Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Zwiebelsäckchen bei Mittelohrentzündung

Ein gepriesenes Hausmittel bei Mittelohrentzündungen ist das Auflegen von Zwiebelsäckchen. Aber helfen die den Kleinen?

Hilft das Auflegen von Zwiebelsäckchen bei einer akuten Mittelohrentzündung?

Es fehlen gute Studien über die Anwendung von Zwiebelsäckchen bei Kindern, die an einer akuten Mittelohrentzündung leiden. Daher können wir keine Aussagen über einen möglichen Nutzen dieses Hausmittels treffen. Es kann aber gesagt werden, dass die häufigen Ohrenentzündungen meistens komplikationsfrei ausheilen.

so arbeiten wir
© lisalucia - fotolia.com Hilft das Zwiebelsäckchen auf dem Ohr?
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Mittelohrentzündungen gehören zu den häufigsten Erkrankungen im Baby- und Kleinkindalter [2] [8]. Die Kinder leiden beispielsweise an heftigen Ohrenschmerzen, Fieber, Appetitverlust, Erbrechen und Reizbarkeit. Die Symptome können sehr plötzlich auftreten.

Ein traditionelles Hausmittel bei Mittelohrentzündungen ist das Auflegen von Zwiebelsäckchen. Dafür werden geschnittene, erwärmte und ausgedrückte Zwiebeln in ein Stofftuch gewickelt und auf das betroffene Ohr gelegt. Das empfinden die Kleinen mitunter als wohltuend. Manche Eltern verwenden auch kalte geschnittene Zwiebel oder eine halbierte Zwiebel, die mit einer Mütze oder einem Kopftuch auf das Ohr gebunden wird.

Die ätherischen Öle der Zwiebel sollen angeblich schmerzlindernd und entzündungshemmend wirken. Aber gibt es Belege dafür, dass dieses alte Hausmittel etwas nützt?

Kein Für oder Wider

Leider nein. Wir können weder bestätigen noch ausschließen, dass Zwiebelsäckchen helfen, denn es gibt schlicht keine Studien zu diesem Thema. Wir wissen also weder, ob Zwiebelsäckchen die Krankheitsdauer verkürzen können oder ob sie Beschwerden zu lindern vermögen. Ebenso können wir nichts über mögliche Risiken sagen.

Dass eine gute Analyse über die Anwendung von Zwiebelsäckchen bei einer akuten Mittelohrentzündung fehlen, ist wenig verwunderlich: Traditionelle Hausmittel sind nur selten Gegenstand von gut geplanten und damit teuren wissenschaftlichen Studien. Und selbst dort, wo Mittel aus der Alternativ- und Komplementärmedizin zur Behandlung von Mittelohrentzündungen untersucht wurden, sind stichhaltige Informationen zu diesen Behandlungsformen spärlich und widersprüchlich [3] [4].

Eine Erforschung der diversen Hausmittel und alternativmedizinischen Therapien für Kinder wäre aber sinnvoll, denn viele Mütter und Väter greifen gerne auf Methoden zurück, die sie als „sanft“ und „natürlich“ empfinden und die es nicht auf Rezept aus der Apotheke gibt. Zu wissen, ob die Mittel etwas bringen, wäre hier sehr hilfreich.

Was passiert bei einer Mittelohrentzündung?

Die schmerzhafte Entzündung des Ohres trifft oft schon die Kleinsten. Bereits vor dem ersten Geburtstag macht etwa jedes zweite Baby eine Mittelohrentzündung durch. Bis zum dritten Geburtstag hat es fast jedes Kind zumindest einmal „erwischt“, meistens in Zusammenhang mit einer Erkältung oder anderen Infektion. Ab dem Volksschulalter nimmt die Erkrankungshäufigkeit dann deutlich ab [7] [8].

Weil sich hinter dem Trommelfell Flüssigkeit ansammelt, kommt es bei einigen Kindern neben den Schmerzen, die durch den Druck entstehen, auch zu einer zeitweisen Hörminderung. Manchmal kann das Trommelfell sogar einreißen, wenn der Druck zu groß wird. Dann tritt eine zähe Flüssigkeit aus dem Ohr aus. Weil der Druck damit abgebaut ist, hat das Kind jetzt kaum noch Schmerzen [7] [8]. Der entstandene kleine Riss heilt in den meisten Fällen innerhalb weniger Tage oder Wochen wieder zu [8].

Auch sonst klingen die Beschwerden einer akuten Mittelohrentzündung in den meisten Fällen innerhalb von zwei oder drei Tagen folgenlos und von selbst wieder ab. Komplikationen wie eine Innenohrschädigung sind sehr selten [8].

Bei starken Schmerzen und hohem Fieber können die Eltern Schmerzmittel verabreichen, zum Beispiel Mittel mit den Wirkstoffen Ibuprofen oder Paracetamol. Ibuprofen wirkt außerdem entzündungshemmend [2] [6] [8].

Mittelohrentzündungen vorbeugen

Studien zeigen, dass Stillen das Risiko für eine Mittelohrentzündung bei Babys zu vermindern scheint [6].

Kinder über sechs Monate, die regelmäßig einen Schnuller benutzen, haben hingegen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, an einer Mittelohrentzündung zu erkranken. Das gilt auch für Kinder, die zuhause Zigarettenrauch ausgesetzt sind [1] [8].

