Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Schokolade als Medizin – zartschmelzender Mythos oder Fakt?

Dunkle Schokolade soll den Cholesterinspiegel und Blutdruck senken und so Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen helfen. Eine Annahme, die bei hohem Schoko-Konsum aber wohl zu optimistisch ist.

AutorIn:
Review:  Kylie Thaler 

Kann der regelmäßige Verzehr von Schokolade Herz-Kreislauf-Krankheiten vorbeugen?

Es ist möglich, aber keinesfalls gesichert, dass Schokolade das Risiko für die Entwicklung einer Herz-Kreislauf-Erkrankung wie Herzinfarkt oder Schlaganfall vermindern könnte. Der hohe Anteil an Zucker und Fett in den meisten Schokoladesorten könnte jedoch auch negative Effekte haben.

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© Pixel-Shot - shutterstock.com Gesunde Schokolade?
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Schon die Maya und Azteken haben Kakao zahlreiche gesundheitsfördernde Wirkungen nachgesagt. Verantwortlich dafür sind Inhaltsstoffe der Kakaobohne. Wenn Medien heute berichten, dass Schokolade schlank, gesund oder schön macht, bezieht sich das auf Schokoladesorten mit hohem Kakaogehalt, vornehmlich also dunkle Schokolade.

Sie soll unter anderem auch einen erhöhten Blutdruck und Cholesterinspiegel senken können, was dazu beitragen könnte, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall zu senken.

Ein hoher LDL-Cholesterinspiegel, Bluthochdruck, Übergewicht und Bewegungsmangel sind Risikofaktoren für die Entstehung von Herzproblemen oder Schlaganfällen. In Österreich wurde im Jahr 2010 bei rund 300.000 Spitalsaufenthalten eine Diagnose im Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen gestellt. Laut Statistik Austria sind für 43 von 100 Todesfällen in Österreich verantwortlich.
Kommen dann noch erhöhte Blutzuckerwerte dazu, spricht die Medizin von einem „Metabolischen Syndrom“ – einer Vorstufe zu Diabetes. Auch hier soll dunkle Schokolade mit hohem Kakaoanteil regulierend wirken.

Schützende Wirkung möglich

Aber kann Schokolade tatsächlich helfen? Eine Analyse von Langzeitstudien, in denen der Zusammenhang zwischen Schokoladenkonsum und Herz-Kreislauf-Erkrankungen untersucht wurde, deutet auf ein deutlich reduziertes Risiko hin. In einem Zeitraum von acht bis 16 Jahren sank bei regelmäßigem Schokoladekonsum die Wahrscheinlichkeit, einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder eine damit verwandte Erkrankung zu entwickeln, um etwa ein Drittel [1].

Einen sicheren Beweis, dass der Schokoladegenuss für diese Risikoverminderung verantwortlich ist, erlauben die analysierten Studien aber keineswegs [1]. Obwohl das wissenschaftliche Team versuchte, andere Ursachen weitgehend auszuschließen, ist es möglich, dass hinter den beobachteten Effekten auch andere Ursachen stecken. Außerdem konnte zwar die Zahl von Herz-Kreislauf-Erkrankungen insgesamt gesenkt werden, die Fälle von Herzversagen verringerten sich im Vergleich zur Gruppe der Schokolade-Abstinenten jedoch nicht.

Ursache für Gesundheitseffekte nicht geklärt

Wie es zu diesem gesundheitsfördernden Effekt kommen soll, ist nur teilweise geklärt. Viele halten die sogenannten Flavonoide dafür verantwortlich, spezielle Inhaltsstoffe aus der Kakaobohne. Eine Übersichtsarbeit, die bisherige Ergebnisse von Einzelstudien zusammenfasst, zeigte einen positiven Einfluss Flavonoid-reicher Schokoladen- und Kakaoprodukte auf den Blutdruck von Studienteilnehmern und -teilnehmerinnen. Ihr Blutdruck sank um 2 bis 3 mmHg (Millimeter Quecksilbersäule – das ist die Einheit, in der der Blutdruck gemessen wird).

Fraglich ist allerdings, ob eine derart geringe Absenkung tatsächlich auch für die Gesundheit relevant ist [3]. Es wurden zudem nur gesunde Personen mit normalem Blutdruck untersucht. Über Menschen mit Bluthochdruck, für die eine blutdrucksenkende Wirkung interessant wäre, erlaubt die Übersichtsarbeit also gar keine Aussage. Zudem schätzten die Forscher und Forscherinnen die Qualität der Einzelstudien als gering ein.

