Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Rauchverbot: wirksamer Gesundheitsschutz per Gesetz

Ein gesetzliches Rauchverbot ist, zumindest in Österreich, umstritten. Dabei fördert es die Gesundheit der gesamten Bevölkerung – inklusive Nichtraucherinnen und Nichtraucher.

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Verringert ein gesetzliches Rauchverbot die Wahrscheinlichkeit für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Nichtraucherinnen und Nichtrauchern?

Durch ein gesetzliches Rauchverbot sinkt wahrscheinlich die Zahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen und -Notfälle in der Gesamtbevölkerung. Auch die Sterblichkeit dürfte zurückgehen.

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Österreich gilt als der „Aschenbecher Europas“. Kein anderer Staat in Europa schneidet schlechter hinsichtlich seiner Anti-Tabak-Maßnahmen ab [8].

Billig und allgegenwärtig

Zigaretten sind in Österreich vergleichsweise billig. Bei der Bewerbung von Zigaretten ist noch immer vieles möglich, was in anderen Staaten schon längst verboten ist [9].

Obwohl es einige Einschränkungen gibt, ist in Österreich (Stand: Jänner 2018) das Rauchen an vielen Orten erlaubt. Ob in Bahn- und Busstationen, in Teilen der Gastronomie oder bei den Ausgängen von öffentlichen Gebäuden – Rauchen erscheint allgegenwärtig. 22,7 Prozent der Frauen und 30 Prozent der Männer in Österreich rauchen täglich [10].

Über 600.000 Tote durch Passivrauch

Dem gegenüber stehen enorme gesundheitlichen Gefahren. Rauchen ist einer der wichtigsten (veränderbaren!) Risikofaktoren für Krankheit und vorzeitigen Tod.

Laut WHO sterben weltweit jedes Jahr sechs Millionen Menschen an den Folgen des Rauchens. Auch wer nicht raucht, ist gefährdet: Passivrauchen verursacht jährlich über 600.000 Todesfälle. Ein Viertel dieser nichtrauchenden Toten sind Kinder [7].

Gesetzliches Rauchverbot für frische Luft

Immer mehr Länder haben in den letzten Jahren begonnen, Zigaretten stärker zu besteuern und das Zigarettenmarketing zu regulieren. Außerdem gibt es Gesetze, um das Rauchen landesweit einzuschränken. Derartige Vorstöße des Staates – zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung – rufen mitunter heftigem Widerstand hervor.

Welche Evidenz gibt es?

Dabei gibt es gut gemachte Studien zu positiven Gesundheitseffekten für die Bevölkerung nach der Einführung von nationalen Rauchverboten. Obwohl es rigorose Rauchverbote in Europe erst seit relativ kurzer Zeit gibt, haben sich bereits diverse Vorteile herauskristallisiert.

Weniger Rauch, weniger Tote

Ein Forschungsteam des Cochrane-Netzwerks analysierte Studien über ein Rauchverbot in Universitäten, Krankenhäusern oder Gefängnissen [3]. Mit Einführung der institutionellen Verbote gingen Rauchen (und Passivrauchen) in den Einrichtungen zurück. In den Gefängnissen starben weniger Menschen an rauchbedingten Erkrankungen. Es scheint, als sei das verordnete Rauchverbot der Anstoß für diese Entwicklungen gewesen.

In den Spitälern schafften es nach Einführung von Rauchverboten mehr Angestellte sowie mehr Patientinnen und Patienten, von Zigaretten loszukommen; auch an den Universitäten gab es mehr Rauchstopps. In den Gefängnissen ging zwar die Belastung durch Passivrauch zurück, die Zahl der Raucher oder Raucherinnen hingegen nahm nicht ab.

Wer profitiert vom Nichtrauchen?

Eine weitere Übersichtsarbeit [1] zum Thema gesetzliches Rauchverbot stammt von einer ähnlich zusammengesetzten Forschungsgruppe mit Spezialisierung auf Tabak-Abhängigkeit.

Diesmal wollten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wissen, welche Wirkung landesweite Rauch-Einschränkungen auf die Gesundheit von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern haben. Eine weitere Frage war, inwiefern Verbote das Rauchverhalten insgesamt beeinflussen.

