Rotalgen-Carrageen im Nasenspray: fraglich gegen Erkältungen

Dass ein Nasenspray mit Carrageen aus der Rotalge Erkältungsviren bremst und Beschwerden lindert, ist wenig wahrscheinlich.

Lindert ein Nasenspray mit Carrageen aus der Rotalge Beschwerden bei einer Erkältung („Verkühlung“)?

Beugt ein Nasenspray mit Carrageen aus der Rotalge Erkältungen vor?

Ein solcher Nasenspray dürfte Erkältungssymptome weder deutlich lindern noch die Erkältungsdauer verkürzen. Ob der Spray prinzipiell vor einer Erkältung schützen kann, wurde bisher nicht erforscht.

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© RomarioIen - shutterstock.com Carrageen-Nasenspray: Erkältungen einfach wegsprühen?
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Auch in Zeiten der Corona-Pandemie gibt es natürlich noch die gewöhnliche Erkältung („Verkühlung“). Auslöser von Erkältungen sind diverse Arten von Viren. Diese nisten sich in der Schleimhaut von Rachen und Nase ein – manchmal auch in den unteren Atemwegen. Dort verursachen sie Symptome wie Halsschmerzen, Schnupfen und Husten.

In rund 1 von 10 Fällen wird eine Erkältung durch einen Krankheitserreger aus der Familie der Coronaviren verursacht [5]. Diese Erreger sind aber deutlich harmloser sind als das Pandemie-Coronavirus SARS-CoV-2.

Erwachsene müssen sich auf etwa zwei bis vier Erkältungen pro Jahr einstellen, Kinder sogar deutlich häufiger [5,6]. Eine Erkältung ist in der Regel ungefährlich und verschwindet meist nach wenigen Tagen von selbst wieder.

Doch viele Betroffene empfinden die Beschwerden als belastend und würden sie gerne vermeiden. Mittel zur Vorbeugung oder Behandlung sind jedoch rar.

Mit Schleim gegen die Erkältung

Diese Lücke wollen offenbar Hersteller bestimmter Nasensprays schließen, die über Apotheken und im Internet vertrieben werden. Sie enthalten einen Schleimstoff aus der Rotalge: das sogenannte Carrageen. Dieser Stoff wird sonst als Verdickungsmittel mit der Bezeichnung E 407 in Lebensmitteln eingesetzt.

Erhältlich sind Carrageen-Nasensprays in Österreich, Deutschland und der Schweiz unseres Wissens nach unter den Produktnamen „Coldamaris“, „Algovir“, „ProSens“, „Viru-Stopp“ und „Carravir Protect“. Wir können nicht ausschließen, dass diese Aufzählung unvollständig ist.

In die Nase gesprüht, soll sich das enthaltene Carrageen als schützender Film auf die Schleimhaut legen und so Erkältungsviren abwehren bzw. eine Erkrankung verhindern. Behauptungen im Internet zufolge soll das sogar beim Coronavirus SARS-CoV-2 funktionieren. Darüber haben wir einen separaten Beitrag verfasst.

Vorbeugende Wirkung unklar

Soweit die Theorie. Doch funktioniert das auch in der Praxis? Wir haben uns auf die Suche nach Studien gemacht, die eine vorbeugende Wirkung untersucht haben. Wir könnten allerdings keine aussagekräftigen Studien gefunden, die diese angebliche Schutzwirkung in Bezug auf Erkältungen untersucht haben.

Linderung wenig wahrscheinlich

Und was, wenn man bereits krank ist und die Verkühlung voll „aufgeblüht“ ist? Kann der Spray dafür sorgen, dass man rascher wieder gesund wird oder weniger Beschwerden hat?

Wir sind auf vier Studien [1-4] gestoßen, die das bei insgesamt 600 erkälteten Kindern und Erwachsenen getestet und mit einem Scheinmedikament verglichen haben.

Die Ergebnisse sind allerdings ernüchternd: So fanden die Forscherinnen und Forscher zwar einen Behandlungseffekt, der im Durchschnitt etwas über dem des Scheinmedikaments lag. Es ist jedoch zweifelhaft, dass dieser Effekt so groß ist, dass er für Menschen mit Erkältung einen spürbaren Unterschied macht.