Langfristige Wirkung unklar

Kurzzeitstudien über wenige Wochen, die nur die Wirkung von Schokolade untersuchten, liefern Hinweise darauf, dass Schokolade zu hohe Blutdruck- und Cholesterinwerte zumindest vorübergehend etwas senken könnte, wenn auch nur in sehr geringem Ausmaß. Die Qualität der Studien war aber nur mittelmäßig, die Ergebnisse sind daher in ihrer Aussagekraft eingeschränkt. Die Reduktion der Blutwerte in dem kurzen Zeitraum war zwar messbar, aber zu gering, um auf andere Maßnahmen wie Sport, Gewichtsabnahme oder Medikamente verzichten zu können [2]. Ob die Wirkung auch langfristig anhält, bleibt unklar [2] [3].

Was die mögliche Schutzwirkung vor Diabetes angeht, sind die Studienergebnisse mit noch größeren Unsicherheiten behaftet. Nur eine einzige der zuvor erwähnten analysierten Langzeitstudien [1] zeigt bei regelmäßigem Schokoladeverzehr eine deutliche Verringerung des Diabetesrisikos. In der zweiten Übersichtsarbeit [2] zeigt sich eine geringfügige Verbesserung der Insulinwerte – die in dem kurzen Beobachtungszeitraum allerdings unbedeutend klein ausfiel. Daher sind die Ergebnisse zum Diabetesrisiko nur mit Vorsicht zu genießen.

In kaum einer der analysierten Studie wurde übrigens angeführt, welche Art von Schokolade gegessen wurde.

Zu viel Zucker und Fett

Bei allen ermutigenden Hinweisen darf nicht vergessen werden: Schokolade enthält hohe Mengen Zucker und Fett. Eine 100-Gramm-Tafel hat zwischen 400 und 600 kcal. Übertriebener Schoko-Konsum könnte daher zur Entwicklung von Übergewicht beitragen, das wiederum ein bekannter Risikofaktor für Bluthochdruck, hohe Blutfettwerte, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist.

Empfehlungen, zur Vermeidung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen vermehrt zu Schokolade zu greifen, sollten daher mit Vorsicht betrachtet werden. Dass dunkle Schokolade aufgrund des höheren Kakaoanteils besser wirkt als Milchschokolade, ist eine gut begründete Vermutung – aber mehr nicht.

[1] Buitrago-Lopez u.a. (2011)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Eingeschlossene Studien: 6 Kohortenstudien und 1 Querschnittstudie
Teilnehmer insgesamt: 114 009
Finanzierung: keine finanzielle Unterstützung laut Autoren
Fragestellung: Ist der Konsum von Schokolade mit einem verringerten Risiko für Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-Erkrankungen verbunden?

Titel: „Chocolate consumption and cardiometabolic disorders: systematic review and meta-analysis“. BMJ. 2011 Aug 26;343:d4488. (Studie im Volltext)

[2] Hooper u.a. (2012)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Eingeschlossene Studien: 42 randomisiert-kontrollierte Studien
Teilnehmer insgesamt: 1297
Finanzierung: keine direkte finanzielle Unterstützung laut Autoren, aber Beeinflussung durch Industrieförderungen anderer Forschungsarbeiten möglich.
Fragestellung: Ist der Konsum von Schokolade mit einem verringerten Risiko für Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-Erkrankungen verbunden?

Titel: „Effects of chocolate, cocoa, and flavan-3-ols on cardiovascular health: a systematic review and meta-analysis of randomized trials. Am J Clin Nutr. 2012 Mar;95(3):740-51. (Zusammenfassung der Studie)

[1] Ried u. a. (2012) – Cochrane-Review
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Eingeschlossene Studien: 20 randomisiert-kontrollierte Studien
Teilnehmer insgesamt: 856
Studiendauer: durchschnittlich vier Wochen (2 bis 18 Wochen)
Fragestellung: Können Flavonoid-haltige Kakao- bzw. Schokoladeprodukte den Blutdruck senken?
Interessenskonflikte: Drei der Autoren sind gleichzeitig Verfasser einer Studie, die in die Meta-Analyse miteingeschlossen wurde.

Ried K, Sullivan TR, Fakler P, Frank OR, Stocks NP. Effect of cocoa on blood pressure. Cochrane Database of Systematic Reviews 2012, Issue 8. Art. No.: CD008893. (Volltext der Studie)

Diese Originalversion des Artikels erschien am 5. Juli 2012. Eine neuerliche Literatursuche brachte eine Ergänzung, aber keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen.

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