Notfälle gehen zurück

Es zeigte sich nach Einführung der Rauchverbote ein Rückgang bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bei Notfällen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall – wahrscheinlich ein Resultat der Verbote. Laut Übersichtsarbeit gibt es zudem Hinweise, dass durch ein Rauchverbot weniger Menschen an rauchbedingten Krankheiten starben.

Es gibt Forschungsbedarf

Uneinheitlich waren die Ergebnisse bei Atemwegserkrankungen. Es gab Studien, die einen Rückgang in der Bevölkerung fanden, nachdem Rauchverbote erlassen worden waren. Andere Studien sahen hingegen keine Verbesserungen.

Ein weiterer Punkt, der mehr Forschung braucht, ist die Frage, ob ein Rauchverbot die Menschen dazu bringt, insgesamt weniger zu rauchen oder sogar ganz darauf zu verzichten. Auch hier zeigten einige Studien Rückgänge, andere keine.

Noch keine Ergebnisse zu Krebs

Ob ein Rauchverbot dazu führt, dass es in der Gesamtbevölkerung weniger Krebserkrankungen gibt, können die bisher durchgeführten Studien nicht gut beantworten. Hier ist zu bedenken, dass die meisten landesweiten Rauchverbote erst vor kurzem eingeführt wurden; Europa startete 2004.

Das heißt: Positive Effekte sind zwar sehr plausibel. Aber es wird noch dauern, bis diese „Nicht-Ereignisse“ (weniger Tote, weniger Kranke) durch Statistiken greifbar sind. Lungenkrebs etwa entwickelt sich langsam und oftmals unauffällig. Wir haben darüber bereits berichtet: Lungenkrebs: Früherkennungs-Untersuchungen mit Risiken.

Klare Botschaft

Obwohl noch einige Fragen offen sind, zeigt die bisherige Forschung, dass ein gesetzliches Rauchverbot sinnvoll ist – neben anderen notwendigen staatlichen Maßnahmen gegen die Tabak-Epidemie. Ein Rauchverbot schützt Menschen, die selbst nicht rauchen, vor Krankheit und Tod.

Die tägliche Gefahr

Zigarettenrauch ist eine Gefahr für alle, die ihn einatmen: Er besteht aus über 4000 chemischen Verbindungen, und mindestens 50 davon sind krebserregend [6].

Rauchen fördert neben etlichen anderen Krankheiten noch Lungenkrebs und Mundhöhlenkrebs. Auch Brustkrebs, Speiseröhrenkrebs, Nierenkrebs, Bauchspeicheldrüsen- oder Dickdarmkrebs werden durch das Rauchen wahrscheinlicher [6].

Dass es das Leben verlängert, mit dem Rauchen aufzuhören, haben wir in einem anderen Beitrag beleuchtet: Rauchstopp im Alter verlängert Leben.

Krank durch Passivrauchen

In geschlossenen Räumen entfaltet Zigarettenrauch bei allen Anwesenden seine gesundheitsschädigende Wirkung. Egal, ob die Personen selbst rauchen oder passiv den Substanzen aus dem Rauch ausgesetzt sind [5]. Das sind zum Beispiel Kinder, deren Eltern zuhause oder im Auto rauchen oder Personen, an deren Arbeitsplatz kein Rauchverbot herrscht.

Wer regelmäßig passiv raucht, kann typische Raucherkrankheiten wie Lungenkrebs oder einen Herzinfarkt bekommen. Zwar ist das Risiko, daran zu sterben, niedriger als bei Raucherinnen und Rauchern. Aber die Wahrscheinlichkeit ist deutlich erhöht im Vergleich zu Personen, die dieser Gefahr nicht regelmäßig ausgesetzt sind [4].

Die Studien im Detail

Eine Forschergruppe hat für die „Tobacco Addiction Group“ des Cochrane-Netzwerks untersucht, welche Auswirkungen der gesetzliche Nichtraucher-Schutz auf die Gesundheit hat. Ihre Ergebnisse sind in einer systematischen Übersichtsarbeit [1] zusammengefasst und wurden 2016 veröffentlicht.

Ein Schwerpunkt der Arbeit war: Welche gesundheitlichen Folgen hat ein landesweites Rauchverbot für Nicht-Raucherinnen und Nicht-Raucher? Erkranken weniger Menschen an den Folgen des Passivrauchens? Haben sie ein geringes Risiko zu sterben?

