Fruchtzucker schlecht für die Leber?

Fruchtzucker (Fruktose) kommt natürlicherweise in Obst vor. In großen Mengen soll er der Leber schaden. So pauschal lässt sich das jedoch nicht sagen.

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Review:  Bernd Kerschner 

Ist eine Fruchtzucker-haltige Ernährung für die Leber unbedenklich?

Ist der übermäßige Konsum von mit Fruchtzucker gesüßten Getränken für die Leber unbedenklich?

Viel Fruchtzucker (Fruktose) in der Ernährung dürfte der Leber nicht schaden – besonders Fruchtzucker-haltiges Obst ist wahrscheinlich unbedenklich. Ob Fruchtzucker das Risiko für eine Lebererkrankung erhöht oder nicht, scheint vor allem von der Gesamt-Kalorienzufuhr abzuhängen: Softdrinks und andere gesüßte Getränke etwa führten in Studien zu einer Verfettung der Leber. Allerdings nur dann, wenn die Teilnehmenden insgesamt mehr Kalorien zu sich nahmen, als sie eigentlich brauchten. Ob für die Verfettung tatsächlich (nur) der Fruchtzucker verantwortlich war, ist damit aber nicht sicher beantwortet. Es könnten auch die überzähligen Kalorien eine Rolle spielen.

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© tashka2000 - fotolia.com Obst enthält viel Fruchtzucker. Ungesund ist es deshalb aber nicht.
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Fruchtzucker kommt hauptsächlich in Obst und Gemüse, aber auch in Honig oder Agavensirup vor. Das trug wohl auch zu dessen Ruf als gesunde Alternative zum raffinierten Zucker bei.

Doch seit einiger Zeit scheint der Fruchtzucker – auch Fruktose genannt – in Ungnade gefallen. Er sei schlecht für die Leber, heißt es auf diversen Internetseiten. Auch manche Ärztinnen und Ärzte warnen davor. Übermäßiger Fruchtzucker-Konsum führe zu einer Fettleber, behaupten manche, und hätte also ähnliche gesundheitliche Folgen wie übermäßiger Alkoholkonsum.

Eine Fettleber tut weder weh noch ist sie per se gefährlich. Sie kann aber Entzündungen der Leber begünstigen und das Risiko für schwerere Erkrankungen, wie etwa die Leberzirrhose, erhöhen.

Fruchtzucker ist heute nicht nur in Obst und Gemüse, sondern in etlichen Fertigprodukten, Cerealien, Müsliriegeln und manchen gesüßten Getränken enthalten. Auch wenig Obst-affine Menschen dürften also einiges davon zu sich nehmen. Aber ist Fruchtzucker tatsächlich gesundheitsschädlich oder handelt es sich um voreilige Panikmache? Wir haben uns auf die Suche nach aussagekräftigen Studien gemacht.

Der Fruchtzucker und die Leber: Es ist kompliziert.

Die Studienlage dazu scheint nicht so eindeutig. Ob Fruchtzucker die Leber schädigt, scheint nämlich davon abzuhängen, wie die restliche Ernährung aussieht.

Denn Fruchtzucker per se ist wahrscheinlich nicht schädlich. Zu diesem Schluss kommt eine große, aussagekräftige Übersichtsarbeit, die die Ergebnisse von insgesamt 51 Studien zusammenfasst [1].

Es schien aber eine Rolle spielen, ob die Fruchtzucker-haltigen Nahrungsmittel und Getränke mehr Energie liefern, als der Körper benötigt. Studienteilnehmende, die sehr viel mit Fruchtzucker gesüßte Getränke tranken und dabei generell zu viele Kalorien zu sich nahmen – mit der Zeit also tendenziell Gewicht zulegten – hatten ein höheres Risiko für eine Fettleber.

Zu viel Fruchtzucker – oder einfach zu viel Zucker?

Ob an dem hohen Fettleber-Risiko tatsächlich nur der Fruchtzucker schuld war, oder grundsätzlich der viele Zucker beziehungsweise die vielen Kalorien, bleibt allerdings unsicher [2]. Ob ein Zuviel anderen Zuckerarten (zum Beispiel Traubenzucker oder Rübenzucker) denselben negativen Effekt hätte, wurde in den Studien nämlich nicht untersucht.

Was die Studien jedoch zeigen konnten: Ist der Fruchtzucker Teil einer Ernährung, bei der nicht mehr Kalorien aufgenommen werden als benötigt, dürfte er kein Problem sein.

Fruktose aus Obst wahrscheinlich harmlos

Auch Fruchtzucker aus Obst dürfte unbedenklich sein. Das könnte den Autorinnen und Autoren zufolge daran liegen, dass der Fruchtzucker in Obst in Ballaststoffen verpackt und mit anderen gesunden Inhaltsstoffen daherkommt. Oder auch, dass man in Form von Obst einfach selten derart große Mengen Fruchtzucker zu sich nimmt, wie zum Beispiel in Form von gesüßten Getränken.

