Nattokinase: Studien sprechen gegen blutverdünnende Wirkung

Nattokinase wird als „natürlicher Blutverdünner“ beworben. Studien sprechen aber eher gegen eine solche Wirkung.

AutorIn:
Review:  Bernd Kerschner 

Wirkt Nattokinase blutverdünnend?

Das Nahrungsergänzungsmittel Nattokinase scheint zur Blutverdünnung eher nicht geeignet – zumindest, wenn es um Gerinnungs-Blutwerte geht. Ob Nattokinase das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder Thrombosen verhindert, wurde bisher nicht ausreichend untersucht. Die Einnahme scheint aber sicher zu sein, Hinweise auf schwere Nebenwirkungen gibt es bisher keine.

so arbeiten wir
Japanisches Natto Natto: Sieht gewöhnungsbedürftig aus und schmeckt auch so.
© K321 – Shutterstock

Manche Menschen müssen sogenannte Blutverdünner (oder auch Gerinnungshemmer) nehmen. Also Medikamente, die die Bildung von Blutgerinnseln verhindern. Das wiederum schützt vor Herzinfarkt, Schlaganfall und anderen schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

„Natürlich“ wirksam?

Dauerhaft Medikamente einnehmen zu müssen – dieser Gedanke behagt vielen Betroffenen nicht. Daher verwundert es nicht, dass das Versprechen eines vermeintlich sanfteren und „natürlichen Blutverdünners“ verlockend klingt – zum Beispiel in Form des Nahrungsergänzungsmittels Nattokinase.

Die Nattokinase ist ein Enzym, das natürlicherweise in Natto vorkommt. Natto ist eine traditionelle Speise in Japan und besteht aus fermentierten Sojabohnen, die mit Hilfe von speziellen Bakterien (Bacillus subtilis) hergestellt wird. Als Nahrungsergänzungsmittel ist Nattokinase in Kapselform erhältlich.

Nattokinase eher keine Alternative zu Medikamenten

Wir wollten wissen, ob Nattokinase tatsächliche eine Alternative zu blutverdünnenden Medikamenten darstellt. Insbesondere interessierte uns, ob sich durch die Einnahme schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Thrombose verhindern lassen.

Bei unserer Recherche in verschiedenen Datenbanken fanden wir drei Studien, die das beantworten können [1-3]. In allen drei wurden verschiedenen Blutwerte untersucht, die Rückschlüsse auf die Blutgerinnung geben. Mit Hilfe dieser Werte können Ärztinnen und Ärzte das Risiko für die Entstehung gefährlicher Blutgerinnsel im Körper einschätzen.

In keiner der Studien zeigte sich jedoch eine relevante Verbesserung dieser Blutwerte [1-3,5]. Dass das Enzym Nattokinase die Blutgerinnung maßgeblich beeinflussen kann, halten wir derzeit für eher unwahrscheinlich.

Herz-Kreislauf-Risiko nicht ausreichend untersucht

Was wir aber noch viel aussagekräftiger fänden: Studien, die direkt untersuchen, ob Menschen dank dem Nahrungsergänzungsmittel weniger häufig einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder Thrombosen erleiden. Das traf zwar auf eine der Studien zu [1]. Doch insgesamt kamen solche Herz-Kreislauf-Ereignisse so selten vor, dass sich das Ergebnis nicht verallgemeinern lässt.

Einnahme offenbar sicher

Zumindest scheint die Einnahme von Nattokinase sicher zu sein: Nebenwirkungen traten in der Studie [1] in beiden Gruppen ähnlich häufig auf. Schwere Nebenwirkungen wurden gar nicht beobachtet.

Mehr Infos zu Herzinfarkt und Schlaganfall

Verlässliche Informationen zu Blutverdünnern, welche Medikamente es gibt und welche Nebenwirkungen sie haben können, hat die Seite Gesundheitsinformation.de.

Die Seite bietet auch verständliche und gesicherte Informationen zum Schlaganfall, Herzinfarkt, zur Lungenembolie und zu Thrombosen.

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Uns interessierten Studien, die zwei Dinge untersucht haben: Einerseits, ob die Einnahme von Nattokinase Blutgerinnungswerte verbessert, die Rückschlüsse auf das Herz-Kreislauf-Risiko geben können. Andererseits, ob Menschen, die regelmäßig Nattokinase einnehmen, seltener Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Thrombosen haben.

