Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Mit Cannabis gegen Parkinson: Wirkbelege fehlen

Cannabis soll bei der Parkinson-Krankheit helfen. Aber kann Hanf tatsächlich die Beschwerden verbessern?

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Verbessert Cannabis Beschwerden bei Parkinson, zum Beispiel Bewegungsstörungen?

Die Frage wurde nur in zwei kleinen Studien von unklarer methodischer Qualität untersucht. Während sie keine positiven Effekte auf unterschiedliche Bewegungsstörungen andeuten, gibt eine Studie Hinweise auf eine kleine Verbesserung der Lebensqualität.

so arbeiten wir
Hanfblätter Cannabis auf Rezept gegen Parkinson?
© OpenRangeStock – Shutterstock.com

Seit einigen Jahren wird Cannabis in bestimmten Formen legal für medizinische Zwecke eingesetzt. Wie gut die Mittel in verschiedenen Anwendungsgebieten wirken, ist aber fraglich. Ein Leser wollte wissen, wie es um die Wirksamkeit von Cannabis bei der Parkinson-Erkrankung steht.

Kaum Studien vorhanden

Mit der Literaturrecherche waren wir bei dieser Frage ziemlich schnell fertig. Der Nutzen von Cannabis bei Parkinson ist nur in zwei Studien [1,2] untersucht worden, die zumindest einige Qualitätsstandards einhalten. Dazu gehört etwa der Vergleich mit einem Scheinpräparat sowie die zufällige Zuteilung der Teilnehmenden auf Vergleichsgruppen.

Ob die Studien tatsächlich aussagekräftig sind, lässt sich leider nicht beantworten: Denn in den Veröffentlichungen fehlen Details, die für unsere Bewertung wesentlich sind.

Zu wenige Testpersonen

Abgesehen von den fehlenden Angaben gibt es weitere grundsätzliche Probleme: So waren an den Studien insgesamt nur 40 Testpersonen beteiligt. Das sind viel zu wenige, um sichere Aussagen treffen zu können.

Hinzu kommt: Die beiden Studien untersuchten Parkinson-Patientinnen und Patienten in verschiedenen Krankheitsstadien, testeten stark unterschiedliche Cannabis-Zubereitungen und deren Wirkung auf diverse Beschwerden wie verschiedene Arten von Bewegungsstörungen. Das schränkt die Vergleichbarkeit der Studien deutlich ein.

Wirksam? Wissen wir nicht.

Allerdings fielen die Ergebnisse ohnehin nicht so aus, wie es sich Cannabis-Befürworterinnen und -Befürworter vielleicht erhofft hätten: Eine der Studien [1] fand keinen Wirksamkeits-Unterschied zwischen Cannabis und einem Scheinmedikament, wenn es um „Dyskinesien“ ging – also jene unwillkürlichen Bewegungen, die viele Menschen mit Parkinson im fortgeschrittenen Stadium beeinträchtigen.

Auch in der anderen Studie [2] konnte Cannabis verschiedene Parkinson-typische Bewegungsstörungen, etwa beim Gehen oder Aufstehen, nicht besser lindern als das Placebomittel.

Allerdings deutete sich laut Studienteam ein kleiner Nutzen von Cannabis in Sachen Lebensqualität an. Es ist aber relativ unsicher, ob dieser Effekt wirklich existiert, und es ist unklar, ob Patientinnen und Patienten die Verbesserung tatsächlich als solche wahrnehmen würden.

Ob Cannabis bei Parkinson von Nutzen ist, ist also bisher ungeklärt.

Unklare Verträglichkeit

Wie sieht es mit möglichen Nebenwirkungen aus? Wie gut Menschen mit Parkinson Cannabis vertragen, lässt sich aufgrund der geringen Teilnehmerzahlen nicht sicher sagen. In den beiden Studien sind nach Angaben der Autorenteams keine schwerwiegenden Nebenwirkungen aufgefallen. Allerdings wird das nicht weiter ausgeführt. In Sachen unerwünschte Wirkungen brauchen wir also mehr und bessere Forschung.