Das Fazit: Wer also generell zu viel isst und dieses Zuviel auch noch in Form von Fruktose zu sich nimmt, der tut seiner Leber nichts Gutes.

Der „gute Zucker“ aus Honig, Agave und Co.?

Zugegeben: Die Bezeichnung Fruchtzucker klingt lecker, nach Natur und irgendwie generell gesünder. Das macht sich auch die Werbung zunutze. Aber Achtung: Auch wenn auf Müslis, Getränken oder Desserts der Hinweis prangt, sie wären ausschließlich mit Fruchtkonzentrat, Honig oder Agavensirup gesüßt, handelt es sich dabei noch immer um Zucker. Und der ist in zu großen Mengen nicht gesund, egal woher er kommt.

Mehr Hunger durch Fruktose?

Das Problematische an der Fruktose: Sie fördert – wie andere Zuckerarten auch – in größeren Mengen Fettleibigkeit. Doch Fruktose macht gleichzeitig nicht so satt wie andere Zucker, zum Beispiel Traubenzucker (Glukose). Das liegt daran, dass sie den Blutzuckerspiegel weniger stark ansteigen lässt [2]. Dadurch wird mehr gegessen und getrunken als nötig. Auf Dauer entsteht Übergewicht – was wiederum das Risiko für eine Fettleber erhöht [4].

Es sind vor allem mit Fruchtzucker gesüßte Getränke, die in der Kritik stehen. Denn diese können im Gegensatz zu Obst sehr große Mengen Fruchtzucker enthalten – oft als Glukose-Fruktose-Sirup oder Mais-Sirup zum Beispiel. Zudem fehlen Ballaststoffe, Vitamine und andere Stoffe, die im Obst, aber nicht in gesüßten Getränken enthalten sind.

Der sogenannte high-fructose-corn-Sirup, also der stark Fruktose-haltige Maissirup, ist in Europa allerdings nicht als Süßungsmittel zugelassen. Er ist als billiges Süßungsmittel vor allem in den USA in vielen Getränken und Lebensmitteln enthalten. In Europa hingegen sind Softdrinks wie zum Beispiel Cola mit herkömmlichem Haushaltszucker gesüßt.

Wie kommt das Fett in die Leber?

Eine andere Theorie dazu, warum Fruktose zu Fettleber führen könnte: Fruktose ist eine Zucker-Art, die die meisten unserer Körperzellen nicht verwerten können. Kommt Fruktose über die Nahrung in den Körper, wird sie deshalb erst einmal in Glukose umgewandelt. Das passiert hauptsächlich in den Leberzellen [2,3]. Kommt zu viel Fruktose gleichzeitig in die Leber, könnte diese mit der Umwandlung überfordert sein. Die überschüssige Fruktose muss dann einstweilen zwischengelagert werden – und zwar in Form von Fett.

Fettleber: ein wachsendes Problem

Eine Fettleber ist oft eine Folge von zu hohem Alkoholkonsum. Oft entsteht die Fettleber aber auch ohne ersichtlichen Grund oder durch die Einnahme bestimmter Medikamente. Man spricht dann von einer nicht-alkoholischen Fettleber (abgekürzt NAFLD, für non-alcoholic fatty liver disease). In westlichen Ländern wie Europa oder den USA haben schätzungsweise 20 von 100 Erwachsenen eine nicht-alkoholbedingte Fettleber, Tendenz steigend [4]. Übergewicht und Diabetes erhöhen das Risiko für eine Fettleber, aber auch die Gene dürften eine Rolle spielen.

Fettleber macht meist keine Beschwerden

Eine Fettleber verursacht in der Regel keine spürbaren Beschwerden. Wird der Fettgehalt in der Leber aber zu hoch, kann die Leber nicht mehr optimal arbeiten. Eine Fettleber kann sich grundsätzlich wieder zurückbilden. Es kann aber auch passieren, dass sich die Leber in weiterer Folge entzündet. Fachleute sprechen dann von einer nicht-alkoholbedingten Steatohepatitis (abgekürzt NASH, für non-alcoholic steatohepatitis) [4].

Eine solche Entzündung kann die Leber irreparabel schädigen und zu einer Leberzirrhose führen. Diese narbige Veränderung der Leber kann nicht mehr rückgängig gemacht werden und behindert die Leber stark in ihrer Arbeit [4,5]. Die einzige Behandlung für eine Leberzirrhose ist eine Lebertransplantation.

Mehr verlässliche Informationen zur Lebergesundheit bietet das österreichische Gesundheitsportal Gesundheit.gv.at.

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Ob Fruchtzucker die Leber schädigt, können nur sogenannte randomisiert-kontrollierte Studien verlässlich beantworten. Dazu wird eine möglichst große Anzahl an Personen per Los auf zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine Gruppe nimmt viel Fruchtzucker zu sich, die andere wenig. Am Ende wird verglichen: In welcher Gruppe ist die Leber gesünder? Um den Zustand der Leber zu beurteilen, können Blut-Leberwerte (etwa die Enzyme GOT oder GPT) oder Ultraschall-Untersuchungen zum Einsatz kommen.

