thrombose-vorbeugung-auf-flugreisen.2408.de.html?part=vorbeugung-2y-aais-bmbt

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