Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Weniger Angst dank Baldrian und Hopfen?

Baldrian und Hopfen sollen beruhigend wirken. Ob sie auch bei Angst und Panikattacken helfen können, kann die Wissenschaft bisher nicht beantworten.

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Helfen Mittel mit Hopfen oder Baldrian bei Angststörungen?

Die Ergebnisse bisheriger Studien sind nicht aussagekräftig. Der Grund ist, dass darin zu wenige Teilnehmer untersucht wurden und die Studien zudem mangelhaft durchgeführt wurden.

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© natalielb - fotolia.com Ständige Ängste können den Alltag stark beeinträchtigen
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Mittel mit Hopfen oder Baldrian – entweder als Einzelpräparat oder in Kombination – werden gerne als „sanfte“ Schlafmittel verwendet. Ob sie wirklich einen erholsamen Schlaf fördern, ist allerdings nicht ausreichend geklärt – wir haben bereits darüber berichtet (siehe die Beiträge zu Hopfen und Baldrian).

Baldrian und Hopfen sollen jedoch nicht nur müde machen, den beiden Pflanzen wird auch eine beruhigende Wirkung nachgesagt. So erhoffen sich viele Betroffene Hilfe bei Angst und Panikattacken. Wir haben uns auf die Suche nach Belegen gemacht.

Studien zu Baldrian und Hopfen wenig aussagekräftig

Bei unserer umfassenden Literaturrecherche konnten wir lediglich zwei klinische Studien zu Baldrian [1,2] und eine zu Hopfen [3] finden. Dabei wurden die Studienteilnehmer nach dem Zufallsprinzip einer Behandlung mit einem der pflanzlichen Mittel oder einem Scheinmedikament ohne Wirkstoff zugeteilt. Am Ende wurde verglichen, ob sich die Angst nach der Behandlung mit Baldrian oder Hopfen stärker gebessert hat als nach der Einnahme des Scheinmedikaments.

Zwei der drei Studien – je eine zu Baldrian und eine zu Hopfen – scheinen auf den ersten Blick tatsächlich eine angstlindernde Wirkung anzudeuten. Die Ergebnisse lassen jedoch offen, ob sich die Angst durch die pflanzlichen Mittel nur geringfügig oder auch in merkbarem Ausmaß verringern könnte. Aufgrund der geringen Teilnehmerzahl und Ungenauigkeiten bei der Durchführung der Studien sind die Ergebnisse zudem nicht vertrauenswürdig. Für unsere Fragestellung ist die Studienlage also unzureichend und es lassen sich daraus keine sicheren Schlussfolgerungen ziehen.

Angst hat viele Gesichter

In der Entwicklungsgeschichte des Menschen hat sich Angst eigentlich als Vorteil erwiesen: Nämlich dann, wenn man vor Angreifern oder wilden Tieren fliehen muss. Der Körper mobilisiert dann Kraft- und Atemreserven, lässt das Herz besser schlagen und setzt Energie frei. Zur Krankheit wird Angst aber dann, wenn die Auslöser ganz harmlos sind , sogar normale Alltagsvorgänge als bedrohlich erlebt werden oder die Symptome auch ohne konkreten Auslöser auftreten. Wenn sie wegen der Ängste ihren Alltag nicht mehr bewältigen können oder das Umfeld leidet, sollten Betroffene mit einer Ärztin oder einem Psychologen ihres Vertrauens sprechen.

Der medizinische Begriff „Angststörungen“ umfasst unterschiedliche Arten von belastenden Ängsten. Dazu gehören etwa Panikstörungen, bei denen Angstanfälle sehr plötzlich auftreten und ein extremes Ausmaß annehmen können. Bei der generalisierten Angststörung bestehen die Angstgefühle über einen längeren Zeitraum, die Betroffenen sind angespannt, nervös und verspüren eine innere Unruhe. Als spezifische Phobien bezeichnen Fachleute Ängste vor konkreten Dingen oder Situationen, etwa vor Spinnen, dem Fliegen oder Menschenmengen. Welche Behandlungsmethode zum Einsatz kommt, entscheiden Arzt und Patient jeweils im Einzelfall. Oft gehören Psychotherapie und/oder Medikamente zu den Therapieoptionen [4].

