Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Wechseljahre: Mit Pflanzenkraft gegen Hitzewallungen?

Hitzewallungen sind typische Wechseljahresbeschwerden und können die Lebensqualität stark einschränken. Schaffen pflanzliche Hormone Abhilfe?

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Verringern pflanzliche Hormone (Phytoöstrogene) außer Genistein die Anzahl und die Intensität von Hitzewallungen während der Wechseljahre?

Verringert das pflanzliche Hormon Genistein die Anzahl und die Intensität von Hitzewallungen während der Wechseljahre?

Es ist unklar, ob Phytoöstrogene bei Hitzewallungen helfen können. Studien zu diesem Thema sind oft von bescheidener Qualität; meist ist ein Vergleich der Daten nicht möglich. Ein Gesamturteil kann daher nicht gefällt werden.
Eine Ausnahme bildet das Phytoöstrogen Genistein. Es gibt Hinweise darauf, dass dieser Pflanzenstoff in höherer Dosierung möglicherweise die Anzahl der täglich auftretenden Hitzewallungen ein wenig senken kann.

so arbeiten wir
© bernilynn - fotolia.com Hitzewallungen sind im Wechsel häufig
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Mit Hitzewallungen machen die meisten Frauen in Europa während der Wechseljahre Bekanntschaft. Die Wallungen kommen plötzlich. Sie breiten sich ausgehend von Brust, Gesicht oder Nacken in heißen Wellen über den Körper aus. Die Beschwerden können sich auch als nächtliche Schweißausbrüche äußern und den Schlaf empfindlich stören.

Die Wallungen dauern zwar ‚nur’ einige Minuten. Doch die Hitzeschübe können sehr intensiv sein und häufig wiederkehren. Kein Wunder, dass sie von vielen betroffenen Frauen als einschränkend und belastend empfunden werden. Andere Frauen wiederum kommen damit gut zurecht; ihr Wohlbefinden und ihr Alltag sind nicht so sehr beeinträchtigt.

Die Hitzewallungen können über Monate oder Jahre bestehen bleiben. Sie entstehen durch hormonelle Umstellungen während der Wechseljahre, die wohl eine Instabilität in der Temperaturregulation auslösen. [4] [7]

Suche nach Sanftheit

Lange Zeit wurden synthetische Hormone zur Bekämpfung von Hitzewallungen verschrieben. Dieser Behandlungsform wird nach wie vor eine gute Wirksamkeit bescheinigt. Doch es gibt Sicherheitsbedenken gegenüber der ‚Hormonersatztherapie’ – die Medikamente erhöhen das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken oder einen Herzinfarkt zu erleiden. Auf dieses wichtige Thema sind wir in einem eigenen Beitrag detailliert eingegangen: https://www.medizin-transparent.at/wechsel-entwarnung-fur-hormonersatztherapie

Mittlerweile sind viele Frauen nicht mehr gewillt, künstliche Hormone oder andere Medikamente in den Jahren rund um die letzte Regelblutung (Menopause) einzunehmen. Sie befürchten nicht nur Nebenwirkungen und Belastungen, sondern möchten während dieser Lebensphase auch nicht als ‚krank’ abgestempelt werden.

Folglich erscheinen zur Linderung von Hitzewallungen Mittel aus der Natur durchaus reizvoll. Die rezeptfreien Präparate gelten als ‚sicher’, ‚sanft’ und ‚frei von Nebenwirkungen’. Allerdings ist deren Wirksamkeit und Sicherheit nicht besonders gut erforscht. [4] [5] [7]

Großer Markt…

Nichtsdestotrotz umwirbt ein großer Markt Frauen mit Wechseljahresbeschwerden. Allerlei alternative Methoden sind im Angebot. Angepriesen werden beispielsweise pflanzliche Hormone, so genannte Phytoöstrogene. Von ihnen gibt es mehrere Untergruppen.

Diese Pflanzensubstanzen lösen ähnliche Effekte aus wie die vom menschlichen Körper produzierten Hormone. Allerdings wirken sie deutlich schwächer. Somit ist fraglich, ob und ab welcher Dosis oder Therapiedauer sie überhaupt eine spürbare Wirkung hervorrufen können.

Phytoöstrogene kommen zum Beispiel in Sojabohnen und anderen essbaren Pflanzen wie Rotklee und Traubensilberkerze vor. In konzentrierter Form stecken die Pflanzensubstanzen auch in Nahrungsergänzungsmitteln, entweder einzeln oder kombiniert mit anderen Substanzen. [4] [7]

…ernüchternde Daten

Ob Mittel mit Phytoöstrogenen bei Wechselbeschwerden helfen, ist unklar.

