Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Kava-Kava: gefährliches Mittel gegen die Angst

Ein Extrakt aus der südpazifischen Kava-Kava-Pflanze soll Angstzustände lindern. Aufgrund möglicher Leberschädigungen ist es in Österreich jedoch nicht zugelassen.

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Helfen Kava-Kava-Präparate bei Angststörungen?

Dass Kava-Kava Symptome einer Angststörung möglicherweise leicht mildern kann, ist nur schwach durch Studien abgesichert. Zudem sind in Europa und den USA mehrere Fälle von schweren Leberschädigungen durch Präparate daraus bekannt.

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© luismolinero - fotolia.com Wiederkehrende Ängste können den Alltag zur Qual machen
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Das Herz pocht panisch, die Handflächen sind feucht, – wer unter häufig wiederkehrenden Ängsten leidet, kennt diese Symptome zur Genüge. Die Anlässe sind unterschiedlich. Sie reichen von der Panik, man könnte im Flugzeug abstürzen über Ängste, außer Haus zu gehen bis hin zu wiederkehrenden, übertriebenen Befürchtungen zu Themen wie Familie, Gesundheit oder der eigenen Zukunft. Manche Menschen quälen solche Ängste so stark, dass sie kaum mehr im Alltag zurechtkommen.

Nur selten jedoch vertrauen sich Betroffene einem Arzt oder Psychologen an. Wiederkehrende Ängste werden in unserer Gesellschaft gerne belächelt, Betroffene nicht ernstgenommen. Da erscheint die Selbstbehandlung mit einem harmlos klingenden pflanzlichen Mittel wie Kava-Kava verlockend.

Die Wurzeln der Kava-Kava-Pflanze – auch Rauschpfeffer genannt – haben auf Südsee-Inseln wie Hawaii oder den Fidschis eine lange Tradition als Rauschmittel. Zermahlen und in Wasser gelöst sollen sie eine angenehme innere Ruhe auslösen und Angstzustände mildern.

Leberschäden möglich

Pflanzlich heißt jedoch keineswegs harmlos. So wurden Anfang der 2000er Jahre mehrere Fälle mit schweren Leberschädigungen nach dem Konsum von Kava-Kava-Präparaten in den USA und Europa bekannt. Sechs Fälle darunter sind allein in Deutschland aufgetreten. In Folge stufte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde die Präparate als gesundheitlich bedenklich ein [6] [10]. Unter anderem in Österreich und Großbritannien sind Kava-Kava-Extrakte deshalb nicht zugelassen [7].

Auch Deutschland hat die pflanzlichen Präparate 2002 vom Markt nehmen lassen. Im Jahr 2014 hat ein Gericht jedoch verfügt, den Verkauf von Kava-Kava-Produkten unter strengeren Bedingungen wieder zuzulassen. Der Grund: Nach Meinung der Richter sind die Beweise zu schwach, dass Kava-Kava tatsächlich die berichteten Leberschädigungen verursacht hat [8].

In Folge empfiehlt das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Kava-Kava nur einen Monat lang einzunehmen – keinesfalls jedoch länger als zwei Monate. Währenddessen sollten Patienten einmal wöchentlich ihre Leberwerte durch eine Blutabnahme kontrollieren lassen [9].

Nur bedingt hilfreich

Auch was die angstlindernde Wirkung betrifft, überzeugen bisher veröffentlichte Studienergebnisse zu Kava-Kava nicht [1] [2]. So können die Präparate aus der Südsee-Pflanze zwar möglicherweise kurzfristig bei Ängsten helfen, ihre Wirkung scheint aber sehr bescheiden zu sein und ist nicht gut belegt.

Mehr Klarheit könnten nur strenger durchgeführte Studien an deutlich mehr Teilnehmern liefern. In bisherigen Studien haben die Teilnehmer die Kava-Kava-Präparate zudem nur einige Wochen lang eingenommen. Ob die Mittel auch über längere Zeiträume helfen könnten, ist daher gänzlich unklar. Aufgrund der Gefahr der Leberschäden ist fraglich, ob längere Studien allerdings überhaupt zu rechtfertigen wären.

Durch die potenziell gefährlichen Nebenwirkungen kommt Kava-Kava zur Behandlung von Angsterkrankungen aber ohnehin nicht in Frage – auch wenn die sonstigen Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Benommenheit und Müdigkeit verhältnismäßig akzeptabel klingen [10]. Tatsächlich stehen dazu weit risikoärmere Arzneimittel zur Verfügung.