Die Studien im Detail

Zur Anwendung von Hopfen oder Baldrian konnten wir drei kleine klinische Studien mit zufälliger Zuteilung der Teilnehmer auf die Untersuchungsgruppen identifizieren. Eine davon ist in einer systematischen Übersichtsarbeit enthalten [1], zwei weitere sind jüngeren Datums und liegen als einzelne Studienberichte vor [2,3].

Baldrian

Mittel mit Baldrian wurden in zwei Studien mit unterschiedlichen Fragestellungen, Patienten und Dosierungen untersucht. Die erste Studie [1] setzte Baldrian zur Behandlung von 36 Patienten mit generalisierter Angststörung ein und verglich die Wirksamkeit sowohl mit dem starken Beruhigungsmittel Diazepam als auch einem Scheinmedikament. Dabei begann die Therapie mit einer festgesetzen Dosis des jeweiligen Mittels, die der behandelnde Arzt aber je nach Ansprechen und Verträglichkeit verändern konnte. Zu Beginn und nach vier Wochen beurteilte der Arzt den Schweregrad der Angststörung. In allen Gruppen nahm der Schweregrad ab, jedoch ließ sich kein Unterschied zwischen den Gruppen feststellen. Wegen der geringen Teilnehmerzahlen lässt sich daraus aber nicht ableiten, dass Baldrian genauso wirksam wäre wie Diazepam. Hinzu kommen einige methodische Unklarheiten bei der Durchführung und Berichterstattung über die Studie, so dass sich daraus keine klaren Schlussfolgerungen ableiten lassen.

Die zweite Studie untersuchte, ob sich durch die vorbeugende Einnahme von Baldrian Nebenwirkungen einer HIV-Therapie vermeiden lassen [2]. Patienten, die sich mit dem Immunschwäche-Virus angesteckt haben, leiden bei einer Behandlung mit dem Virushemmer Efavirenz häufig unter psychischen Nebenwirkungen wie Angst. Die untersuchten 51 Teilnehmer erhielten zeitgleich mit dem Beginn der Efavirenz-Behandlung nach dem Zufallsprinzip entweder ein Baldrianpräparat oder ein Scheinmedikament. Bewertet wurden nach vier Wochen die Ängstlichkeitssymptome. In der Gruppe, die Baldrian einnahm, verringerten sich die Symptome etwas, in der Placebo-Gruppe nahmen sie etwas zu. Es gab zwar einen rechnerischen Unterschied zwischen den Gruppen. Ob er jedoch so groß ist, dass er für die Patienten tatsächlich relevant ist, bewerten die Forscher nicht. Dagegen spricht, dass das Ausmaß der Ängstlichkeitssymptome zu Beginn der Behandlung bereits eher niedrig war. Hinzu kommen methodische Probleme, etwa dass nicht für alle Patienten Daten in die Auswertung einfließen. Die Aussagekraft dieser Studie ist deshalb nicht besonders hoch.

In keiner der beiden Baldrian-Studien gab es Hinweise auf ernsthafte Nebenwirkungen. Da jedoch jeweils nur sehr wenige Patienten untersucht wurden und die Beobachtungsdauer mit vier Wochen in beiden Fällen sehr kurz war, lassen sich daraus keine belastbaren Schlussfolgerungen zur Verträglichkeit ziehen.