Bei schon älteren Kindern hat wahrscheinlich das regelmäßige Kauen von Xylit-Kaugummi eine gewisse vorbeugende Wirkung [1].

Antibiotika – ein zweischneidiges Schwert

Nur ein Arzt oder eine Ärztin kann durch eine Untersuchung des Kindes mit Blick auf das Trommelfell feststellen, ob es sich um eine Mittelohrentzündung handelt, und wenn ja, wie schwer die Erkrankung ist.

In den meisten Fällen ist Zuwarten vertretbar. Das besagt eine Übersicht über alle gut gemachten bisherigen Studien zu dem Thema [8]. (Eine ausführliche und gut verständliche Zusammenfassung der Arbeit bietet die Seite Gesundheitsinformation.de des deutschen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWIG [9].)

Immer wieder bekommen Kinder bei einer akuten Mittelohrentzündung Antibiotika verschrieben. Doch die Auslöser der Erkrankung sind sehr oft Viren – und gegen Viren sind Antibiotika wirkungslos [8]. Allerdings ist die Unterscheidung zwischen bakterieller und viraler Mittelohrentzündung nicht immer eindeutig.

Der Studie zufolge helfen Antibiotika nur wenigen Kindern mit Mittelohrentzündung, schneller wieder fit zu werden. Ohne Antibiotika haben zwei bis drei Tage später etwa 22 von 100 Kindern noch Schmerzen, mit Antibiotika sind es rund 15 von 100, also um sieben weniger. Außerdem können durch die Antibiotika unangenehme Nebenwirkungen auftreten wie Erbrechen, Durchfall und Hautausschlag [2] [8].

Die Eltern sollten am besten gemeinsam mit dem Kinderarzt oder der Kinderärztin besprechen, ob für die Behandlung der Mittelohrentzündung ein Antibiotikum erforderlich ist oder ob „Abwarten und Tee trinken“, dabei das Kind gut zu beobachten und allenfalls starke Schmerzen mit schmerzstillenden Mitteln zu lindern ausreicht, um wieder gesund zu werden. Bei dieser Überlegung spielen zum Beispiel das Alter des Kindes und der Schweregrad der Erkrankung eine Rolle [2] [5] [6] [8] [9].

Unser Fazit

  • Mittelohrentzündungen bei Babys und (Klein-)Kindern sind häufig und gehen mit unangenehmen Beschwerden wie Schmerzen einher.
  • Meistens heilen diese Infektionen von selbst aus und verursachen keine Komplikationen.
  • Mangels Studien können wir nicht sagen, ob Zwiebelsäckchen tatsächlich wirksam sind, also Beschwerden verlässlich lindern oder die Krankheitsdauer verkürzen können. Aus derzeitiger Sicht spricht allerdings auch wenig dagegen, nach Rücksprache mit Arzt oder Ärztin das Hausmittel einfach einmal auszuprobieren.
  • Auch andere Hausmittel bzw. Behandlungsmethoden aus der Alternativmedizin bei Mittelohrentzündungen sind nicht oder nur schlecht erforscht.
  • Nur ein Arzt oder eine Ärztin kann abklären, ob es sich um eine Mittelohrentzündung handelt, wie schwer sie ist und was die beste Behandlung ist.

[1] Azarpazhooh u.a. (2016)

Xylitol for preventing acute otitis media in children up to 12 years of age. Cochrane Database Syst Rev. 2016 Aug 3;(8):CD007095 (Kurzfassung der Studie)

[2] Venenkamp u.a. (2015)

Antibiotics for acute otitis media in children. Cochrane Database Syst Rev. 2013 Jan 31;(1):CD000219 (Zusammenfassung der Studie) (Download der deutschen Zusammenfassung)

[3] Marom u.a. (2016)

Complementary and Alternative Medicine Treatment Options for Otitis Media: A Systematic Review. Medicine (Baltimore). 2016 Feb;95(6):e2695 (Volltext der Studie)

[4] Mi u.a. (2016)

Herbal medicines for the treatment of otitis media with effusion: a systematic review of randomised controlled trials. BMJ Open. 2016; 6(11): e011250 (Volltext der Studie)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[5] UpToDate (2016)

Acute otitis media in children: Treatment. Abgerufen am 2.2.2017 unter http://www.uptodate.com/contents/acute-otitis-media-in-children-treatment

[6] UpToDate (2016)

Acute otitis media in children: Prevention of recurrence. Abgerufen am 2.2.2017 unter https://www.uptodate.com/contents/acute-otitis-media-in-children-prevention-of-recurrence

[7] UpToDate (2016)

Patient information: Ear infections (otitis media) in children (Beyond the basics). Abgerufen am 2.2.2017 unter http://www.uptodate.com/contents/ear-infections-otitis-media-in-children-beyond-the-basics

[8] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, IQWIG (2013)

Mittelohrentzündung. Abgerufen am 2.2.2017 unter https://www.gesundheitsinformation.de/mittelohrentzuendung.2233.de.html

[9] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, IQWIG (2016)

Was kann ich bei einer Mittelohrentzündung tun? Abgerufen am 13.2.2017 unter https://www.gesundheitsinformation.de/was-kann-ich-bei-einer-mittelohrentzundung-tun.2233.de.html?part=behandlung-ko

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