Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Bauchfett: ein umfangreicher Risikofaktor?

Viel Fett um den Bauch herum gilt als besonderes gesundheitsschädlich. Der Nachweis ist allerdings nicht so einfach.

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Ist Bauchfett bzw. ist ein großer Bauchumfang besonders gefährlich für die Gesundheit?

Die aktuelle Studienlage deutet darauf hin, dass Fettdepots im Bauch („Viszeralfett˝) das Risiko für einen verfrühten Tod erhöhen können. Möglicherweise sind auch Personen mit unauffälligem Body-Mass-Index gefährdet. In den kommenden Jahren wird durch neue Studien vermutlich eine bessere Einschätzung möglich sein.

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© Prazis - fotolia.com Ein runder Bauch: ein Risiko?
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Seit einigen Jahren gibt es in der Medizin einen neuen mutmaßlichen Übeltäter: das Bauchfett. Dieses Energiedepot, auch Viszeralfett genannt, befindet sich im Bauchraum zwischen den inneren Organen.

Im Gegensatz zu Speckrollen und -polstern, die beispielsweise an Schenkeln, Armen oder Hüften sitzen, scheint das Bauchfett „aktiver˝ zu sein als andere Fettdepots: Möglicherweise mischt es sich in verschiedene Vorgänge des Organismus ungünstig sein.

Konkurrenz für den Body-Mass-Index?

Inwiefern das Bauchfett die Gesundheit negativ beeinflusst, haben etliche Forschungsgruppen in den letzten Jahren untersucht. Zur Klärung wurde bei hunderttausenden Menschen der Bauchumfang ermittelt und teilweise das Verhältnis von Bauch zu Körpergröße, Hüftumfang oder Schenkelumfang berechnet.

So sollte sich zeigen, ob eine Bauchvermessung bessere Hinweise auf Erkrankungsrisiken liefern kann als der allgegenwärtige Body-Mass-Index (BMI). Denn dieser gibt lediglich das Verhältnis von Körpergewicht zu Körpergröße an. Über die Fettverteilung im Körper oder die Anteile von Fett- und Muskelmasse gibt der BMI keinen Aufschluss.

Neues Vorhersagewerkzeug im Test

In einer systematischen Übersichtsarbeit über Studien an insgesamt knapp 690.000 Personen kristallisierte sich tatsächlich heraus, dass ein allzu ausladender Bauch auf ein erhöhtes Sterberisiko hinweisen kann [1].

Eine ähnliche Tendenz zeichnete sich in einer Beobachtungsstudie mit über 650.000 Personen ab, die im März 2014 publiziert wurde [2]. Demnach macht ein dicker Bauch anfälliger für Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen. Interessanterweise legt diese Arbeit nahe, dass unter Umständen auch Personen mit einem unauffälligen BMI gefährdet sein können – also beispielsweise Menschen, die bis auf ihre Leibesmitte recht schlank sind.

Gesunde Skepsis angebracht

Aussagen wie diese finden sich in weiteren Untersuchungen [5], und sie sind auch höchst interessant. Allerdings sind sie auch mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Denn die Erkenntnisse basieren auf Studien, die uneinheitlich in ihrer Fragestellung sind und mitunter qualitative Schwächen aufweisen.

Da die Frage nach möglichen Bauchfett-Gefahren viele Menschen betrifft, wird es wohl in absehbarer Zeit mehr Daten geben, die hoffentlich zu einer besseren Einschätzung verhelfen.

Nicht alle über einen Kamm scheren

Es ist beispielsweise denkbar, dass ein Zuviel an Bauchfett und -umfang nicht für alle Menschen dasselbe Risiko birgt. Möglicherweise spielen zum Beispiel bestimmte Vorerkrankungen (wie eine koronare Herzerkrankung [4]) oder auch das Alter (etwa für Seniorinnen und Senioren [3]) eine Rolle dabei, ob ein Apfelbauch das Gesundheitsrisiko tatsächlich erhöht oder nicht. Auch genetische Unterschiede könnten einen großen Bauchumfang mehr oder weniger gefährlich machen – und so beispielsweise die Risikounterschiede zwischen asiatischen und europäischen Populationen erklären.

Das beste Wampenmaß

Ebenfalls strittig ist, welche Bauchfett-Maßzahl am besten zur Risikoeinschätzung geeignet ist. Manchmal wird nur der Taillenumfang eruiert. Aktuell kommt aber auch das Verhältnis von Taille zu Körperhöhe, zu Hüftumfang oder zu Oberschenkelumfang zum Einsatz. Auch hier werden weitere Studienergebnisse in den kommenden Jahren wohl bessere Fakten über die Aussagekraft der Messungen bringen.

[1] Carmienke u.a. (2013)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Eingeschlossene Studien: 18 Studien
Teilnehmende: 689.465 Personen
Fragestellung: Besteht ein Zusammenhang zwischen Übergewicht bzw. Bauchfett und Sterblichkeit?
Mögliche Interessenkonflikte: Ein Autor erhielt Zahlungen von einem Pharmakonzern.

Carmienke S, Freitag MH, Pischon T, et al. General and abdominal obesity parameters and their combination in relation to mortality: a systematic review and meta-regression analysis. Eur J Clin Nutr. 2013 Jun;67(6):573-85 (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[2] Cerhan u.a. (2014)
Studientyp: Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 11 prospektive Kohortenstudien
Teilnehmende: insgesamt 650.386 Personen
Fragestellung: Besteht ein Zusammenhang zwischen Taillenumfang und Sterblichkeit?
Mögliche Interessenkonflikte: keine spezifischen Angaben

Cerhan JR, Moore SC, Jacobs EJ, et al. A pooled analysis of waist circumference and mortality in 650,000 adults. Mayo Clin Proc. 2014 Mar;89(3):335-45 (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[3] Chang u.a. (2012)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 41 Studien
Teilnehmende: insgesamt 868.910 Personen
Fragestellung: Besteht bei älteren Menschen ein Zusammenhang zwischen Körperfettverteilung und Sterblichkeit?
Mögliche Interessenkonflikte: keine

Chang SH, Beason TS, Hunleth JM, Colditz GA. A systematic review of body fat distribution and mortality in older people. Maturitas. 2012 Jul;72(3):175-91 (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[4] Coutinho u.a. (2011)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 6 Studien
Teilnehmende: insgesamt 15.923 Personen
Fragestellung: Besteht für Personen mit koronarer Herzerkrankung ein Zusammenhang zwischen Bauchfett und Überlebenszeit?
Mögliche Interessenkonflikte: keine spezifischen Angaben

Coutinho T, Goel K, Corrêa de Sá D, et al. Central obesity and survival in subjects with coronary artery disease: a systematic review of the literature and collaborative analysis with individual subject data. J Am Coll Cardiol. 2011 May 10;57(19):1877-86 (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[5] Pischon u.a. (2008)
Studientyp: prospektive Studie
Teilnehmende: 359.387 Personen
Fragestellung: Besteht für Personen mit Fettleibigkeit bzw. mit zu viel Bauchfett ein erhöhtes Sterberisiko?
Mögliche Interessenkonflikte: keine spezifischen Angaben

Pischon T, Boeing H, Hoffmann K, Bergmann M, Schulze MB, Overvad K, et al. General and abdominal adiposity and risk of death in Europe. N Engl J Med. 2008 Nov 13;359(20):2105-20 (Studie in voller Länge)

Die ursprüngliche Fassung dieses Artikels erschien am 20.11.2014. Eine neuerliche Literatursuche brachte keine Änderung der Einschätzung.

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