Natürlich könnten Forschende es sich auch etwas einfacher machen: Sie könnten etwa Menschen mit unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten beobachten und deren Leber untersuchen. Zeigen Menschen mit hohem täglichen Fruchtzucker-Konsum eher Anzeichen einer Fettleber, könnten Forschende daraus einen Zusammenhang zwischen Lebergesundheit und Fruchtzucker ableiten. Aber eben nur einen Zusammenhang. Es kann nämlich genauso gut sein, dass Menschen, die viel Fruchtzucker-gesüßte Speisen und Getränke konsumieren auch sonst einen ungesünderen Lebensstil haben, mehr Alkohol trinken oder sich weniger bewegen. Ob wirklich nur der Fruchtzucker an der Fettleber schuld ist, lässt sich mit solchen sogenannten Beobachtungsstudien nicht sicher beantworten. Bei unserer Recherche haben wir deshalb nur nach randomisiert-kontrollierten Studien gesucht.

Wie aussagekräftig sind die Studien?

Wir fanden eine aktuelle, umfangreiche Übersichtsarbeit, die die Ergebnisse von 51 solcher Studien zusammenfasst [1]. Sowohl die Übersichtsarbeit als auch die darin analysierten Studien waren sehr aussagekräftig.

In manchen ersetzten die Teilnehmenden den Zucker in ihrer Ernährung durch Fruchtzucker, in anderen nahmen sie ihn zusätzlich zu ihrer normalen Ernährung auf, meist in Form von gesüßten Getränken. In wieder anderen Studien ließen die Teilnehmenden Fruchtzucker weg. Am Ende untersuchten die Forschenden, welche Auswirkungen das Weglassen oder Hinzufügen von Fruchtzucker auf die Leber hatte.

Die Studien zeigen sehr eindeutig, dass übermäßiger Konsum von Fruchtzucker-haltigen Getränken zu Fettleber führen kann (gemessen mittels Ultraschall). Unklar ist dabei, ob der übermäßige Konsum andere Zuckerarten, wie etwa Traubenzucker oder Rübenzucker, einen vergleichbaren Effekt hätte [2]. Weil aber sehr viele Menschen teilnahmen und die Studien gut gemacht sind, ist unser Vertrauen in dieses Ergebnis hoch.

An Studien, in denen (auch) der Konsum von Obst und Fruchtsäften untersucht wurde, haben nur sehr wenige Personen teilgenommen, nämlich etwa 150. Unser Vertrauen in die Unbedenklichkeit von Obst aus Fruchtzucker ist deshalb nicht ganz so hoch.

Auf die Leberwerte hatte Fruchtzucker in den Studien keinen Einfluss – egal ob die Teilnehmenden ihn in Form von Getränken, Obst oder Desserts zu sich nahmen. Das deutet darauf hin, dass die Leber durch den Fruchtzucker nicht überfordert oder in ihrer Arbeit beeinträchtigt wurde.

[1] Lee D., et al. (2022).
Important Food Sources of Fructose-Containing Sugars and Non-Alcoholic Fatty Liver Disease: A Systematic Review and Meta-Analysis of Controlled Trials. Nutrients. 14(14):2846. (Link zur Übersichtsarbeit)

[2] Campos, V. C., & Tappy, L. (2016).
Physiological handling of dietary fructose-containing sugars: implications for health. International Journal of Obesity, 40(1), S6-S11. (Link zur Arbeit)

[3] Dholariya, S. J., & Orrick, J. A. (2022).
Biochemistry, Fructose Metabolism. In StatPearls [Internet]. StatPearls Publishing. (Link zur Arbeit)

[4] UpToDate (2022)
Epidemiology, clinical features, and diagnosis of nonalcoholic fatty liver disease in adults. Abgerufen am 8.8.2023 unter https://www.uptodate.com/contents/epidemiology-clinical-features-and-diagnosis-of-nonalcoholic-fatty-liver-disease-in-adults

[5] Institut für Qualität du Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)
Glossar: Leberzirrhose. Abgerufen am 8.8.2023 unter https://www.gesundheitsinformation.de/glossar/leberzirrhose.html

  • 14.08.2023: Eine neuerliche Suche bringt eine aktuelle, aussagekräftige Übersichtsarbeit zutage, die unsere Einschätzung ändert.
  • 25.07.2016: Zwei neue systematische Übersichtsarbeiten führen zu geringfügigen Änderungen im Faktencheck. Das Fazit bleibt jedoch dasselbe.
  • 18.11.2013: Erste Veröffentlichung des Faktenchecks. Es gibt zu wenig aussagekräftige Studien, um die Frage beantworten zu können.

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