Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Fasten: Darfs ein bisschen weniger sein?

Fasten soll gegen etliche Krankheiten helfen, zum Beispiel bei rheumatischen Gelenksbeschwerden. Doch der Nutzen ist kaum untersucht.

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Ist Fasten bei Arthritis und anderen Erkrankungen langfristig wirksam und sicher?

Es ist unklar, ob Fasten dauerhafte positive Gesundheitseffekte hat, zum Beispiel bei rheumatoider Arthritis. Aussagekräftige Studien fehlen. Derzeit wird intensive Forschung auf diesem Gebiet mit seinen vielen Aspekten betrieben – bessere Studien sind in Aussicht.

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© Johan Larson - fotolia.com Fasten: nichts außer Gemüsesaft?
© Johan Larson – fotolia.com

Fasten ohne religiösen Hintergrund erfreut sich seit Jahrzehnten recht großer Beliebtheit. Dabei geht es keineswegs um einen kompletten Kalorienverzicht. Je nach Fastenform „dürfen“ zum Beispiel Kräutertee, Gemüsebrühe, Säfte oder Molke durchaus aufgenommen werden.

Üppig: der Markt der Fastenkuren

Die bewusste Einschränkung stellt oft einen reizvollen Gegenpol zum Überfluss dar. Der Kurzzeit-Mangel soll die Besinnung auf das Wesentliche erleichtern.

Manche Menschen fasten während Kuraufenthalten – für einige Tage mit medizinischer Betreuung. Andere Personen bevorzugen eine spezielle Form des Fastens, in Eigenregie und das ganze Jahr über. Bei der 5:2-Diät darf an fünf Tagen „normal“ gegessen werden, an zwei Tages ist die Kalorienzufuhr streng limitiert.

Ein solcher Wechsel zwischen Schlemmen und Darben wird „intermittierendes Fasten“ genannt. Befürworter meinen, dass der Mensch im Laufe der Evolution geradezu darauf geprägt worden sei, immer wieder karge Phasen zu überstehen. Das ständige Überangebot an Kalorien, wie es heute vorherrscht, sei unnatürlich.

Und so versprechen zumindest manche Kurhotels, Fastenkliniken und Ratgeberbücher, dass Fasten dem Wohlbefinden dient. Das Kontrastprogramm zur Fülle soll als Vorbeugungsmaßnahme wirken, etwa gegen bestimmte Zivilisationskrankheiten wie Stoffwechselerkrankungen und Herz-Kreislauf-Beschwerden. Sogar bei bereits vorhandenen Krankheiten wie der rheumatoiden Arthritis ist es angeblich nützlich [2] [5] [6].

Kraut und Rüben

Doch wirkt Fasten wirklich? Oder ist es bloß eine für manche äußerst lukrative Modeerscheinung? Leider wissen wir darüber zu wenig, auch wenn sich derzeit etliche Forschungsgruppen mit diversen Aspekten des Fastens befassen.

Die bereits vorliegenden Studien sind sehr unterschiedlich in punkto Qualität, Durchführung und Fragestellung. So befassen sich manche Untersuchungen mit möglicherweise vorbeugenden, andere wiederum mit eventuell heilenden Effekten.

Auf dieser Basis sind Schlussfolgerungen nicht möglich. Es ist derzeit also nicht verlässlich auszuschließen oder zu belegen, dass Fasten in einem gewissen Ausmaß lindernd oder vorbeugend wirken kann [2] [5] [6].

Mehr Fakten, weniger Mythen

Langzeitstudien wie etwa die US-amerikanische CALERIE-Studie (Comprehensive Assessment of Long-Term Effects of Reducing Intake of Energy) sollten in Zukunft zeigen, inwiefern eine gezielte Kalorienreduktion nachhaltige gesundheitsfördernde Prozesse in Gang setzen kann.

Andere Forschungsgruppen interessieren sich zur Zeit für die Frage, ob Fasten gar lebensverlängernd wirkt, also ein Anti-Aging-Mittel darstellt. Einige Studien mit Versuchstieren verleihen dieser Theorie ordentlich Rückenwind. Es ist jedoch nicht möglich, von einigen beachtenswerten Experimenten mit Würmern, Fliegen, Mäusen und Affen ohne weiteres auf den Menschen zu schließen [2] [5] [6].