Die Angst verlässlich besiegen

Die gute Nachricht ist: Angsterkrankungen lassen sich in den meisten Fällen sehr gut in den Griff bekommen. Wichtig ist jedoch, sich professionelle Hilfe zu suchen.

So ist sehr gut belegt, dass spezifische Ängste (Phobien) – etwa vor bestimmten Tieren, vor dem Kontakt mit fremden Menschen oder vor engen Räumen – gut auf eine kognitive Verhaltenstherapie ansprechen. Ziel dieser Behandlung ist es, angstauslösende Gedankenmuster zu verändern und die Angst in bestimmten Situationen durch Trainings nach und nach abzubauen. Medizin-Transparent hat dazu bereits berichtet, siehe „Phobien: die Angst vergessen“.

Eine kognitive Verhaltenstherapie ist jedoch nicht nur bei Phobien das Mittel der Wahl, sie verspricht auch bei einer generalisierten Angststörung gute Erfolge [11]. Dabei fürchten sich Betroffene nicht vor ganz bestimmten Dingen oder Situationen, sondern sie ängstigen sich vor allem Möglichen.

Die Befürchtungen sind wirklichkeitsfern, übertrieben und schränken den Alltag stark ein. Beispielsweise fürchten sich Menschen mit generalisierter Angststörung in einem Moment, dass ihr Kind auf dem Weg in die Schule von einem Auto angefahren werden könnte. Im nächsten Augenblick haben sie Angst, ihren Wohnungsschlüssel zu verlieren oder dass in ihrer Abwesenheit zuhause ein Brand ausbrechen könnte.

Auch manche Medikamente können bei immer wiederkehrenden Ängsten helfen. Bei einer generalisierten Angststörung können bestimmte Antidepressiva helfen, die quälenden Sorgen langfristig loszuwerden [11]. Beruhigungsmittel können Angstgefühle zwar auch lindern, aber nur kurzfristig. Manche können zudem schon nach wenigen Wochen abhängig machen. Sie eignen sich nicht für die längerfristige Behandlung, werden aber manchmal zur Überbrückung eingesetzt, bis eine andere Therapie zu wirken beginnt [11].

Detaillierte und leicht lesbare Informationen zur Behandlung finden Menschen mit einer generalisierten Angststörung auf der Seite Gesundheitsinformation.de des unabhängigen deutschen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen.

Die Studien im Detail

Die Studienlage zu Kava-Kava ist wenig zufriedenstellend. Darauf weisen schon die zusammengefassten Ergebnisse aller bis Jänner 2005 veröffentlichten Studien hin [1]. Sie weisen alle dieselben Probleme auf: zu kleine und daher kaum aussagekräftige Teilnehmerzahlen und zu kurze Untersuchungszeiträume von nur wenigen Wochen.

Von fünf später publizierten Untersuchungen entspricht nur eine einzige [2] den strengen wissenschaftlichen Kriterien einer gut gemachten klinischen Studie. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass Kava-Kava die Symptome einer generalisierten Angststörung etwas lindern kann. Auch diese Studie hat jedoch zu wenige Teilnehmer über lediglich sechs Wochen untersucht, um aussagekräftige Schlüsse ziehen zu können. Finanziert wurde die Studie durch einen Hersteller von Kava-Kava-Mitteln.

Eine weitere Studie desselben Wissenschaftler-Teams untersuchte Teilnehmer nur jeweils eine Woche lang – eindeutig zu kurz, um zu klaren Ergebnissen zu kommen [3]. Ein anderes Autorenteam führte eine Studie rein über das Internet durch. Dadurch ist unklar, wie glaubwürdig die Ergebnisse sind. Zudem mussten die untersuchten Teilnehmer gleichzeitig sowohl an chronischen Ängsten wie auch einer Schlafstörung leiden – die Ergebnisse sind daher nicht auf andere Angstpatienten übertragbar [4]. Die Autoren der fünften Arbeit fassten die Ergebnisse zweier unzureichend beschriebener Studien an nur wenigen Teilnehmern mit denen einer bereits früher veröffentlichten Studie zusammen [5]. Die Resultate dieser gemeinsamen Analyse sind dadurch nur bedingt nachvollziehbar.

