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Jod im Salz: zu viel des Guten?

Jodmangel war früher ein verbreitetes Gesundheitsproblem. Möglicherweise ist jedoch auch zuviel Jod schädlich, es könnte eine Schilddrüsenunterfunktion verursachen.

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Kann zu viel Jod eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse und in Folge Schilddrüsenunterfunktion verursachen?

Eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse scheint häufiger bei Personen mit hohem Jodkonsum aufzutreten. Ob hohe Jodmengen diese Krankheit tatsächlich verursachen, ist nicht abschließend geklärt.

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Jodiertes Speisesalz findet sich wohl in jeder Küche und kaum eine Speise kommt ohne Salz aus. Doch warum ist Salz eigentlich mit Jod versetzt?

Noch vor 50 Jahren war Jodmangel in der österreichischen Bevölkerung weit verbreitet [1]. Das sichtbarste Anzeichen war der Kropf – eine deutliche Verdickung der Kehle als Folge einer vergrößerten Schilddrüse. Jodmangel kann auch zahlreiche andere Gesundheitsprobleme verursachen. Nachdem 1963 damit begonnen wurde, Speisesalz in Österreich vorsorglich mit Jod anzureichern, ist die Anzahl an Menschen mit Jodmangel deutlich zurückgegangen [1]. Nun mehrt sich der Verdacht, dass zu viel Jod das Auftreten anderer Schilddrüsenerkrankungen erhöhen könnte. In Österreich nimmt die Bevölkerung allerdings tendentiell noch immer zu wenig als zu viel Jod auf [10]

Erhöhtes Risiko für Schilddrüsen-Entzündungen

Die Rede ist von chronischen Entzündungen der Schilddrüse, bei der das Immunsystem irrtümlicherweise das eigene Schilddrüsengewebe angreift. Die sogenannte Hashimoto-Krankheit (Wissenschaftler nennen sie auch Autoimmun-Thyreoditis) ist die Hauptursache für eine schleichend fortschreitende Schilddrüsen-Unterfunktion. Die Symptome reichen von Müdigkeit, Verstopfung, Muskelschmerzen, Gewichtszunahme bis zu geistiger Verlangsamung – auch eine Depression ist möglich [9]. Bis zu ein Zehntel der Bevölkerung ist davon betroffen, Frauen deutlich häufiger als Männer [6].

Einzelne Studien legen den Verdacht nahe, dass zu große Mengen an Jod verantwortlich sein könnten. So ist die Anzahl von Hashimoto-Schilddrüsenentzündungen unter drei untersuchten chinesischen Regionen in jener am häufigsten angestiegen, in der die Menschen die größte Menge an Jod konsumierten [2]. Dänische Forscher fanden nach Beginn der Salzjodierung in ihrem Land einen deutlichen Anstieg von Fällen mit Schilddrüsen-Unterfunktion [3]. Außer der Hashimoto-Krankheit gibt es auch andere Gründe, warum es zu einer Schilddrüsen-Unterfunktion kommen kann – Details haben die Forscher aber nicht untersucht. In einer türkischen Untersuchung hatten die Kinder, die die größte Menge an Jod zu sich nahmen, gleichzeitig die größte Wahrscheinlichkeit, an der Hashimoto-Krankheit zu leiden [4].

Wahrscheinlich vielfältige Ursachen

Diese Studienergebnisse legen nahe, dass die Hashimoto-Erkrankung etwas wahrscheinlicher bei Personen mit besonders hohem Jodkonsum auftritt. Das bedeutet aber noch nicht zwingend, dass große Jodmengen tatsächlich die Krankheit auslösen können, denn für die Entstehung der Krankheit spielen wahrscheinlich auch andere Dinge wie die Vererbung, Stresssituationen oder Umwelteinflüsse eine Rolle [6]. Auch eine Schwangerschaft kann in Einzelfällen eine solche Schilddrüsenentzündung zur Folge haben [6]. Um zu beweisen, dass der Jodkonsum schuld ist, müssten diese anderen Faktoren in den Studien berücksichtigt werden. Das wurde bisher aber verabsäumt.

Eine andere Beobachtung scheint die Vermutung zu erhärten: Patienten mit Herzrhythmusstörungen, die das stark jodhältige Medikament Amiodaron einnehmen, erkranken mit höherer Wahrscheinlichkeit an der Hashimoto-Schilddrüsenentzündung [6]. Auch hier ist nicht geklärt, ob der Jodgehalt des Medikaments oder andere Inhaltsstoffe dafür verantwortlich sind.