  • Auf Basis der aktuellen und teilweise widersprüchlichen Studienlage lässt sich nicht sagen, ob Phytoöstrogene Hitzewallungen und Schweißausbrüche seltener machen oder deren Intensität abmildern können.
  • Die derzeit vorhandenen Studien sind oft unterschiedlich gemacht. Die gewonnenen Daten sind daher meistens nicht vergleichbar. Daher ist es nicht möglich, auf Basis der Gesamtinformation verlässliche allgemeine Aussagen in die eine oder andere Richtung zu treffen.
  • Eventuell sind manche Substanzen – einzeln oder in Kombination mit anderen Stoffen eingenommen – unter bestimmten Umständen wirksamer als andere. Die Autoren einzelner Studien berichten von gewissen Verbesserungen. Handfeste Belege für eine Linderung fehlen jedoch, etwa für Isoflavone aus Soja.
  • Vielleicht erscheinen manche Produkte wirksamer als sie tatsächlich sind – durch den Placeboeffekt, der hier eine größere Rolle zu spielen scheint.
    [1] [2] [4] [7]

Einen Versuch wert?

Im Überblick ist die Studienlage für Phytoöstrogene also unklar. Jedoch: Möglicherweise kann Genistein – das ist ein Phytoöstrogen aus der Gruppe der Isoflavone – in höherer Dosierung die Häufigkeit von Hitzewallungen günstig beeinflussen. An die Wirkung von synthetischen Hormonen kommt der Pflanzenstoff Genistein wohl nicht heran. [1] [7]

Individuelle Zukunftsmusik

Die insgesamt recht unklare Studienlage ist frustrierend – wenn man bedenkt, dass sehr viele Frauen diese Mittel bereits anwenden oder darüber nachdenken, sie einzunehmen. Hinzu kommt, dass die weit verbreiteten Mittel aus Apotheke, Reformhaus und Internethandel nicht unbedingt preisgünstig sind.

Studien in Zukunft sollten klären, ob eventuell einzelne Phytoöstrogene aus bestimmten Pflanzen wirksamer sind als andere. Vielleicht tragen auch gewisse individuelle Stoffwechsel-Eigenschaften dazu bei, dass manche Anwenderinnen eher profitieren als andere. [1]

Rezeptfrei heißt nicht harmlos

Frauen, die in der Zwischenzeit ausprobieren möchten, ob ihnen die pflanzlichen Mittel guttun, sollten folgendes bedenken: Nahrungsergänzungsmittel sind zwar rezeptfrei erhältlich, aber nicht unbedingt harmlos. Auch bei der Einnahme von Phytoöstrogenen können Nebenwirkungen auftreten, zum Beispiel Magen-Darm-Beschwerden. Gröbere gesundheitliche Risiken bei einer Kurzzeit-Einnahme sind jedoch nicht bekannt.

Allerdings wird Frauen während oder nach einer Brustkrebserkrankung von einer Einnahme der pflanzlichen Hormone abgeraten. Auch das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) steht der Einnahme von isolierten und hoch dosierten Phytoöstrogenen aus Soja kritisch gegenüber. Die Experten vom BfR schlossen in einer Stellungnahme von 2007 nicht aus, dass isolierte und hoch dosierte Soja-Substanzen unter Umständen ein gewisses Gesundheitsrisiko darstellen und möglicherweise etwa Brustkrebs fördern können. [1] [3] [4] [6]

Die Studien im Detail

Die angeführte systematische Übersichtsarbeit [1] der Cochrane Collaboration stammt aus dem Jahr 2013.

Eckdaten der Übersichtsarbeit:

  • Ziel der Arbeit war es, die Wirksamkeit von Phytoöstrogen-Produkten für die Behandlung von Hitzewallungen zu beurteilen. Auch die Sicherheit und die Akzeptanz wurden evaluiert.
  • Dafür wurden die besten wissenschaftlichen Beweise gesammelt, die bis Juli 2013 verfügbar waren.
  • Die Autoren analysierten, ob bzw. welche Wirkung sich bei Frauen einstellte, die täglich mindestens 30 Milligramm Phytoöstrogene mit Extrakten, Nahrungsergänzungsmitteln oder Lebensmitteln einnahmen. Diese Ergebnisse standen im Vergleich zu Probandinnen, die künstliche Hormone, Placebos oder niedrig dosierte Phytoöstrogen-Mittel einnahmen.
  • 43 randomisiert-kontrollierte Studien kamen zur Auswertung. Dazu zählten auch etliche kleine kurze Pilotstudien und Untersuchungen von bescheidener Qualität.
  • Dabei wurden die Daten von 4364 Frauen zusammengefasst.
  • Die Probandinnen nahmen in der Zeit rund um die letzte Regelblutung (Menopause) an den Studien teil. Sie waren meist zwischen 40 und 65 Jahre alt; die Hitzewallungen ereilten sie zu Studienbeginn 1 bis 15 Mal pro Tag.
  • Die Studien dauerten zwölf Wochen bis zwei Jahre.
  • Die Studien waren ziemlich heterogen, zum Beispiel in punkto Anwendungsdauer, -zeitpunkt oder Dosierung. Die Studien nahmen außerdem unterschiedliche Phytoöstrogene unter die Lupe. Daher war ein direkter Vergleich in Form einer Meta-Analyse meistens nicht möglich. Dies erschwerte die allgemeine Beurteilung.
  • Die Phytoöstrogene stammten u.a. aus Soja-Lebensmitteln und -Getränken oder aus Extrakten von Rotklee und Soja.

