Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Ginseng – die Wurzel geistiger Fitness?

In Asien ist Ginseng als wertvolles Naturheilmittel weit verbreitet. Ein Extrakt der Wurzel stärkt angeblich die geistige Leistungsfähigkeit und soll sogar bei Alzheimer helfen.

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Verbessert Ginseng die geistige Leistungsfähigkeit bei Gesunden und Patienten mit Alzheimer-Demenz?

Bisher veröffentlichte Studien sind zu wenig vertrauenswürdig, um eine solche Wirkung von Ginseng belegen zu können.

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© leungchopan - fotolia.com Ginsengwurzel
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Ginsengwurzeln erinnern mit ihren verzweigten Teilen oft an Beine oder Arme – mit etwas Fantasie auch an menschliche Körper. Doch das scheint nicht der eigentliche Grund zu sein, warum Ginseng in der traditionellen Heilkunde asiatischer Länder eine so wichtige Rolle spielt. Viel mehr sind es Geschichten, die der Wurzel zahlreiche positive Wirkungen auf die Gesundheit unterstellen.

Über die genauen Wirkungen sind sich Ginseng-Befürworter jedoch längst nicht einig. Der traditionellen chinesischen Medizin zufolge wirkt die Wurzel vor allem beruhigend. Im Gegensatz dazu wollen westliche Anhänger der Pflanze einen stimulierenden Effekt wahrnehmen. Ihnen zufolge verhelfen Ginseng-Extrakte nicht nur zu mehr Energie, sondern steigern auch die sexuelle Lust und die geistige Leistungsfähigkeit.

Manche Hersteller behaupten sogar, mit Ginseng ließen sich Alzheimer-Symptome deutlich bessern. Häufig bewerben sie Ginseng-Extrakt als vitalisierendes Mittel für ältere Menschen.

Leere Behauptungen

Wissenschaftlich belegt ist das nicht. So finden sich keine aussagekräftigen Studien, in denen Forscher die Wirkung von Ginseng auf Alzheimer-Patienten untersuchten. [1] [2] Ob Ginseng eine Hoffnung für Demenz-Betroffene sein kann, bleibt ungeklärt.

Auch ob die asiatische Wurzel Gesunden zu geistigen Leistungs-Höhenflügen verhelfen kann, ist nur unzureichend untersucht. Zu wenig abgesichert sind einzelne bisher veröffentlichte Studien, die Aussagekraft ist sehr gering [1].

Es gibt keinen Grund, den überzogenen Werbebehauptungen Glauben zu schenken. Ob und wie gut solche Mittel tatsächlich unsere geistige Leistungsfähigkeit beeinflussen, müssen strenger durchgeführte klinische Studien mit größerer Aussagekraft untersuchen.

Wechselwirkung mit anderen Medikamenten

Besser abgesichert ist hingegen, dass Ginseng die Wirkung anderer Medikamente ungünstig beeinflussen kann. So kann die gleichzeitige Einnahme mit blutgerinnungshemmenden Mitteln wie Heparin, ASS (Acetylsalicylsäure, Aspirin®) oder Nachtkerzenöl Blutungen auslösen.[3] Auch mit häufig verordneten gerinnungshemmenden Mitteln, sogenannten Cumarinen, kann Ginseng unerwünschte Wechselwirkungen haben. [4] Cumarine empfehlen Ärzte jenen Patienten, die zum Beispiel ein hohes Risiko für Schlaganfälle haben.

Ginseng könnte auch das Blutungsrisiko bei Operationen erhöhen. Steht eine Operation bevor, sollten Patienten ihren Arzt informieren, falls sie Ginseng einnehmen. [5]

Nahrungsergänzung keine Hilfe bei Alzheimer

Ginseng-Präparate sind nicht die einzigen Mittel, die mit haltlosen Behauptungen beworben werden. So scheint wenig wahrscheinlich, dass Nahrungsergänzungsmittel eine Alzheimererkrankung am Fortschreiten hindern können.
Es gibt keine Hinweise, dass etwa Omega-3-Fettsäuren, Folsäure, Vitamin B6 oder B12 den geistigen Abbau bei Alzheimer-Betroffenen verlangsamen können. Auch eine vorbeugende Wirkung scheint unwahrscheinlich, wie hier berichtet..