Um letzteres zu beantworten, wäre folgende Studie am aussagekräftigsten: Eine große Anzahl an Menschen wird per Los auf zwei Gruppen aufgeteilt (randomisiert). Die eine nimmt anschließend täglich Nattokinase ein, die andere ein gleich aussehendes Schein-Präparat, also ein Placebo. Dann werden die Teilnehmenden möglichst lange beobachtet – idealerweise über viele Jahre hinweg. Am Ende protokollieren die Forschenden: Wie viele Herz-Kreislauf-Ereignisse gab es in der Zwischenzeit in der Nattokinase-Gruppe, wie viele in der Placebo-Gruppe? Solche Studien nennt man auch randomisiert-kontrollierte Studien.

Wie aussagekräftig sind die Studien?

Wir fanden eine solche Studie, die fünf Jahre lief [1]. Dabei gab es etwa gleich viele Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Nattokinase-Gruppe wie in der Placebo-Gruppe. Allerdings – und das war der Haken – waren es generell nicht viele. Von den knapp 270 Teilnehmenden hatten im Laufe der Studie nämlich nur rund 11 Personen einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder eine Thrombose. Das ist viel zu wenig, um die Ergebnisse verallgemeinern zu können.

In dieser und in zwei weiteren Studien [2,3] wurden auch Blutparameter untersucht, die indirekt Rückschlüsse auf das Herz-Kreislauf-Risiko ermöglichen. Dabei zeigte sich kein Effekt durch die Nattokinase – zumindest keiner, der das Erkrankungsrisiko der Teilnehmenden merklich beeinflusst hätte [4,5]. Weil diese Blutwerte jedoch nur indirekte Hinweise liefern und die Studien einige Mängel hatten, ist unser Vertrauen in das Ergebnis eher gering.

Mängel in den Studien waren etwa:

Wegfallen von Teilnehmenden: Viele Teilnehmende schieden aus den Studien aus, ohne dass das Forschungsteam das begründen konnte. Das kann das Ergebnis verzerrt haben.
Fragliche Vergleichbarkeit der Gruppen: Bei einer Studie [3] war unklar, ob die Zuteilung zu den Gruppen wirklich zufällig erfolgt war und ob die Gruppen sich vielleicht bereits zu Beginn unterschieden hatten. Das kann einer Gruppe einen unfairen Startvorteil verschafft haben.
Unvollständige Ergebnisse: In derselben Studie [3] ließen die Autorinnen und Autoren wichtige Informationen weg. Zum Beispiel wurden die Ergebnisse der Blutwerte nur in einer Graphik dargestellt und keine Zahlen genannt. Wir können das Ergebnis deshalb nur schätzen.

[1] Hodis, HN, et al. (2021). Nattokinase atherothrombotic prevention study: a randomized controlled trial. Clinical hemorheology and microcirculation 78(4): 339‐353. (Link zur Studie)

[2] Yoo, H. J., et al. (2019).The effects of nattokinase supplementation on collagen-epinephrine closure time, prothrombin time and activated partial thromboplastin time in nondiabetic and hypercholesterolemic subjects. Food Funct 10(5): 2888-2893. (Link zur Studie)

[3] Jensen, GS, et al. (2016). Consumption of nattokinase is associated with reduced blood pressure and von Willebrand factor, a cardiovascular risk marker: results from a randomized, double-blind, placebo-controlled, multicenter North American clinical trial. Integr Blood Press Control.;9:95-104. (Link zur Studie)

[4] Lowe, G., & Rumley, A. (2014). The relevance of coagulation in cardiovascular disease: what do the biomarkers tell us? Thrombosis and haemostasis, 112(11), 860-867.

[5] Amboss (2024)
Abgerufen am 6.2.2023 unter www.amboss.com (kostenpflichtiger Zugang)

6.2.2024: In einer Update-Recherche finden wir neue Studien. Unsere Einschätzung ändert sich und wir halten eine blutverdünnende Wirkung für eher unwahrscheinlich.

16.7.2019: Erste Veröffentlichung dieses Faktenchecks. Es gibt keine Studien, die für oder gegen eine Wirksamkeit von Nattokinase sprechen.

 

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