Jod im Salz – gesundheitlicher Nutzen überwiegt

Der Körper ist darauf angewiesen, dass wir mit der Nahrung ausreichende Mengen an Jod zu uns nehmen. Ohne Jod funktioniert unsere Schilddrüse nicht. Diese steuert über ihre Schilddrüsenhormone viele Stoffwechselvorgänge in unserem Körper. Wenn die Schilddrüse nicht richtig arbeiten kann, sind Symptome einer Schilddrüsen-Unterfunktion die Folge. Gerade in der Schwangerschaft und in der Kindheit ist eine ausreichende Jodversorgung wichtig, da sonst die Entwicklung des Gehirns beeinträchtigt ist. Die Folgen reichen bis zur schweren geistigen Behinderung. In Österreich nimmt bis zu eines von zehn Kindern noch immer zuwenig Jod zu sich [10]

Ausreichend Jod mit der Nahrung zu essen ist deshalb sehr wichtig. Es ist besonders in Fisch, Meeresfrüchten und manchen Algen enthalten [7] – etwa in Nori, welches zum Rollen von Sushi verwendet wird. Für gesunde Menschen sind auch große Jodmengen wie beispielsweise bei einer Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel unbedenklich, denn die Schilddrüse kann sich normalerweise gut an eine höhere Dosis anpassen. Bei Personen mit eventuell unerkannten Schilddrüsenproblemen können hohe Mengen an Jod allerdings schwere Störungen auslösen [8].

Die Studien im Detail

Ob große Mengen von Jod tatsächlich eine Entzündung der Schilddrüse durch ein überreagierendes Immunsystem auslösen kann, ist nicht gut abgesichert. Es scheint jedoch einen Zusammenhang zu geben, das zeigen Beobachtungsstudien. Die gewichtigste darunter ist eine chinesische Kohortenstudie über eine Dauer von fünf Jahren [2]. In ihr wurden drei Regionen mit unterschiedlicher Jodaufnahme verglichen. Das Ergebnis: je höher die Jodaufnahme in einer Region, umso größer auch der Anteil an Einwohnern, die an einer autoimmunen Schilddrüsenentzündung erkranken. Dass die Autoren jedoch nicht untersucht haben, ob vielleicht andere Faktoren für diesen Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen, schmälert die Aussagekraft des Studienergebnisses. Zudem sind die Fallzahlen sehr klein.

Auch eine Querschnittsstudie aus der Türkei [4] an 1000 Kindern findet einen Zusammenhang zwischen der Menge an aufgenommenen Jod und der Wahrscheinlichkeit für die Hashimoto-Krankheit. Die Autoren der Studie haben dazu allerdings nur zu einem einzigen Zeitpunkt gemessen, wieviel Jod die Kinder ausgeschieden hatten, und wieviele eine Hashimoto-Schilddrüsenentzündung hatten. Wieviel Jod die Kinder über einen langen Zeitraum zu sich genommen hatten, lässt sich anhand eines einzigen Messwertes nicht sagen.

Eine dänische Kohortenstudie [3] untersuchte insgesamt mehr als 500.000 Menschen in einem siebenjährigen Zeitraum, in dem in Dänemark eine verpflichtende Salzjodierung eingeführt worden war. Die Autoren beobachteten nur bei 20-59 jährigen, die zuvor moderat mit Jod unterversorgt waren, einen Anstieg der Schilddrüsenunterfunktion. Bei jenen Einwohnern, die zuvor nahezu ausreichend mit Jod versorgt waren, traten keine gehäuften Fälle auf. Unklar bleibt jedoch, ob die Ursache dafür die Hashimoto-Krankheit war, und ob nicht auch andere Faktoren für diesen Zusammenhang verantwortlich sein könnten.

Eine marokkanische Kohortenstudie [5] beobachtete ein Jahr lang 323 Kinder aus einer Jodmangelregion, die für die Dauer der Untersuchung jodiertes Salz erhielten. Keines der Kinder war nach Studienende an einer autoimmunen Schilddrüsenentzündung erkrankt. Der Zeitraum von einem Jahr ist allerdings zu kurz für diese Beobachtung, die Ergebnisse sind daher kaum relevant.

Gemein ist allen Studien, dass sie lediglich einen möglichen Zusammenhang beobachteten. Dass Jod die Ursache für die Krankheit ist, können sie nicht nachweisen.

[1] Lind et al. (2002)
Studientyp: Nicht-systematische Übersichtsarbeit
Teilnehmer: 430
Fragestellung: Wie haben sich in Österreich der Jodmangel und das Auftreten von Autoimmunthyreoiditis im Laufe der Jahre verändert?
Mögliche Interessenkonflikte: keine Angaben

Lind P, Kumnig G, Heinisch M, Igerc I, Mikosch P, Gallowitsch HJ, Kresnik E, Gomez I, Unterweger O, Aigner H. Iodine supplementation in Austria: methods and results. Thyroid. 2002 Oct;12(10):903-7. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[2] Teng u.a. (2006)
Studienart: prospektive Kohortenstudie
Teilnehmer: 3018 Bewohner aus 3 unterschiedlich mit Jod versorgten Regionen in China
Studiendauer: 5 Jahre
Fragestellung: Besteht ein Zusammenhang zwischen einer Jod-Unter- bzw. Überversorgung und dem Auftreten von Schilddrüsenerkrankungen wie autoimmuner Schilddrüsenentzündungen?
Mögliche Interessenskonflikte: keine laut Autoren