Bis heute gibt es keine Therapie, die das Fortschreiten einer Alzheimer-Demenz stoppen oder die Krankheit gar heilen kann. Das größte Risiko, eine Demenz zu bekommen, ist hohes Alter und eine entsprechende erbliche Veranlagung.

Es gibt jedoch Hinweise, dass sich Alzheimer bis zu einem gewissen Grad vorbeugen lassen könnte. Regelmäßige geistige Betätigung, ausreichend sozialer Rückhalt und eine gesunde Lebensweise mit ausgewogener Ernährung könnten das Risiko für den Ausbruch einer Alzheimer-Demenz möglicherweise etwas verringern [siehe Medizin-Transparent: Demenz vorbeugen – geht das? ]. Gut abgesichert ist dies jedoch nicht.

Die Studien im Detail

Bisher hat nur eine Handvoll kleiner Studien untersucht, ob Ginseng Konzentration oder geistige Leistungsfähigkeit steigern kann. Das ist das Ergebnis einer systematischen Übersichtsarbeit der Cochrane Collaboration aus dem Jahr 2010.[1] Fünf randomisiert-kontrollierte Studien davon lieferten genug Daten für den Versuch einer gemeinsamen Analyse. Was die Studien untersuchten, war aber zu unterschiedlich, um deren Ergebnisse zusammenfassen zu können.

Einzelne Studien zeigen zwar vorsichtige Hinweise auf eine positive Wirkung. Die Autoren der fünf Studien untersuchten jedoch zu wenige Teilnehmer, um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen Die unterschiedlichen Studiendesigns machen es unmöglich, das Ergebnis anhand einer zweiten, ähnlichen Studie zu überprüfen. Teils fehlende Daten machen eine Interpretation zusätzlich schwierig. Inwieweit Ginseng Konzentration und Geist schärft, können die fünf Studien daher nicht beantworten.

Ob Ginseng die geistige Leistung bei Alzheimer-Patienten verbessern kann, ist gänzlich unklar. Vier kleine Studien untersuchten die Wirkung von Ginseng in Kombination mit anderen Medikamenten. Die Studien waren jedoch von so geringer Qualität, dass sie die Frage nicht beantworten können. [2]

[1] Geng u.a. (2010)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 5 randomisiert-kontrollierte Studien
Teilnehmer insgesamt: 289 gesunde Personen
Fragestellung: : Verbessert Ginseng die geistige Leistung bei gesunden oder dementen Personen?
Interessenskonflikte: keine laut Autoren

Geng J, Dong J, Ni H, Lee MS, Wu T, Jiang K, Wang G, Zhou AL, Malouf R. Ginseng for cognition. Cochrane Database of Systematic Reviews 2010, Issue 12. Art. No.: CD007769. Zusammenfassung

[2] Wang u.a. (2016)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 4 randomisiert-kontrollierte Studien
Teilnehmer insgesamt: 131 Personen mit Alzheimer
Fragestellung: : Verbessert Ginseng die geistige Leistung bei gesunden oder dementen Personen?
Interessenskonflikte: keine laut Autoren

Wang Y, Yang G, Gong J, Lu F, Diao Q, Sun J, Zhang K, Tian J, Liu J. Ginseng for Alzheimer’s Disease: A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials. Curr Top Med Chem. 2016;16(5):529-36. Zusammenfassung

Weitere wissenschaftlichen Quellen

[3] IQWIG (2016)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Wechseljahrsbeschwerden. Abgerufen am 13. 5. 2015

[4] IQWIG (2017)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Was sind Gerinnungshemmer und wie werden sie sicher angewendet? Abgerufen am 13. 5. 2015

[5] UpToDate (2017)
Saper RB. Overview of herbal medicine and dietary supplements. In Park L (ed.). UpToDate. Abgerufen am 13.5.2015

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