Eine der Studien [1] macht etwas genauere Angaben zu unerwünschten Wirkungen. Dabei fällt auf, dass psychische Nebenwirkungen wie Schläfrigkeit oder Konzentrationsstörungen mit Cannabis häufiger auftraten als mit dem Scheinmedikament.

Wenn Dopamin fehlt

Bei der Parkinson-Krankheit gehen im Gehirn Nervenzellen zugrunde, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Dopamin ist entscheidend für die Steuerung von Bewegungen. Deswegen sind verschiedene Bewegungsstörungen ein typisches Symptom von Parkinson.

Die Folge davon: Bewegungen wie das Gehen verlangsamen sich, die Muskulatur ist angespannt, und es tritt das typische Zittern auf, meistens an den Händen [3]. Diese Beschwerden haben der Erkrankung Parkinson auch den volkstümlichen Namen „Zitterlähmung“ eingebracht.

Parkinson wird hauptsächlich mit Medikamenten behandelt, die Dopamin ersetzen oder dessen Wirkung verstärken. Mit fortschreitender Erkrankung kommt es aber zum Beispiel oft vor, dass die Medikamente nicht mehr so gleichmäßig wirken [4].

Cannabis als Medizin

In Österreich und Deutschland sind Arzneimittel aus Cannabis, seinen Bestandteilen (Cannabinoiden) oder mit chemisch verwandten Substanzen zugelassen. Dazu zählt ein Mittel aus zwei verschiedenen Cannabis-Extrakten, das für die Behandlung von krampfartigen Symptomen bei Personen mit Multipler Sklerose verwendet werden kann.

Ein Arzneimittel mit dem künstlich hergestellten Cannabinoid Nabilon wird zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen bei Krebspatientinnen und -patienten eingesetzt, wenn andere Medikamente nicht ausreichend helfen.

Apotheken bereiten auf ärztliche Verordnung bei bestimmten Erkrankungen individuelle Arzneimittel aus THC (Tetrahydrocannabinol) zu, das ist eine Reinsubstanz von Cannabis [5,6]. In Deutschland können Ärztinnen und Ärzte außerdem bestimmte medizinische Sorten von Cannabis-Blüten verschreiben [6].

Die Studien im Detail

Zum Nutzen von Cannabis bei Parkinson haben wir zwei Studien [1,2] identifizieren können, bei denen Patientinnen und Patienten nach dem Zufallsprinzip ein Cannabis-Präparat oder ein Scheinmedikament erhalten haben.

In einer der Studien [1] erhielten die Teilnehmenden nacheinander beide Behandlungen („cross-over“). Jede Phase dauerte jeweils vier Wochen, und es lag eine zweiwöchige Pause dazwischen.

In der anderen Untersuchung [2] wurden die Teilnehmenden jeweils nur mit einer der Optionen über sechs Wochen behandelt: also mit einer von zwei Dosierungen Cannabis oder mit einem Scheinpräparat.

Ein wichtiges Problem in beiden Studien: Bei der Beschreibung fehlen viele Details, die für eine sichere Bewertung der methodischen Qualität nötig wären. Leider sind dabei auch viele zentrale Punkte (z.B. die Zuverlässigkeit der zufälligen Gruppenzuteilung, Angaben zu allen eingenommenen Medikamenten), die die Aussagekraft der Untersuchungen deutlich beeinflussen können. Daher müssen wir die Ergebnisse mit großer Vorsicht betrachten.

Wenige und sehr verschiedene Teilnehmende

Die Anzahl der behandelten Patientinnen und Patienten war mit 19 [1] bzw. 21 [2] ziemlich gering. Das kann leicht Zufallsbefunde erzeugen und führt nicht zu allgemeineren Ergebnissen, die sich auf andere Parkinsonkranke übertragen lassen. Somit ist die Aussagekraft der Untersuchungen ziemlich eingeschränkt.

Die Teilnehmenden in den beiden Studien waren auch recht unterschiedlich: In eine Studie [1] wurden nur Patientinnen und Patienten mit einer fortgeschrittenen Parkinson-Erkrankung aufgenommen. Bei ihnen bestand die Erkrankung seit rund 14 Jahren, und sie hatten bereits seit einigen Jahren so genannte Dyskinesien. Das sind unwillkürliche Bewegungen, die im Laufe der Erkrankung bzw. durch die Therapie auftreten können.