Teng W, Shan Z, Teng X, Guan H, Li Y, Teng D, Jin Y, Yu X, Fan C, Chong W, Yang F, Dai H, Yu Y, Li J, Chen Y, Zhao D, Shi X, Hu F, Mao J, Gu X, Yang R, Tong Y, Wang W, Gao T, Li C. Effect of iodine intake on thyroid diseases in China. N Engl J Med. 2006 Jun 29;354(26):2783-93. (Studie in voller Länge) http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa054022

[3] Pedersen u.a. (2007)
Studienart: prospektive Kohortenstudie
Teilnehmer: 310.124 Bewohner aus der dänischen Stadt Aalborg und 225.707 Bewohner aus Kopenhagen
Studiendauer: 7 Jahre
Fragestellung: Besteht ein Zusammenhang zwischen der Einführung von Salzjodierung und dem Auftreten von Schilddrüsenerkrankungen wie autoimmuner Schilddrüsenentzündungen?
Mögliche Interessenskonflikte: Ein Autor hat gegen Bezahlung Vorträge für die spanische Firma DSM Nutritional Products gehalten.

Pedersen IB, Laurberg P, Knudsen N, Jørgensen T, Perrild H, Ovesen L, Rasmussen LB. An increased incidence of overt hypothyroidism after iodine fortification of salt in Denmark: a prospective population study. J Clin Endocrinol Metab. 2007 Aug;92(8):3122-7. (Zusammenfassung der Studie)

[4] Doğan u.a. (2011)
Studienart: Querschnittsstudie
Teilnehmer: 1000 Kinder zwischen 11 und 18 Jahren
Dauer: einmalige Messung
Fragestellung: Gibt es einen Zusammenhang zwischen der aufgenommenen Jodmenge und dem Auftreten von Hashimoto Thyroiditis?
Mögliche Interessenskonflikte: keine Angaben

Doğan M, Acikgoz E, Acikgoz M, Cesur Y, Ariyuca S, Bektas MS. The frequency of Hashimoto thyroiditis in children and the relationship between urinary iodine level and Hashimoto thyroiditis. J Pediatr Endocrinol Metab. 2011;24(1-2):75-80. (Zusammenfassung der Studie)

[5] Zimmermann u.a. (2004)
Studienart: prospektive Kohortenstudie
Teilnehmer: 323 Kinder aus Jod-Mangelregion in Marokko
Studiendauer: 1 Jahr
Fragestellung: Besteht ein Zusammenhang zwischen einer Salzjodierung und und dem Auftreten von autoimmunen Schilddrüsenentzündungen?
Interessenskonflikte: keine laut Autoren

Zimmermann MB, Moretti D, Chaouki N, Torresani T. Introduction of iodized salt to severely iodine-deficient children does not provoke thyroid autoimmunity: a one-year prospective trial in northern Morocco. Thyroid. 2003 Feb;13(2):199-203. (Zusammenfassung der Studie)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[6] UpToDate (2014)
Davies TF (2014). Pathogenesis of Hashimoto’s thyroiditis (chronic autoimmune thyroiditis). In Mulder JE (ed.). UpToDate. Abgerufen am 27.1.2015 unter http://www.uptodate.com/contents/pathogenesis-of-hashimotos-thyroiditis-chronic-autoimmune-thyroiditis

[7] UpToDate (2015)
Pazirandeh S, Burns DL, Griffin IJ (2015). Overview of dietary trace minerals. In Hoppin AG (ed.). UpToDate. Abgerufen am 3.2.2014 unter http://www.uptodate.com/contents/overview-of-dietary-trace-minerals

[8]UpToDate (2013)
Surks MI (2013). Iodine-induced thyroid dysfunction. In Mulder JE (ed.). UpToDate. Abgerufen am 3.2.32014 unter http://www.uptodate.com/contents/iodine-induced-thyroid-dysfunction

[9] IQWIG (2014)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (2014). Schilddrüsenunterfunktion. Abgerufen am 3.2.2014 unter http://www.gesundheitsinformation.de/schilddruesenunterfunktion.2713.de.html

[10] Bundesministerium für Gesundheit (2012)
Österreichischer Ernährungsbericht 2012. Abgerufen am 7.4.2015 unter http://www.bmg.gv.at/cms/home/attachments/4/5/3/CH1048/CMS1348749794860/oeb12.pdf

Aktualisiert, ursprünglich veröffentlicht am 26. 3. 2015. Eine Suche nach neuen Studien bringt keine neuen Erkenntnisse.

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