Hopfen

Für die Bewertung von Hopfen konnten wir nur eine einzige Studie identifizieren [3]. Darin wurden 36 Studenten untersucht, bei denen die Forscher mit Hilfe eines Fragebogens mindestens einen leichten Schweregrad von Depression, Angst und Stress festgestellt hatten. Ob es sich dabei tatsächlich um Beschwerden mit einem echten Krankheitswert handelt, lässt sich anhand der Studie nicht beurteilen. Studenten mit einer ärztlich bestätigten Angststörung oder anderen psychischen Erkrankungen waren explizit ausgeschlossen.

Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip einer von zwei Gruppen zugeteilt: Die erste erhielt einmal täglich über vier Wochen ein Hopfen-Präparat und nach einer zweiwöchigen Pause für weitere vier Wochen ein Scheinmedikament. Bei der zweiten Gruppe war es genau umgekehrt. Nach jeder Behandlungsphase erhoben die Forscher erneut die Symptome mit Hilfe eines Fragebogens. In beiden Gruppen nahm der Schweregrad der Ängstlichkeit ab und erreichte ein Niveau, das der Fragebogen als „normal“ einstufte. Dabei sank der Wert mit der Einnahme von Hopfen stärker als mit dem Scheinmedikament. Ob dieser Unterschied für Patienten wahrnehmbar ist, erörterten die Forscher nicht. Neben der kleinen Teilnehmerzahl schränkt die Auswertemethode die Aussagekraft der Ergebnisse ein, da nicht die Daten aller Studienteilnehmer berücksichtigt wurden. Mögliche Nebenwirkungen wurden in dieser Studie nicht untersucht.

[1] Miyasaka 2006
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit
Fragestellung: Welche Erkenntnisse gibt es zu Wirksamkeit und Sicherheit von Baldrian bei der Behandlung von Angststörungen?
Eingeschlossene Studien: Eine randomisierte kontrollierte Studie mit 36 Teilnehmern mit generalisierter Angststörung, im Durchschnitt 41 Jahre alt
Interessenkonflikte: für die systematische Übersichtsarbeit keine nach Angaben der Autoren; in der Einzelstudie Studienfinanzierung durch Hersteller

Miyasaka L u.a. Valerian for anxiety disorders. The Cochrane database of systematic reviews 2006, CD004515 (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[2] Ahmadi 2017
Studientyp: randomisierte kontrollierte Studie
Fragestellung: Verringert die Einnahme von Baldrian bei der vorbeugenden Einnahme neuropsychiatrische Probleme (u.a. Angst) bei HIV-Patienten, die mit Efavirenz behandelt werden?
Teilnehmer: 51 HIV-Patienten ohne psychische Probleme, die neu mit Efavirenz behandelt werden, im Durchschnitt 35 Jahre alt
Interessenkonflikte: keine nach Angaben der Autoren

Ahmadi M u.a. Effect of Valerian in Preventing Neuropsychiatric Adverse Effects of Efavirenz in HIV-Positive Patients: A Pilot Randomized, Placebo-Controlled Clinical Trial. Ann Pharmacother 2017; 51:457-464 (Zusammenfassung der Studie)

[3] Kyrou 2017

Studientyp: randomisierte kontrollierte Cross-over-Studie
Fragestellung: Welche Auswirkungen hat die Einnahme von Hopfen-Extrakt bei jungen Erwachsenen auf den selbstberichteten Schweregrad von Depression, Angst und Stress?
Teilnehmer: 36 Teilnehmer mit mindestens mildem Schweregrad von Depression, Angst und Stress, im Durchschnitt 24,7 Jahre alt
Interessenkonflikte: keine nach Angaben der Autoren

Kyrou I u.a. Effects of a hops (Humulus lupulus L.) dry extract supplement on self-reported depression, anxiety and stress levels in apparently healthy young adults: a randomized, placebo-controlled, double-blind, crossover pilot study. Hormones 2017; 16:171-180 (Zusammenfassung der Studie)

Weitere Quellen

[4] Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (2015)
Patienteninformation Angststörungen, Stand November 2015. www.patienten-information.de/kurzinformationen/psychische-erkrankungen/angststoerungen (Zugriff am 21.09.2017)

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