Außerdem war die Arbeit der Frage gewidmet, inwiefern Rauchverbote das Rauchverhalten beeinflussen. Das heißt: Hilft ein Rauchverbot Nikotinabhängigen dabei, mit dem Rauchen aufzuhören?

Rauchverbot ist sinnvoll

Zusammenfassend gesagt: Es liegen starke Hinweise vor, dass sich die Gesundheit von Nicht-Raucherinnen und -Rauchern durch Gesetze für ein landesweites Rauchverbot verbessert.

Mehr Länder mit Nichtraucher-Schutz

Insgesamt wurden 77 Studien aus 21 Ländern berücksichtigt, die Zwölf Studien waren schon Teil einer früheren Cochrane-Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2010 [2]. Diese Studien hatten gezeigt, dass sich durch Rauchverbote das Passivrauchen verringert und somit Nicht-Raucherinnen und -Raucher besser geschützt sind.

Weil seitdem viele Länder landesweite Rauchverbote im öffentlichen Raum und am Arbeitsplatz eingeführt haben, sind in kurzer Zeit 65 Studien hinzugekommen. Für die Situation in Österreich war keine Studie verfügbar.

Weniger Herzinfarkte, weniger Herztote

Die Gesundheitsdaten aus den einzelnen Studien stammten üblicherweise aus Krankenhäusern. Die Daten ließen u. a. darauf schließen, ob sich die Anzahl von Einweisungen oder Todesfällen veränderte.

In den meisten Arbeiten wurden Herz-Kreislauf-Erkrankungen untersucht, vor allem akute Fälle wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. Die zusammengefassten Ergebnisse zeigen, dass die Bevölkerung von Rauchverboten wahrscheinlich profitiert, vor allem durch weniger Herz-Kreislauf-Probleme. Es gibt auch Hinweise, dass es zu weniger Todesfällen kommt.

Manches noch vernebelt

Ebenfalls erhoben wurde die Entwicklung von Atemwegserkrankungen wie COPD (Chronisch obstruktive Lungenkrankheit), Asthma und die Lungenfunktion. Hier waren die Ergebnisse uneinheitlich. Einige der Studien hatten Verbesserungen gefunden, andere nicht.

Ob die Zahl der Raucherinnen und Raucher durch die neuen Gesetze sinkt und ob die Menschen weniger Zigaretten rauchen, konnte nicht eindeutig beantwortet werden.

Qualität der Beweise

Logischerweise konnte die Entwicklung vor und nach der Einführung der Gesetze zum Nichtraucher-Schutz „nur“ im Rahmen von Beobachtungsstudien begleitet werden. Randomisiert-kontrollierte Studien, die prinzipiell eine höhere Beweiskraft haben, sind zu diesem Thema nicht möglich. Dafür müssten etwa Probandinnen und Probanden bewusst Zigarettenrauch ausgesetzt werden – was selbstredend nicht möglich ist.

Auch wenn der Cochrane Review auf Beobachtungsstudien basiert, sind seine Aussagen doch vertrauenswürdig; denn viele der eingeflossenen Studien haben spezielle Analysemethoden verwendet. Daher erscheint es plausibel, dass die gesundheitlichen Verbesserungen und die neuen Gesetze tatsächlich miteinander in direktem Zusammenhang stehen.

Rauchverbot an Institutionen…

In einer weiteren systematischen Übersichtsarbeit des [3], ebenfalls für die „Cochrane Tobacco Addiction Group“ sind 17 Beobachtungsstudien zusammengefasst und spiegeln den aktuellen Stand des Wissens wider. Hier ist die Entwicklung von Rauchverboten in Krankenhäusern und Gefängnissen sowie an Universitäten im Laufe der Zeit dokumentiert.

Beantwortet werden sollte, ob ein institutionelles Rauchverbot das Passivrauchen an sich reduzieren. Außerdem war fraglich, ob weniger Menschen erkranken und Zahl der Raucherinnen und Raucher sinkt.