Hoffnung: Auszeit für Gelenkbeschwerden

Aussagekräftige Studien über den möglichen langfristigen (!) Nutzen und die Risiken von Fasten bei bestehenden Krankheiten wären insbesondere für Personen mit rheumatoider Arthritis besonders wichtig.

Die oft nur Rheuma genannte Krankheit ist häufig: Etwa jeder hundertste Mensch erkrankt im Laufe seines Lebens daran. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

Bei der rheumatoiden Arthritis attackiert das überaktive Immunsystem aus unbekannten Gründen den eigenen Körper. Schmerzen, Schwellungen und Steifigkeit der Gelenke, aber auch Kraftlosigkeit, Erschöpfung und Rheumaknoten unter der Haut zählen zu den typischen Anzeichen [1] [3].

Selbst wirksam werden

Gegen die Gelenkentzündungen, die schwere Einschränkungen und sogar Behinderungen nach sich ziehen können, helfen spezielle Medikamente. Doch diese haben Nebenwirkungen. Es ist also verständlich, dass nicht alle Arthritis-Kranken über lange Zeiträume Tabletten einnehmen möchten.

Betroffene hegen oft den Wunsch nach eigener Mitwirkung bei der Behandlung der chronischen Krankheit. Sie versuchen beispielsweise, ihre Beschwerden mit Diätplänen (wie der Mittelmeerdiät) und Fasten besser in den Griff zu bekommen. Dies geschieht manchmal im Selbstversuch ohne ärztliche Begleitung, auch wenn die Wirksamkeit des Fastens hier nicht belegt ist und Informationen zur Sicherheit fehlen [1] [3].

Schmerzen aushungern?

Einige Forscher und Forscherinnen vermuten, dass sich durch das Fasten bei rheumatoider Arthritis möglicherweise die Produktion von entzündungsfördernden Stoffen drosseln lässt. Die Schmerzen der Arthritis-Erkrankten sollen demnach durch Fasten quasi ausgehungert werden.

Die besten derzeit verfügbaren Daten lassen jedoch keine klaren Schlüsse zu, sie können die These also weder bestätigen noch widerlegen. Im Sinne der vielen Arthritis-Betroffenen, die ihre Krankheit durch Eigeninitiative günstig beeinflussen möchten, erscheinen weitere Untersuchungen also sehr sinnvoll [1] [3].

Kalorienbremse auf dem Prüfstand

Falls sich dabei herausstellt, dass Fasten bei rheumatoider Arthritis oder auch bei anderen bereits ausgebrochenen Krankheiten gesundheitliche Vorteile bietet, sollten beispielsweise folgende Punkte geklärt werden:

  • Wie groß und wie dauerhaft ist die Wirkung des Fastens? Auf welchen anderen Wegen kann diese Wirkung erzielt werden?
  • Verändern sich nur ein paar Messwerte postiv oder ist für die Betroffenen tatsächlich eine Erleichterung im Alltag spürbar?
  • Welche Fastenformen sind besser geeignet, die Symptome zur reduzieren. Beispiele sind mehrtägige Fastenkuren oder dauerhaftes intermittierendes Fasten…
  • Wie lange und wie häufig sollte gefastet werden? Wie lang sollten die fastenfreien Zeiträume sein?
  • Welche Beschwerden bessern sich (Schmerzen, Schwellungen, Gelenkssteifigkeit, Greifkraft usw.), welche bleiben bestehen?
  • Welche unerwünschten oder sogar gefährlichen Nebenwirkungen können sich bemerkbar machen? So ist etwa bekannt, dass striktes Fasten und zu rasche Gewichtsabnahme unter Umständen einen Gichtanfall auslösen kann [3].
  • Welche Schwierigkeiten gibt es beim Einhalten der Fastenkur?
  • Für welche Menschen, etwa mit gewissen Vorerkrankungen, ist eine Fastenkur nicht geeignet? Oder: Gibt es bestimmte Personengruppen, die eher profitieren als andere?
  • Welche positiven oder negativen psychischen Effekte sind möglich?

Innere Einkehr, dann Umkehr?