Ergebnisse im Detail:

  • Es ist unklar, ob Phytoöstrogen-Produkte im Allgemeinen eine positive Wirkung haben. Es kann nicht gesagt werden, ob Hitzewallungen milder werden oder seltener auftreten.
  • Bei vier Studien nahmen insgesamt 619 Frauen das Phytoöstrogen Genistein (30 bis 60 Milligramm pro Tag) ein. Die Daten aus diesen Studien konnten zusammengefasst und in einer Meta-Analyse ausgewertet werden. Hier zeigte sich tatsächlich eine gewisse positive Wirkung: die Häufigkeit der Hitzewallungen wurde gesenkt. Allerdings konnte Genistein nicht mit der Wirkung von Hormon-Medikamenten mithalten. Es ist unklar, ob Genistein die Intensität der Wallungen positiv beeinflussen kann. Die Autoren empfehlen Folgeuntersuchungen, um dem möglicherweise positiven Effekt nachzugehen.
  • Der Placebo-Effekt scheint eine wichtige Rolle zu spielen, es zeigten sich mitunter deutliche Verbesserungen während der Anwendung von Scheinmedikamenten.
  • Über die Sicherheit der Phytoöstrogeneinnahme gibt es nicht viele Daten; eine kurze Anwendung für etwa ein bis zwei Jahre scheint keine Probleme hervorzurufen. Mehr Daten hierzu wären wünschenswert.

In den Studien finden sich keine Hinweise auf gravierende Nebenwirkungen – was aber aufgrund der unbefriedigenden Studienqualität nicht zwingend heißt, dass die Substanzen tatsächlich überwiegend harmlos sind.

[1] Lethaby u.a. (2013)
Studienart: systematische Übersichtsarbeit, Meta-Analyse
Eingeschlossene Studien: 43 randomisiert-kontrollierte Studien
Teilnehmer: über 4364 Frauen in den Jahren rund um die Menopause
Studiendauer: 12 Wochen bis 2 Jahre
Fragestellung: Helfen Phytoöstrogene Frauen mit Wechseljahres-typischen Hitzewallungen?
mögliche Interessenskonflikte: keine

Lethaby A, Marjoribanks J, Kronenberg F, Roberts H, Eden J, Brown J. Phytoestrogens for menopausal vasomotor symptoms. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013, Issue 12. Art. No.: CD001395. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[2] Grant u.a. (2015)
Studienart: systematische Übersichtsarbeit, Meta-Analyse
Eingeschlossene Studien: 283 randomisiert-kontrollierte Studien
Fragestellung: Vergleichende Analyse von Behandlungen bei Frauen mit Wechseljahres-Beschwerden?
mögliche Interessenskonflikte: keine

Grant MD, Marbella A, Wang AT, Pines E, Hoag J, Bonnell C, Ziegler KM, Aronson N. Menopausal Symptoms: Comparative Effectiveness of Therapies [Internet]. Rockville (MD): Agency for Healthcare Research and Quality (US); 2015 Mar. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

Weitere Quellen

[3] Bundesinstitut für Risikobewertung (2007)
Stellungnahme: Isolierte Isoflavone sind nicht ohne Risiko. Abgerufen am 1. Juli 2015 unter
www.bfr.bund.de/cm/343/isolierte_isoflavone_sind_nicht_ohne_risiko.pdf

[4] IQWIG (2012)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen – IQWIG (2012). IQWIG-Gesundheitsinformation: Wechseljahrsbeschwerden. Abgerufen am 10. Juli 2015 unter
www.gesundheitsinformation.de/wechseljahresbeschwerden.2171.de.html

[5] Posadzki u.a. (2013)
Posadzki P, Lee MS, Moon TW, Choi TY, Park TY, Ernst E. Prevalence of complementary and alternative medicine (CAM) use by menopausal women: a systematic review of surveys. Maturitas. 2013 May;75(1):34-43. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23497959

[6] UpToDate (2015)
Patient information: Nonhormonal treatments for menopausal symptoms (Beyond the Basics). Abgerufen am 10. Juli 2015 unter www.uptodate.com/contents/nonhormonal-treatments-for-menopausal-symptoms-beyond-the-basics

[7]UpToDate (2015)
Menopausal hot flashes. Abgerufen am 10. Juli 2015 unter www.uptodate.com/contents/menopausal-hot-flashes

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