Hinzu kommt: Die Studien weisen viele methodische Mängel auf, die dafür sorgen können, dass die Effekte eines getesteten Medikaments eher überschätzt werden. Die Studienergebnisse sind also nicht vertrauenswürdig. Dass Erkältungssprays mit Rotalgen-Carrageen tatsächlich einen großen Nutzen bei Erkältungen haben, ist somit wenig wahrscheinlich.

Nebenwirkungen

Keine der Studien berichtet von auffälligen Nebenwirkungen – sie scheinen mit Carrageen-Nasenspray nicht häufiger aufzutreten als ohne. Das ist für uns ein vorsichtiger Hinweis darauf, dass die Anwendung sicher sein dürfte. Eine detaillierte Aufschlüsselung fehlt jedoch oft, und daher ist diese Erkenntnis nicht gut abgesichert.

Ansteckung vermeiden

Insgesamt sind die Möglichkeiten zur Vorbeugung einer Erkältung begrenzt. Am besten ist es, den Kontakt mit Erkältungsviren möglichst zu vermeiden. Das heißt etwa: Abstand zu erkrankten Personen halten und Geschirr nicht gemeinsam benutzen.

Weil die Viren auch auf diversen Oberflächen überleben, ist in der Erkältungssaison häufiges Händewaschen ratsam – gerade dann, wenn man in öffentlichen Bereichen wie Verkehrsmitteln oder im Büro unterwegs ist. Wer darauf achtet, sich nicht so häufig ins Gesicht zu fassen, kann das Risiko verringern, dass die Viren zu Nase oder Mund gelangen [5].

Taugen Echinacea, Zink und Vitamine?

Häufig beworbene Mittel wie etwa Zistrose, Vitamin C oder Vitamin D haben als Vorbeugung von Erkältungen keinen nennenswerten Effekt. Zur Behandlung können möglicherweise Zink-Präparate und Echinacea etwas helfen.

Symptome lindern und abwarten

Hat es einen erwischt, können für die Symptombehandlung bei Bedarf abschwellende Nasensprays oder fieber- und schmerzhemmende Mittel helfen [5].

Ansonsten gilt: Abwarten und Tee trinken. Denn in den allermeisten Fällen ist das Schlimmste nach einer Woche überstanden.

Die Studien im Detail

Zur Vorbeugung von Erkältungen konnten wir bei unserer Recherche keine Studien finden.

Zur Behandlung von Erkältungen haben wir vier Studien [1-4] gefunden. Alle Studien wurden durch den Hersteller eines Rotalgen-Erkältungssprays mit Carrageen finanziert. Drei der Studien untersuchten nur Erwachsene [1-3], eine weitere nur Kinder [4].

Alle Probandinnen und Probanden litten unter einer beginnenden Erkältung: Der Symptombeginn lag höchstens 48 Stunden zurück. Die Beschwerden waren eher mild. Die Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer lag pro Studie zwischen 35 und 211, insgesamt waren 446 Erwachsene und 153 Kinder beteiligt.

In allen Studien wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip auf zwei Gruppen aufgeteilt: Eine Gruppe erhielt den Erkältungsspray, die andere ein Scheinmedikament. Verabreicht wurden der Algenspray mit Carrageen beziehungsweise das wirkstofflose Mittel durch einen Sprühstoß in jedes Nasenloch – drei- bis viermal täglich. Die Behandlungsdauer lag zwischen vier und sieben Tagen.

Sieben Tage lang protokollierten die Patientinnen und Patienten ihre Symptome in einem Tagebuch. Dabei zeichneten sie auf, ob sie unter Halsschmerzen, verstopfter Nase, laufender Nase, Husten, Niesen, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen oder Frösteln litten und bewerteten den Schweregrad in Punkten auf einer Skala von 0 bis 3.

In zwei Studien berechneten die Forscherinnen und Forscher aus diesen Angaben die Summe der Schweregrad-Punktzahlen an den Tagen 2 bis 4 [1,2], in einer Untersuchung an den Tagen 2 bis 7 [4], in einer weiteren Studie die Dauer der Erkältung [3]. Dann wurden die Ergebnisse der Erkältungsspray-Gruppen mit jenen der Scheinmedikament-Gruppen verglichen.

Einen Unterschied, der über Zufallsschwankungen hinausgeht, fand nur die kleinste der Studien [1]. Da hier aber nur 35 Menschen beobachtet wurden, kann das durchaus auch ein Zufallstreffer sein und ist daher nicht als verlässlicher Hinweis auf einen Anti-Erkältungs-Effekt des Nasensprays zu werten.