…sind wirksam

In Gefängnissen ging nach der Einführung der Rauchverbote die Anzahl der Todesfälle durch rauchbedingte Erkrankungen zurück; ein Zusammenhang zwischen dieser Entwicklung – im Sinne von Ursache und Wirkung – erscheint plausibel.

Rauchstopp gelingt eher

Das Rauchen selbst an den Institutionen reduzierte sich ebenfalls; es scheint, als stünde dies in Zusammenhang mit dem Rauchverbot. Die Anti-Rauch-Regeln in Spitälern und Universitäten halfen wohl dabei, dass mehr Menschen von den Zigaretten loskamen.

Eine Schwäche der Übersichtsarbeit – das merken die Autorinnen und Autoren kritisch an – ist die Tatsache, dass wieder „nur“ Beobachtungsstudien ausgewertet werden konnten. Damit sind die Ergebnisse bloß bedingt aussagekräftig. Neue gut gemachte Studien könnten hier in Zukunft die Aussagen weiter schärfen.

[1] Frazer u.a. (2016)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Eingeschlossene Studien: 77 Beobachtungsstudien
Fragestellung: Welche gesundheitlichen und anderen Auswirkungen haben gesetzliche Rauchverbote?
Interessenkonflikte: keine angegeben

Legislative smoking bans for reducing harms from secondhand smoke exposure, smoking prevalence and tobacco consumption.
Cochrane Database of Systematic Reviews 2016, Issue 2. Art. No.: CD005992 (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[2] Callinan u.a. (2010)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Eingeschlossene Studien: 50 Beobachtungsstudien
Fragestellung: Haben gesetzliche Rauchverbote gesundheitliche und andere Auswirkungen?
Interessenkonflikte: keine angegeben

Legislative smoking bans for reducing secondhand smoke exposure, smoking prevalence and tobacco consumption.
Cochrane Database of Systematic Reviews 2010, Issue 4. Art. No.: CD005992 (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[3] Frazer u.a. (2016)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Eingeschlossene Studien: 17 Beobachtungsstudien
Fragestellung: Welche Auswirkungen haben Rauchverbote in Institutionen wie Universitäten, Krankenhäusern und Gefängnissen?
Interessenkonflikte: keine angegeben

Impact of institutional smoking bans on reducing harms and secondhand smoke exposure.
Cochrane Database of Systematic Reviews 2016, Issue 5 (Übersichtsarbeit in voller Länge)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[4] Jaakkola u.a. (2006)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: keine näheren Angaben
Fragestellung: Welche Auswirkungen haben Rauchverbote am Arbeitsplatz?
Interessenkonflikte: keine angegeben

Impact of smoke-free workplace legislation on exposure and health: possibilities for prevention. Eur Respir J. 2006 Aug;28(2):397-408 (Übersichtsarbeit im voller Länge)

[5] UpToDate (2016)
Secondhand smoke exposure: Effects in adults.
Abgerufen am 31.1.2017 unter https://www.uptodate.com/contents/secondhand-smoke-exposure-effects-in-adults

[6] Deutsche Krebsgesellschaft (aktualisiert 2017)
Rauchen und Krebs. Abgerufen am 31.1.2017 unter https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/bewusst-leben/rauchen-und-krebs.html

[7] WHO (2011)
Global estimate of the burden of disease from second-hand smoke (Executive Summary). Abgerufen am 18.1.2018 unter
http://www.who.int/tobacco/publications/second_hand/global_estimate_burden_disease/en/

[8] Association of European Cancer Leagues (2017)
Tobacco Control Scale in Europe (2016). Abgerufen am 25.1.2018 unter
http://www.tobaccocontrolscale.org/wp-content/uploads/2017/03/TCS-2016-in-Europe-COMPLETE-LoRes.pdf

[9] Celermajer u.a. (2017)
Cigarette smoking in Austria – a call for action. Wien Klin Wochenschr (2017) 129: 864. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28864933

[10] Reitsma u.a. (2015)
Smoking prevalence and attributable disease burden in 195 countries and territories, 1990–2015: a systematic analysis from the Global Burden of Disease Study 2015. The Lancet , Volume 389 , Issue 10082 , 1885 – 1906. (Arbeit in voller Länge)

Aktualisiert am 15. 2. 2018, davor am 2. 2. 2017. Ursprünglich veröffentlicht am 21. 12. 2012

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