Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Belastung durch Quecksilber? Fragwürdiger Test mit DMPS

Um eine vermutete Quecksilberbelastung zu testen, wird manchmal ein DMPS-Test empfohlen. Nachweise über die Sinnhaftigkeit fehlen.

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Ist der DMPS-Test geeignet, um eine Quecksilbervergiftung verlässlich anzuzeigen?

Es gibt derzeit keine gut gemachten Studien mit verlässlichen Aussagen zum Thema. Es bleibt also offen, ob der DMPS-Test Menschen, die eine Schwermetallvergiftung vermuten, wirklich Vorteile verschafft. Risiken von DMPS sind allerdings bekannt. Alles in allem erscheint dieses Diagnosewerkzeug deshalb nicht empfehlenswert.

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© Nomad_Soul - fotolia.com Quecksilber: Wie sinnvoll ist der DMPS-Test?
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Schwindel, Erschöpfung, Schlafstörungen, Schmerzen – bei solchen Symptomen ist es manchmal schwierig, eine konkrete Ursache zu finden. Nicht selten pilgern die Betroffenen von Praxis zu Praxis – schließlich möchten sie etwas gegen ihre Beschwerden tun und ihre Lebensqualität verbessern. Die Frustration ist natürlich groß, wenn es nach diversen Untersuchungen und Überweisungen weder eine Diagnose gibt, noch eine Therapie für Linderung sorgt. Die Symptome halten an, die Sorge um die Gesundheit bleibt und die Betroffenen fühlen sich nicht recht ernst genommen.

Surfen sie auf der Suche nach Antworten nun im Internet, könnte es passieren, dass sie auf den so genannten DMPS-Test stoßen: Er soll Aufschluss darüber geben, ob möglicherweise eine Quecksilbervergiftung die Wurzel der Übel ist. Der Test wird mit der Substanz DMPS durchgeführt. Das Kürzel steht für Dimercaptopropansulfonsäure. Das ist eine Substanz, die als Gegengift („Antidot“) bei bekannten Schwermetallvergiftungen zum Einsatz kommt.

Was der DMPS-Test verspricht…

DMPS ist als so genannter Chelatbildner in der Lage, mit Schwermetallen wie Quecksilber Verbindungen – sogenannte „Chelate“ – einzugehen. Diese Chelate gelangen rasch in den Urin und werden darüber ausgeschieden.

Diesen Mechanismus nutzt der angebliche „Test“: Zuerst wird DMPS verabreicht – als Injektion oder in Form einer Kapsel. Die Substanz kann tatsächlich Quecksilber im Blut und in verschiedenen Organen aufspüren, das Schwermetall mobilisieren und mit dem Urin „ausleiten“ [4]. Bei vielen Menschen ist die Quecksilberkonzentration im Urin nach der Gabe von DMPS auch wirklich höher als davor [1]. Dies mag erschreckend wirken. Doch handelt es sich tatsächlich um einen verlässlichen Hinweis darauf, dass Quecksilber in gefährlich hohen Mengen den Körper belastet?

… und was der DMPS-Test (nicht) hält

Nein. Die Interpretation der Urinwerte ist heikel und in Fachkreisen höchst umstritten. Denn für DMPS-Tests gibt es kein standardisiertes Verfahren. Das heißt, es ist nirgends festgelegt, wie viel DMPS in welcher Form in den Körper der testwilligen Personen gelangen soll [4].

Außerdem fehlt eine einheitliche Vorgehensweise für das Sammeln der Urinproben zur Messung der Quecksilberbelastung. Zum Beispiel wird nicht immer vor der Gabe von DMPS schon eine Urinprobe genommen, mit der der Urin später (nach der DMPS-Gabe) verglichen werden kann [3] [7].

Gravierende Unterschiede wie diese machen es schwierig, aus den Testergebnissen klare Schlüsse zu ziehen oder die Resultate von verschiedenen Personen und Bevölkerungsgruppen sinnvoll miteinander zu vergleichen [3]. Nichtsdestotrotz folgt auf Basis eines derart fragwürdigen Tests bei „hohen“ Werten oft die Empfehlung für eine – ebenso fragwürdige – Ausleitungsbehandlung. Dabei soll der Körper mit noch mehr DMPS weiter von Quecksilber befreit werden [1] [3] [4].

Nicht zugelassen, aber mit Risiken

Angesichts der Qualitätsmängel ist wenig verwunderlich, dass der DMPS-Test zur Feststellung einer Quecksilbervergiftung nicht zugelassen ist. Wer ihn durchführen lassen will, muss die Kosten selbst tragen. Dennoch kommt der Test beispielsweise im alternativ- und komplementärmedizinischen Bereich häufig zum Einsatz [7]. Und das, obwohl er nicht durch gut gemachte Studien erforscht ist. Wir konnten jedenfalls keine Arbeiten finden, die Vorteile eines DMPS-Tests für Menschen mit unspezifischen Beschwerden überzeugend darlegten.

Umgekehrt sind jedoch einige Risiken bekannt, die mit dem Test einhergehen. Die so genannte „Ausleitung“ kann zu Nebenwirkungen führen wie Übelkeit, Schwäche, Hautauschlag und Schwindel. Außerdem können andere vom Körper benötigte Mineralstoffe wie Kupfer, Chrom und Zink entfernt werden [3].