Bei drei Studien sind die Ergebnisse wenig vertrauenswürdig, [1,3,4], bei einer Studie [2] ist wegen fehlenden Angaben nicht vollständig nachvollziehbar, ob die Resultate verlässlich sind. Die wichtigsten Mängel waren, dass viele Erkältungsgeplagte die Studien vorzeitig abbrachen und die Forschungsteams nicht die Daten aller Probandinnen und Probanden, also auch der ausgestiegenen, in die Auswertung einbezogen. Das schränkt die Aussagekraft der Untersuchungen wesentlich ein.

Außerdem ist für die verwendete Symptom-Intensitäts-Skala nicht erwiesen, dass die Probandinnen und Probanden, falls sie Symptome gleicher Stärke hatten, diese auch tatsächlich gleich einstuften. Es ist auch nicht klar, welche Veränderung in der Punktzahl für Patientinnen und Patienten tatsächlich einen im Alltag spürbaren Unterschied macht. Aus diesen Gründen sind die Ergebnisse der Studien mit Vorsicht zu bewerten und eher unsicher.

[1] Eccles u.a. (2010)
Studientyp: randomisierte kontrollierte Studie
Teilnehmende: 35 Patienten mit beginnender Erkältung ohne Begleiterkrankungen
Fragestellung: Welchen Effekt hat ein Nasenspray mit Rotalgen im Vergleich zu Placebo auf den Schweregrad der Beschwerden bei einer Erkältung?
Interessenkonflikte: Der Hersteller hat die Studie finanziert. Einige der Autoren sind Angestellte des Herstellers, andere zusätzlich Mitbegründer und Patentinhaber.

Eccles R u.a. (2010) Efficacy and safety of an antiviral Iota-Carrageenan nasal spray: a randomized, double-blind, placebo-controlled exploratory study in volunteers with early symptoms of the common cold. Respir Res. 2010 Aug 10;11:108 (Studie in voller Länge)

[2] Eccles u.a. (2015)
Studientyp: randomisierte kontrollierte Studie
Teilnehmende: 200 Erwachsene mit beginnender Erkältung
Fragestellung: Verringert die Behandlung mit Carrageenan-Nasenspray die Erkältungssymptome und die Dauer der Erkältung?
Interessenkonflikte: Der Hersteller hat die Studie finanziert. Die Autoren sind zum Teil Angestellte des Herstellers, zum Teil erhalten sie Honorare für Beratung oder die Durchführung von Studien.

Eccles R u.a. (2015) Efficacy and safety of iota-carrageenan nasal spray versus placebo in early treatment of the common cold in adults: the ICICC trial. Respir Res. 2015 Oct 5;16:121 (Studie in voller Länge)

[3] Ludwig u.a. (2013)
Studientyp: randomisierte kontrollierte Studie
Teilnehmende: 211 Erwachsene mit beginnender Erkältung
Fragestellung: Verkürzt die Behandlung mit Carrageenan-Nasenspray die Dauer der Erkältung?
Interessenkonflikte: Der Hersteller hat die Studie finanziert. Die Autoren sind zum Teil Angestellte des Herstellers oder erhalten Honorare für Leistungen im Rahmen der Studie.

Ludwig M u.a. (2013) Efficacy of a carrageenan nasal spray in patients with common cold: a randomized controlled trial. Respir Res. 2013 Nov 13;14:124 (Studie in voller Länge)

[4] Fazekas u.a. (2012)
Studientyp: randomisierte kontrollierte Studie
Teilnehmende: 153 Kinder mit beginnender Erkältung
Fragestellung: Verringert die Behandlung mit Carrageenan-Nasenspray den Schweregrad der Erkältungssymptome?
Interessenkonflikte: Der Hersteller hat die Studie finanziert.

Fazekas T u.a. (2012) Lessons learned from a double-blind randomised placebo-controlled study with a iota-carrageenan nasal spray as medical device in children with acute symptoms of common cold. BMC Complement Altern Med. 2012 Sep 5;12:147 (Studie in voller Länge)

[5] Heikkinen u.a. (2003)
Heikkinen T, Järvinen A. The common cold. Lancet. 2003;361(9351):51-59. (Arbeit in voller Länge)

[6] IQWIG (2020)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Erkältung. Abgerufen am 10. 5. 2021 unter www.gesundheitsinformation.de

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