[1] Pittler & Ernst (2005)
Studienart: Systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Analyiserte Studien: 12 randomisiert-kontrollierte Studien
Teilnehmer insgesamt: 700
Fragestellung: Hilft Kava-Extrakt bei Angststörungen?
Interessenskonflikte: keine laut Autoren

Pittler MH, Ernst E. Kava extract versus placebo for treating anxiety. Cochrane Database of Systematic Reviews 2003, Issue 1. Art. No.: CD003383. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[2] Sarris u.a. (2013)
Studienart: randomisiert-kontrollierte Studie
Teilnehmer: 58 Personen mit generalisierter Angststörung
Studiendauer: 6 Wochen
Fragestellung: bessert Kava die Symptome einer generalisierten Angststörung besser als Placebo?
Interessenskonflikte: u.a. finanziert durch Integria Healthcare, einem Hersteller von Kava-Präparaten

Sarris J, Stough C, Bousman CA, Wahid ZT, Murray G, Teschke R, Savage KM, Dowell A, Ng C, Schweitzer I. Kava in the treatment of generalized anxiety disorder: a double-blind, randomized, placebo-controlled study. J Clin Psychopharmacol. 2013 Oct;33(5):643-8. (Zusammenfassung der Studie)

[3] Sarris u.a. (2009)
Studienart: randomisiert-kontrollierte Studie
Teilnehmer: 41 Personen mit Angststörung
Studiendauer: 2 Wochen
Fragestellung: bessert Kava die Symptome einer Angststörung besser als Placebo?
Interessenskonflikte: ein Autor übt beratende Funktion für Herstellerfirma von Kava-Präparaten aus

Sarris J, Kavanagh DJ, Byrne G, Bone KM, Adams J, Deed G. The Kava Anxiety
Depression Spectrum Study (KADSS): a randomized, placebo-controlled crossover trial using an aqueous extract of Piper methysticum. Psychopharmacology (Berl). 2009 Aug;205(3):399-407. (Zusammenfassung der Studie)

[4] Jacobs u.a. (2005)
Studienart: randomisiert-kontrollierte Studie, über das Internet durchgeführt
Teilnehmer: 391 Personen mit einer Angststörung und Schlafstörungen
Studiendauer: 4 Wochen
Fragestellung: bessern Kava und Baldrian die Symptome einer Angst- und Schlafstörung jeweils besser als Placebo?
Interessenskonflikte: finanziert durch Hersteller der für die Internet-Studie verwendeten Software

Jacobs BP, Bent S, Tice JA, Blackwell T, Cummings SR. An internet-based randomized, placebo-controlled trial of kava and valerian for anxiety and insomnia. Medicine (Baltimore). 2005 Jul;84(4):197-207. (Zusammenfassung der Studie)

[5] Connor u.a. (2006)
Studienart: 3 randomisiert-kontrollierte Studien
Teilnehmer: insgesamt 64 Personen mit einer generalisierten Angststörung
Studiendauer: 4 Wochen in 2 Studien, 8 Wochen in der dritten Studie
Fragestellung: bessern Kava die Symptome einer generalisierten Angststörung besser als Placebo?
Interessenskonflikte: finanziert durch Hersteller von Pure World Botanicals Inc.

Connor KM, Payne V, Davidson JR. Kava in generalized anxiety disorder: three placebo-controlled trials. Int Clin Psychopharmacol. 2006 Sep;21(5):249-53. (Zusammenfassung der Studie)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[6] Bundesinstitut für Risikobewertung (2002)
BgVV warnt vor Kava-Kava-haltigen Produkten. Abgerufen am 3.2.2016 unter
http://bfr.bund.de/de/a-z_index/kava_kava-5176.html

[7] Österreichische Apothekerkammer
Kava-Kava kann schwere Nebenwirkungen hervorrufen. Abgerufen am 3.2.2016 unter www.apotheker.or.at

[8] Showman u.a. (2015)
Showman AF, Baker JD, Linares C, Naeole CK, Borris R, Johnston E, Konanui J, Turner H. Contemporary Pacific and Western perspectives on `awa (Piper methysticum) toxicology. Fitoterapia. 2015 Jan;100:56-67. (Zusammenfassung der Arbeit)

[9] BfArM (2015)
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (2015) Patientenheft. Abgerufen am 4.2.2016 unter www.bfarm.de

[10] UpToDate (2014)
Larsson AM (2014). Hepatotoxicity due to herbal medications and dietary supplements. Travis AC (ed.). UpToDate. Abgerufen am 3.2.2016 unter www.uptodate.com

[11] IQWIG (2014)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (2014). Behandlungsmöglichkeiten bei generalisierter Angststörung. Abgerufen am 10. 2. 2016 unter www.gesundheitsinformation.de

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