Fazit: nicht empfehlenswert zur Diagnose

  • Ein DMPS-Test ist kostspielig, kann Nebenwirkungen hervorrufen, und seine Ergebnisse sind nicht eindeutig einzuordnen.
  • Es ist denkbar, dass „hohe“ Testwerte bedrohlich erscheinen. Sie können bei den Getesteten Angst auslösen, obwohl gar keine bedenkliche Belastung oder chronische Vergiftung vorliegt.
  • Alles in allem erscheint der DMPS-Test zur Erkennung von Quecksilbervergiftungen nicht empfehlenswert; der Test scheint keine gesundheitlichen Vorteile zu verschaffen.
  • Es ist allerdings denkbar, dass sich Menschen mit schwer diagnostizierbaren und behandelbaren Beschwerden nach einem „positiven“ DMPS-Test erleichtert fühlen, weil sie nun für ihr Leiden (anscheinend) eine Ursache und eine Bezeichnung gefunden haben. Möglicherweise verbessert sich ihr Befinden schon deshalb, weil sie jetzt vermeintliche Gewissheit haben und aktiv werden können.
  • Entscheidend für die Diagnose einer tatsächlichen Quecksilbervergiftung ist ein ausführliches Gespräch mit Arzt oder Ärztin. Es kann helfen, einer möglichen Schwermetall-Gefahrenquelle auf die Schliche zu kommen. In den allermeisten Fällen kann Entwarnung gegeben werden.

Verunsicherung durch Quecksilber

Die Beliebtheit, derer sich der DMPS-Test trotz fehlender Studien erfreut, hat möglicherweise mit der erhöhten Sensibilität der Bevölkerung in Sachen Quecksilber zu tun. Es mag verunsichern, dass das Schwermetall in der Umwelt inzwischen relativ häufig vorkommt. Es stammt zum Beispiel aus Speisefischen, Energiesparlampen, Zahnfüllungen oder industriell verschmutzter Luft. Zu einigen dieser Themen haben wir bereits ausführlich berichtet und auch auf mögliche Gefährdungen mancher Menschen durch Quecksilber hingewiesen.

Doch selbst wenn Quecksilber allgegenwärtig erscheint: In der Regel sind die im Körper vorkommenden Mengen sehr klein. Schwere Gesundheitsschäden, etwa an Nervensystem oder Nieren, sind dadurch nicht zu erwarten. Eine gewisse Quecksilberbelastung ist bei den meisten Menschen übrigens auch ohne „Ausleitung“ mittels DMPS nachweisbar. Bei einem Gutteil der Bevölkerung finden sich bei entsprechenden Tests kleine Quecksilbermengen im Urin und im Blut [3] [5] [6].

DMPS in der Medizin

Wie berichtet, liegt der Nutzen von DMPS-Tests zurzeit im Dunkeln. Allerdings hat DMPS wie auch andere „Chelatoren“ durchaus einen anerkannten Platz in der Medizin: Die Substanz wird manchmal zur Therapie bei einer echten Schwermetallvergiftung eingesetzt. Allerdings als eines von mehreren Behandlungsmitteln und nicht als Diagnosewerkzeug.

Bei der Behandlung einer akuten oder lang anhaltenden Schwermetallvergiftung ist aber vor allem wichtig, die Gefahrenquelle ausfindig zu machen und diese künftig strikt zu meiden [7] [8].

[1] American College of Medical Toxicology (2013)
American College of Medical Toxicology position statement on post-chelator challenge urinary metal testing. J Med Toxicol. 2010 Mar;6(1):74-5 (Volltext der Studie)

[2] McKay (2013)
Editorial: Use and misuse of metal chelation therapy. J Med Toxicol. 2013 Dec;9(4):301-2 (Volltext)

[3] Risher & Amler (2005)
Mercury exposure: evaluation and intervention the inappropriate use of chelating agents in the diagnosis and treatment of putative mercury poisoning.
Neurotoxicology. 2005 Aug;26(4):691-9 (Zusammenfassung der Studie)

[4] Ruha (2010)
Recommendations for provoked challenge urine testing.
J Med Toxicol. 2013 Dec;9(4):318-25 (Volltext der Studie)

Weiterführende wissenschaftliche Informationen

[5] Umweltbundesamt (2016)
Häufige Fragen zu Quecksilber.
Abgerufen am 25.10.2016 unter https://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/umwelteinfluesse-auf-den-menschen/chemische-stoffe/haeufige-fragen-zu-quecksilber

[6] Umweltbundesamt (2016)
Quecksilber – Risiko für Mensch und Umwelt?
Abgerufen am 25.10.2016 unter
https://www.umweltbundesamt.de/themen/quecksilber-risiko-fuer-mensch-umwelt

[7] Wax (2013)
Current use of chelation in American health care. J Med Toxicol. 2013 Dec;9(4):303-7 (Volltext der Studie)

[8] UpTodate (2016)
Mercury toxicity.
Abgerufen am 19.09.2016 unter http://www.uptodate.com/contents/mercury-toxicity

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