An der anderen Untersuchung [2] nahmen Parkinson-Erkrankte teil, bei denen die Krankheit vor etwa sieben bis zehn Jahren diagnostiziert worden war. Über zu Studienbeginn bestehende Komplikationen (z.B. ungleichmäßige Wirkung von Medikamenten, Dyskinesien) finden sich in der Publikation keine Angaben. Im Vergleich zur anderen Studie waren die Teilnehmenden rund zehn Jahre jünger.

Unterschiedliche Präparate und Tests

Die beiden Studien testeten sehr verschiedene Cannabis-Präparate: Die eine Untersuchung [1] verwendete einen standardisierten Cannabis-Extrakt mit festgelegten Mengen der Inhaltsstoffe Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). In der anderen Studie [2] wurde nur Cannabidiol als Reinsubstanz in einer Dosierung von 75 mg bzw. 300 mg täglich eingesetzt. Das macht es ebenfalls schwierig, die Ergebnisse zu vergleichen.

Schließlich untersuchten die Studien auch sehr unterschiedliche Aspekte: In der Untersuchung an Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung [1] ging es im Wesentlichen um die erhoffte Linderung von Dyskinesien. Inwieweit der hauptsächlich dafür eingesetzte Fragebogen geeignet war, lässt sich nicht sicher beurteilen. Jedenfalls findet sich für keinen der untersuchten Aspekte ein Wirksamkeits-Unterschied zwischen dem Cannabis-Extrakt und dem Scheinpräparat.

Die andere Studie [2] untersuchte die Auswirkungen von Cannabis auf alle Formen von Parkinson-typischen Bewegungsstörungen sowie die Lebensqualität. Dafür wurden gut etablierte Fragebögen genutzt. Allerdings konnte das Forschungsteam für die Bewegungsstörungen keinen Wirksamkeits-Unterschied zwischen den Cannabis-Extrakten und dem Placebomittel feststellen.

Für die Lebensqualität ließ sich rein rechnerisch ein positiver Effekt auf die Lebensqualität feststellen. Ob der allerdings so groß ist, dass er für Patientinnen und Patienten tatsächlich als positive Veränderung spürbar ist, lässt sich nicht sicher sagen.

[1] Caroll (2004)
Studientyp: randomisierte kontrollierte crossover-Studie
Teilnehmende: 19 Patientinnen und Patienten mit Parkinson
Fragestellung: Verbessert ein Cannabis-Extrakt Bewegungsstörungen (Dyskinesien) bei Menschen mit fortgeschrittener Parkinson-Erkrankung?
Interessenkonflikte: keine Angaben

Carroll CB, Bain PG, Teare L et al. Cannabis for dyskinesia in Parkinson disease: A randomized double-blind crossover study. Neurology 2004; 63: 1245 – 1250
(Zusammenfassung)

[2] Chagas (2014)
Studientyp: randomisierte kontrollierte Studie
Teilnehmende: 21 Patientinnen und Patienten mit Parkinson
Fragestellung: Verbessert Cannabidiol Bewegungsstörungen (motorische Symptome) bei Parkinson?
Interessenkonflikte: Drei der Autoren sind an einem Patent für Cannabidiol-artige Substanzen in den USA beteiligt.

Chagas MH, Zuardi AW, Tumas V et al. Effects of cannabidiol in the treatment of patients with Parkinson’s disease: an exploratory double-blind trial. J Psychopharmacol 2014; 28: 1088 – 1098
(Zusammenfassung)

[3] IQWiG (2015)
Parkinson. (Abruf am 22.05.2019)

[4] UpToDate (2019)
Motor fluctuations and dyskinesia in Parkinson disease. (Abruf am 13.05.2019)

[5] AGES (2019)
Fragen zu Hanf. (Abruf am 22.05.2019)

[6] BfArM (o.J.)
Cannabis als Medizin (Abruf am 22.05.2019)

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