Vielleicht haben die angedachten positiven Effekte des Fastens gar keine im Körper messbare Ursache: Werden sie eventuell erzeugt, indem der bewusste Verzicht ein Hinterfragen und Durchbrechen von alten ungesunden Mustern begünstigt? Ebnet Fasten also gewissermaßen den Weg zu einem gesünderen Lebensstil? Keine einfache Aufgabe, das in Studien von tatsächlichen Gesundheitseffekten zu unterscheiden…

Die Studien im Detail

Angebote für Fastenkuren gibt es etliche. Über angeblich positive Effekte wurde auch schon berichtet. Doch die wenigsten Studien sind so gut gemacht, dass sich verlässliche Schlussfolgerungen ableiten lassen. Auch Daten zum Thema Sicherheit und Nebenwirkungen sind rar.

So weist eine systematische Übersichtsarbeit über intermittierendes Fasten diverse Mängel auf [2]. Es hapert beispielsweise schon an der Dokumentation von Suche und Auswertung der zusammengefassten Studien.

In einer der besten vorliegenden Arbeiten hat eine Forschungsgruppe untersucht, ob sich bestimmte Ernährungsformen auf den Verlauf von rheumatoider Arthritis günstig auswirken können [1]. Für die systematische Übersichtsarbeit wurden acht randomisierte kontrollierte Studien mit 366 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Nordeuropa und Großbritannien ausgewertet.

Eine norwegische Studie aus dem Jahr 1991 ist in diesem Zusammenhang interessant [4]. Dabei hatten 27 von 53 Teilnehmenden zuerst sieben bis zehn Tage lang gefastet, dann dreieinhalb Monate lang vegan und weitere neun Monate vegetarisch gelebt. Ein gewisser Rückgang mancher Beschwerden wurde schon nach vier Wochen verzeichnet; auch Laborwerte besserten sich. Doch worauf war diese langfristige positive Entwicklung zurückzuführen? Auf das Fasten? Auf die vegane bzw. die vegetarische Ernährung? Oder auf eine Kombination mehrerer Faktoren? Das kann aus der Studie nicht abgeleitet werden.

[1] Smedslund u.a. (2010)
Studienart: systematische Übersichtsarbeit
Teilnehmende: 366 Personen
Studiendauer: 2 Fasten- plus Diätstudien: ca. 10 Wochen bzw. 13 Monate
Fragestellung: Helfen bestimmte Ernährungsweisen bei rheumatoider Arthritis? Sind bestimmte Diäten sicher?
Mögliche Interessenkonflikte: keine; Autoren haben einen ähnlich lautenden Cochrane Review verfasst

Smedslund G, Byfuglien MG, Olsen SU, Hagen KB. Effectiveness and safety of dietary interventions for rheumatoid arthritis: a systematic review of randomized controlled trials. J Am Diet Assoc. 2010 May;110(5):727-35 (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[2] Horne u.a. (2015)
Studienart: systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 3 randomisiert kontrollierte Studien, 2 Beobachtungsstudien
Fragestellung: Hilft oder schadet intermittierendes Fasten?
Mögliche Interessenkonflikte: keine laut Autoren

Horne BD, Muhlestein JB, Anderson JL. Health effects of intermittent fasting: hormesis or harm? A systematic review. Am J Clin Nutr. 2015 Aug;102(2):464-70 (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

Weitere Quellen

[3] IQWIG (2013)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, IQWIG. Gesundheitsinformation: Rheumatoide Arthritis. Abgerufen am 7. Dezember 2016 unter www.gesundheitsinformation.de/rheumatoide-arthritis.2222.de.html

[4] Kjeldsen-Kragh u.a. (1991)
Kjeldsen-Kragh J, Haugen M, Borchgrevink CF, Laerum E, Eek M, Mowinkel P, Hovi K, Førre O. Controlled trial of fasting and one-year vegetarian diet in rheumatoid arthritis. Lancet. 1991 Oct 12;338(8772):899-902 (Zusammenfassung der Studie)

[5] Michalsen & Li (2013)
Michalsen A, Li C. Fasting therapy for treating and preventing disease – current state of evidence. Forsch Komplementmed. 2013;20(6):444-53 (Zusammenfassung der Studie)

[6] Wilhelmi de Toledo (2013)
Wilhelmi de Toledo F, Buchinger A, et al; Medical Association for Fasting and Nutrition (Ärztegesellschaft für Heilfasten und Ernährung, ÄGHE). Fasting therapy – an expert panel update of the 2002 consensus guidelines. Forsch Komplementmed. 2013;20(6):434-43 (Zusammenfassung der Studie)

Die ursprüngliche Fassung dieses Artikels erschien am 10. August 2015. Eine neuerliche Literatursuche brachte keine Änderung der Einschätzung.

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